Bei der Sanierung des Theaters Basel tauchen weitere Ungereimtheiten auf. Die Erneuerung der Audio- und Videotechnik wurde unter der Hand vergeben. Die Verantwortlichen berufen sich auf Ausnahmeklauseln im Vergabegesetz.
Es ist auch die Geschichte hinter einem der grössten Erfolge des Theaters Basel. Oper des Jahres wurde sie, die Stockhausen-Inszenierung. Ein sechsstündiges Spektakel mit Film und punktgenauen Klängen. Einmal quer durchs Haus und vor die Tür schickte die Regie die Zuschauer. Das ehrgeizige Projekt beschloss die erste Saison des neuen Intendanten Andreas Beck auf triumphale Weise.
Möglich gemacht hat sie eine Installation, die es in dieser Form vielleicht nie hätte geben dürfen. Für die Recht und geltende Praxis gemäss Recherchen der TagesWoche gedehnt wurden und die mitverantwortlich für das grosse Zerwürfnis auf der Theaterbaustelle war. Aber beginnen wir von vorne.
Bald nachdem der Regierungsrat im Sommer 2013 beschlossen hatte, das Theater für 72 Millionen Franken zu sanieren, fiel das Augenmerk der Verantwortlichen auf den Bereich Bühnenkommunikation, also die ganze Video- und Audiotechnik, die es für moderne Inszenierungen braucht: Mischpulte, Regiesysteme, Lautsprecher, Computer – eine nicht enden wollende Liste an Highend-Geräten.
Ein Sonderfall
Im Dezember 2013 begann nach Auskunft des Theaters die Evaluierung der Produkte. Im April 2014 lud man dann das Unternehmen Dr. W.A. Günther aus Erlenbach am Zürichsee nach Basel ein. In den folgenden Monaten prüften Vertreter der Firma mit der Tonabteilung des Theaters, was alles zu tun war.
Im Mai 2015 stand alles fest, die vom Kanton für die Elektroplanung eingesetzte Firma Scherler AG bewilligte die Kosten. Die Firma Dr. W.A. Günther wurde für die Ausführung der Arbeiten gewählt, und zwar wie Ingrid Trobitz, Sprecherin des Theaters festhält, weil sie die Exklusivlizenzen für den Vertrieb einiger Geräte hielt, die man unbedingt wollte.
Der Auftrag, drei Millionen Franken schwer, wurde nie ausgeschrieben. Er ging unter der Hand an Dr. W.A. Günther. Das ist die erste Auffälligkeit in diesem Geschäft. Thomas Blanckarts, Leiter des Hochbauamts, begründet dieses Vorgehen mit einer Ausnahmeklausel im Vergabegesetz: «Die neuen Anlage-Teile mussten mit bestehenden Anlagen und Materialien kompatibel sein. In solchen Fällen kann gemäss Submissionsgesetz auf eine Ausschreibung verzichtet werden.»
Tatsächlich lieferte Dr. W.A. Günther schon in der Vergangenheit technische Geräte an das Theater Basel. Allerdings stellt die Firma keine eigenen Produkte her, sondern kauft Technik bei Herstellern aus der ganzen Welt. In diesem Bereich gibt es durchaus Konkurrenz. Etwa das österreichische Unternehme PKE Electronics, das in Basel eine Filiale unterhält und die Bühnentechnik in mehreren Theatern installiert hat.
Üblicherweise werden Firmen von einem Auftrag ausgeschlossen, wenn sie die Expertise erbracht haben, die es für die Auftragsvergabe brauchte.
Zwischen PKE und involvierten Fachleuten sollen Gespräche stattgefunden haben. Da war der Deal mit Dr. W.A. Günther allerdings längst eingefädelt. PKE reagiert auf eine Anfrage der TagesWoche nicht. Das Hochbauamt sagt: «Uns ist das angebliche Interesse von PKE unbekannt.»
Fragwürdig ist in dieser Geschichte auch, dass die Erlenbacher praktisch von Beginn weg in die Planung des Projekts involviert waren. Üblicherweise werden Firmen von einem Auftrag ausgeschlossen, wenn sie die Expertise erbracht haben, die es für die Auftragsvergabe brauchte. Dieser Schutzmechanismus soll verhindern, dass eine beigezogene Firma im Vorprojekt die Anforderungen so mitgestaltet, dass nur sie diese erfüllen kann.
