«Zwischenzeitlich habe ich gezittert»

MC Pyro veröffentlicht am Freitag mit «Schatteboxe» das erste durch Crowdfunding finanzierte Basler Rap-Album. Im Gespräch mit der TagesWoche erzählt er warum.

«Wo Schatten ist, gibt's auch Licht», ist Daniel Kern alias Pyro überzeugt (Bild: Dominique Ernst)

MC Pyro veröffentlicht am Freitag mit «Schatteboxe» das erste durch Crowdfunding finanzierte Basler Rap-Album. Im Gespräch mit der TagesWoche erzählt er warum.

Der Basler Rap ist zurück: Nach dem denkwürdigen «Monstertrack» «1 City 1 Song», der im Oktober über hundert hiesige MC’s vereinte, folgt am Freitag nun das lang erwartete «Monsteralbum» von Daniel Kern alias Pyro. Vier Jahre nach seinem Überraschungserfolg «Hoffnigsfungge» legt der ehemalige Freestyle-Battle-König damit endlich nach – und das gleich im Doppelpack. Ermöglicht wurde das aufwendig gestaltete 2-CD-Package durch die Basler Abteilung der Plattform «We Make It» , auf welcher 74 Unterstützer insgesamt 4724 Franken für die Fertigstellung stifteten: Damit ist «Schatteboxe» das erste durch Crowdfunding finanzierte Basler Rap-Album.

Pyro, wieso haben Sie sich dazu entschlossen, Ihr neues Album mit Crowdfunding zu finanzieren?
Vorsicht, ich habe nicht das Album selbst mittels Crowdfunding finanziert, sondern nur die Bereiche Mastering, Videoclips und Promotion. Der Grund dafür war, dass das Album mit 32 Songs ein Doppelalbum werden sollte. Ein richtig professionelles Mastering hätte ich mir bei meinem Budget daher so nicht leisten können. Die Frage war also, ob ich Abstriche bei meinen Ansprüchen mache oder zusätzliches Geld sammle. Ich habe mir den Entscheid reiflich überlegt, da ich auf keinen Fall einfach «betteln» wollte: Das hätte mein Stolz nicht zugelassen.

Was gab den Ausschlag?
Ich bin ein grosser Fan von Tom Swift, der als einer der ersten Basler ein Album durch Crowdfunding finanziert hat. Dabei habe ich realisiert, dass jeder, der Geld spendet, auch einen Gegenwert erhält. Darum habe ich mir bei meinem Aufruf wirklich attraktive «Goodies» wie zum Beispiel ein Wohnzimmer-Konzert einfallen lassen, damit sich das Spenden auch lohnt.

Waren Sie optimistisch, dass Sie das Geld zusammenkriegen?
Grundsätzlich schon, sonst hätte ich es gar nicht erst versucht. Während des Projekts hatte ich aber durchaus immer wieder meine Zweifel, ich habe also zwischenzeitlich schon gezittert. (lacht) Umso aufstellender war für mich der Support meiner Community: Manche Bands haben etwa ihre ganzen Konzertgagen dafür gespendet. Das Feedback hat mir gezeigt, dass es definitiv die richtige Entscheidung war.

Gab es auch kritische Stimmen?
Ja, durchaus. Manche Leute teilten mir mit, sie fänden es nicht okay, wenn ein MC seine Werke von den Fans finanzieren lassen würde. Aber so stimmt es eben nicht: Es geht ja nur um den Teil des Gesamtbetrags, den ich sonst nicht hätte aufbringen können, und jeder kriegt auch etwas dafür.

Welche Erfahrungen haben Sie mit der Plattform selbst gemacht?
Prinzipiell gute. Es ist ein sehr cooles, nützliches Tool, und das System ist transparent. Wichtig ist, selber realistisch einzuschätzen, wie viel Geld man braucht, und wie viel man auch zusammen bekommt. Eine starke Verbesserung scheint mir dabei, dass man mittlerweile mit Postcard zahlen kann, was die Abläufe vor allem für junge Leute stark vereinfacht. Vorher mussten Kollegen und Fans, die keine Kreditkarte haben, das Geld umständlich bei einem «Kassier» deponieren, damit alles korrekt zu und her ging. Dies, weil ich das Geld nicht selber entgegennehmen konnte, da man dabei ja hätte auf die Idee kommen können, dass hier ein «Bschiss» im Gange sei.*

Doch das hatten Sie zum Glück gar nicht nötig. Lief rückblickend also wirklich alles wie geplant?
Fast. Mich hat einzig überrascht, dass mein erster filmischer Spendenaufruf von den «We Make It»-Betreibern abgelehnt wurde, weil er zu ironisch daher kam. Wir hatten damals zunächst einen Film geplant, der mit dem Klischee spielt, dass alle Rapper kriminell sind – und dafür Sequenzen gedreht, in denen wir das benötigte Geld «alternativ» mit Überfällen oder Drogen organisieren würden. Das kam nicht gut an. (lacht) Es wird also offenbar doch Wert auf eine gewisse Seriosität gelegt.

*Eigenes Geld in Projekte einzahlen ist verboten.

«Schatteboxe» erscheint am 7. Dezember schweizweit via Rappartment / Nation Music und ist auch auf iTunes erhältlich. Die Plattentaufe findet am 5. Januar 2013 in der Basler Kuppel statt.

Erfreulich facettenreich.
«100 Prozänt» Pyro soll in «Schatteboxe» stecken – das zumindest kündigt der Basler Rapper auf dem gleichnamigen Opener seines Zweitlings selber an. Und verspricht damit keineswegs zu viel: Denn vom selbstironischen Sprücheklopfer («Fühl mi guet», «Fehl am Platz») über den lässigen Konzeptreimdrechsler («Mi Tisch», «D’Ärde isch e Schyybe») bis hin zum kämpferischen Gesellschaftskritiker («Zombie») zeigen die 32 Tracks des Doppelalbums den versierten Wortakrobaten in allen Facetten und Schattierungen.
Wie bereits auf seinem Debüt läuft Pyro dabei insbesondere bei swingenden Jazz- und melodiösen Funkarrangements zur Hochform auf – diesmal grösstenteils von P27-Produzent Tron für den nonchalanten MC massgeschneidert: ein Glücksfall.
Dass die beiden Scheiben (abgesehen von der schieren Menge an Material) weder überambitioniert noch überproduziert, sondern angenehm unprätentiös und erfrischend ungeschliffen klingen, bestärkt den bisherigen Eindruck, dass sich da einer beim Reimen ganz mit sich im Reinen befindet. Und zeigt, dass der selbsternannte «lyrische Fackelträger» eigentlich gar keine derart pompösen Worthülsen braucht. Weil er in Wirklichkeit nämlich mittlerweile etwas noch viel Liebenswerteres verkörpert: Den unerschütterlichen Optimisten und Sympathieträger nämlich, dem man genausogern zuhört wie einem guten alten Freund.

Nächster Artikel