«Als Label-Mama bin ich nicht bekannt»

Heiss geliebt, hoch verehrt und doch gefürchtet: Die deutsche Techno-Pionierin Ellen Allien hat sich mit «BPitch Control» ein einzigartiges Label-Imperium aufgebaut, das von Musik, Partys und Mode bis zur Bookingagentur reicht. Vor Ihrem Gig am Freitag an der «Bon Voyage» im Basler Nordstern gab sie der TagesWoche ein exklusives Interview.

Zur internationalen Star-DJane gereift: Die Berlinerin Ellen Allien (Bild: Crystalmafia)

Heiss geliebt, hoch verehrt und von der männlichen Konkurrenz gefürchtet: Die deutsche Techno-Pionierin Ellen Allien hat sich mit Ihrem Label «BPitch Control» eine absolute Ausnahmestellung in der globalen Partyszene erarbeitet. Am Freitag spielt sie an der «Bon Voyage» im Basler Nordstern.

Ellen Allien (42) zählt zu den erfolgreichsten Frauen der globalen Partyszene. Die DJane, Produzentin, Veranstalterin und Labelinhaberin von «BPitch Control» hat die Geschichte der elektronischen Musik nachhaltig geprägt: Sie hat den Aufstieg des Techno in Deutschland von Anfang der 90er Jahre an begleitet und viel zum Glanz von legendären Clubs wie dem E-Werk, dem Tresor und dem heutigen Top-Club Watergate beigetragen.

Allien war es auch, die heutigen Stars wie Paul Kalkbrenner (bekannt als Hauptdarsteller des Kultfilms «Berlin Calling») und Sascha Funke den Weg zum Erfolg geebnet hat. Mittlerweile hat die Ikone sieben Alben und unzählige Singles herausgegeben, allesamt nicht nur kommerziell erfolgreich, sondern auch auf qualitativ hohem Niveau. Am Freitag spielt sie an der «Bon Voyage» im Basler Nordstern.

Ellen Allien, wann wurde Ihnen klar, dass Sie das Auflegen zum Beruf machen wollen?

Das Auflegen begann als Hobby und wurde nach vier Jahren zu meinem Beruf. Ich habe mich von Anfang an darauf verlassen, dass es klappen würde und habe mich in diesem Sinne auch anderen musikalischen Tätigkeiten gewidmet: ich habe in einem Plattenladen gearbeitet, hatte meine eigene Radioshow, habe dann mein eigenes Label gegründet, schliesslich dann die Bookingagentur. 

War das schon immer Ihr Traum oder gab es ein Schlüsselerlebnis?

Das Auflegen wurde zu meinem Beruf, da es damals einen Markt dafür gab und ich gefragt war, genauso wie heute noch. Es hat im ganzen sechs Jahre gedauert, bis ich erkannt habe, dass hier mein Platz ist, dass ich damit leben, mich entwickeln und mein Wissen und meine Netzwerke mit anderen teilen kann. 

Frauen sind im Techno klar in der Minderheit. Als Sie mit Auflegen begannen, hatten Sie da den Eindruck, dass Sie als Frau anders behandelt wurden als Ihre Kollegen?

Am Anfang ging es eigentlich nur darum einen guten Stil zu entwickeln und gute technische Fähigkeiten zu haben. In Berlin wurde und wird darauf grossen Wert gelegt, also um die Mischung von Technik und Stil. Das kommt vor allem davon, dass in Berlin die meisten Clubbesitzer Musikliebhaber sind und nicht nur reine Businessmenschen.

Als ich meinen eigenen Stil entwickelte, anfing gute Mixfähigkeiten zu besitzen und die Kommunikation zum Spass wurde, wurde ich nach und nach akzeptiert. Die Frage «Mann oder Frau» hat in diesem Sinne keine so grosse Rolle gespielt. Wenn, dann eher auf der Bühne.

Aus welchem Antrieb erfolgte später der Schritt vom DJing zur Labelgründung? Ging es um künstlerische Unabhängigkeit oder um den Gedanken, andere zu fördern?

Das Label «BPitch Control» habe ich gegründet, da es zu dieser Zeit in Berlin kaum Labels gab – und die, die es gab, passten nicht zu meinem Sound. Somit wurde mir klar, dass ich etwas auf die Beine stellen wollte, wo die Musik Freiraum finden konnte: ein Label, das musikalisch freier sein sollte als die, die es schon gab. Freiheit im Sinne von einem Zusammenbringen verschiedener elektronischer Stile und Charakteren.

Sind Sie in Ihrer Rolle als Labelmanagerin eher der harte Boss oder die Label-Mama eines familiären Betriebs?

Als Label-Mama bin ich nicht bekannt. Mir geht es vor allem um die Netzwerke, die alle benutzen können; dazu beizutragen sie zu bilden, mit aufzubauen und zu erweitern. Es macht mir einen Riesenspass, mit talentierten Künstlern zu arbeiten – genauso wie mit meinem Team. Musik, Design, Fashion, Streetwear, frische Musik und Kreative zu vernetzen, ist eine grosse Freude. Die «Insel» BPitch Control ist nun ein wichtiger Bestandteil der Berliner Szene und der internationalen Musiklandschaft: Das wollte ich erreichen.

BPitch Control ist tatsächlich seit bald 15 Jahren tonangebend. Damit haben Sie sich eine Ausnahmestellung im Business erarbeitet. Was ist ihr Erfolgsrezept?

Die Leidenschaft.

Es gibt nur wenige Frauen im Business, die eine vergleichbare Karriere gemacht haben.

Es gibt in der Zwischenzeit viele Frauen, die erfolgreich sind, aber vielleicht nicht so viele, die eine so grosse Plattenfirma rocken. Neben der Leidenschaft haben Neugierde, meine Liebe zur Musik und zum Teamwork, mein Durchhaltevermögen und der Spass an diesem Leben mir geholfen, es so weit zu bringen.

Sie sind seit Beginn der 90er Jahre aktiv und das ganze Jahr rund um den Globus unterwegs. Haben Sie keine Ermüdungserscheinungen?

Reisen ist mein Hobby. Selbst im Urlaub düse ich von Lima nach Rio und bis nach Panama…

…dann gibt es von Ihrer Seite her keine Gedanken, in Zukunft mal kürzerzutreten?

Was die Zukunft sagt, werde ich fühlen und dann leben.

Nordstern, Basel. Voltastrasse 30. Fr, 08. Juni 2012, 23 Uhr: Bon Voyage mit Ellen Allien, Daria und Gianni Callipari.

Lesen Sie in der gedruckten Tageswoche vom 08. Juni mehr zum Thema Frauen im Techno-Business.

Quellen

Mehr über Ellen Allien:

News: http://www.ellenallien.de/
Ellen Allien Fashion: http://fashion.ellenallien.de/
BPitch Control Website: https://www.bpitchcontrol.de/
Facebook Fanpage: http://www.facebook.com/
EllenAllien Twitter: https://twitter.com/ellenallien
My Space: http://de.myspace.com/ellenallien

Artikelgeschichte

Das Interview mit Ellen Allien ist eine Vorschau auf das DJane-Feature «Frauen, ran an die Teller!», das in der gedruckten Tageswoche vom 08. Juni 2012 erscheint.

Nächster Artikel