Blanckarts weist eine Beteiligung der Zürcher am Anforderungskatalog zurück: «Die Anforderungen definierte auch hier die Bauherrschaft (Projektleitung mit Theater, Planer), Dr. W.A. G. war hierbei nicht aktiv.» Bis zur definitiven Entscheidung aber war Dr. W.A. Günther, das belegen obige Aussagen des Theaters, durchaus massgeblich involviert.
Die dritte Besonderheit im Teilauftrag Bühnenkommunikation I ist die merkwürdigste. Ursprünglich budgetiert waren für den Auftrag 200’000 Franken. Das ist Dokumenten zu entnehmen, die der TagesWoche vorliegen. Die Vertragssumme aber belief sich schliesslich auf rund 3 Millionen Franken. Wie ist dieser Unterschied zu erklären?
Ein schwerwiegender ‹Kommafehler›
Hochbauamt-Leiter Blanckarts muss sich strecken, um die Diskrepanz zu begründen. Er sagt, ursprünglich sei die Position Bühnenkommunikation auf 2,5 Millionen Franken geschätzt worden. Diese Summe habe man daraufhin auf 2 Millionen Franken reduziert «zur Aufrechterhaltung des Drucks auf alle Beteiligte». Gemäss Blanckarts «ein durchaus übliches Vorgehen».
Schliesslich sei ein Missgeschick passiert, als diese Summe ins Auftragssystem Devis eingeben wurde. Blanckarts: «Da passierte der ‹Kommafehler› und es wurden 200’000 Franken eingesetzt.» Den Unterschied zwischen den 2,5 Millionen des angeblichen Budgets und den 3 Millionen Franken im Werkvertrag mit der Elektrofirma Elektronorm, will Blanckarts nicht kommentieren. Der Werkvertrag sei Gegenstand von Verhandlungen.
Es existieren andere Einschätzungen der Vorgänge. Ein involvierter Fachmann sagt: «Die Beratungen zwischen Dr. W.A. Günther und dem Theater haben zu lange gedauert, sodass es nicht mehr reichte, den Auftrag in der Elektroausschreibung zu berücksichtigen.» So sei der Auftrag mitten in der Sanierung noch reingeschmuggelt worden.
Der Kanton teilte seinem Auftragnehmer den Subunternehmer zu. Das ist in anderen Kantonen untersagt.
Der spanische Konzern Emte, der gemeinsam mit dem Tessiner Juniorpartner Elektronorm die Ausschreibung für die gesamte Elektrosanierung gewonnen hatte, war über den Deal mit Dr. W.A. Günther empört. Dr. W.A. Günther war Emte vom Kanton als Subunternehmer zugeteilt worden – ein Vorgehen, das in anderen Kantonen untersagt ist.
Es gab keine Verhandlungen über Modalitäten, keine Diskussion zu möglicherweise günstigeren Konkurrenzangeboten. Dazu hätte Emte Dr. W.A. Günther im Voraus bezahlen sollen. Das Hochbauamt bestreitet, dass dies der Grund gewesen ist für den Rückzug von Emte, und spricht von einem Zerwürfnis zwischen Emte und Elektronorm als Grund für den Ausstieg.
Am Ende übernahm der ursprüngliche Juniorpartner Elektronorm den gesamten Auftrag und unterzeichnete auch den Deal mit Dr. W.A. Günther. Dafür erhielten die Tessiner zwölf Prozent der Auftragssumme von drei Millionen als Entschädigung, Emte hätte nur acht Prozent Kommission erhalten. Mit diesem Aufschlag konnte Elektronorm überzeugt werden, weiterzuarbeiten.
Aber der Stockhausen war toll
Die Zusammenarbeit zwischen Subunternehmer Dr. W.A. Günther und Elektronorm soll dann allerdings schwierig gewesen sein, heisst es. Beide Firmen misstrauten sich, arbeiteten eher gegen- als miteinander.
Gewinner des ganzen Vorgehens war das Theater Basel. Sprecherin Ingrid Trobitz antwortet auf die Frage, ob die Erneuerung der Bühnentechnik wegen der Stockhausen-Inszenierung im Sommer 2015 habe durchgedrückt werden müssen: «Aufwendige Mietkosten konnten vermieden werden, dadurch dass die Tonanlage zum Beginn der ersten Saison der neuen künstlerischen Leitung erneuert war.»
Dadurch habe die «gefeierte und viel beachtete Stockhausen-Inszenierung planmässig realisiert» werden können. Und die wurde, Trobitz vergisst das nie zu betonen, schliesslich zur Inszenierung des Jahres gekürt.