Der Blues explodiert noch immer, aber die Funken verglühen schnell: Die Jon Spencer Blues Explosion spielte am Sonntag in der Kaserne Basel.
Auf der Bühne stehen drei Männer, aber fünf Gitarrenverstärker. Und ein paar Effektgeräte mit denen sich prächtig lärmen lässt. Ein Bubentraum also. Aber die zwei, die da hinter den Gitarren auf der Bühne stehen und der dritte hinter dem Schlagzeug, machen das schon seit über zwanzig Jahren. Jon Spencer heisst ihr Leader, Blues Explosion das ganze Trio, und der Name ist Programm: Es geht um den Blues. Aber um einen Blues, der kracht, Funken schlägt und mächtig lärmt.
Direkt ins Gesicht
Damit muss man erst mal klarkommen, und in der auf Halbgrösse verkleinerten Reithalle der Kaserne, die auch so einen noch immer hohen und weiten Resonanzkörper bot, hat der Tontechniker einige Mühe. Die ersten zehn, fünfzehn Minuten donnern als dunkle Wolke vorbei, in der noch keine Konturen sichtbar sind. Der Gesang erstickt, das an sich sehr prägnante Spiel von Schlagzeuger Russel Simmins tröpfelt nur, anstatt dass es stürmisch niederprasselt.
Denn was Jon Spencer und sein Mitgitarrist Judah Bauer zu zweit aus den fünf Verstärkern von der Leine lassen, ist erst mal eine grosse, feedbackzerfressene Lärmkaskade. Genug Zeit, eine zweite Packung Ohrenstöpsel zu holen – oder um zu registrieren, wie das New Yorker Trio ihr rohes Verständnis des Blues und seines Bastards Rock’n’Roll auch visuell zu präsentieren weiss. Verstärker und Schlagzeug sind, die Grösse der Bühne ignorierend, auf engem Raum ganz vorne an den Bühnenrand postiert, auf Ohrhöhe mit dem Publikum. Eine klare Ansage: Was man hier zu hören kriegt, kommt direkt aus der Röhre und schlägt direkt ins Gesicht.
Klatschnasser Frontmann
Noch immer erstaunlich an dieser Band, deren letztes Studioalbum schon rund acht Jahre zurückliegt, ist ihr massiver physischer Einsatz: Jon Spencer, schwarze enge Lederhosen und offenes Hemd, ist bereits nach wenigen Minuten klatschnass, seine Stimme gurgelt, kreischt und brummelt eher guttural, als dass sie melodische Tragfähigkeit beweisen muss, und hat er mal ein paar Momente Zeit, rennt er zu seinen drei (!) Verstärkern, um noch ein paar zusätzliche Rückkoppelungseffekte herauszuholen. Ein grosser, aber nicht zwingend ein abendfüllender Spass.
Eine Pose, so alt wie der Rock
Das ist in etwa das zwiespältige Schicksal dieser Band, die sich in den frühen 90er-Jahren dem derben Blues annahm, als niemand sonst einen Gedanken daran verschwendete, ihn mit der Rohheit des Punk spielte und den alten Knochen neu zum klappern brachte, ohne sich vollends von der Tradition zu entfernen. Seither gab es das Garage-Revival, es gab die White Stripes, die ebenfalls ohne Bass einen bratzigen, nach Motorenöl riechenden Sound hervorbrachten, und wie man Lautstärkeorgien mit differenzierten Rhythmen koppelt, hat der Stoner Rock in alle Ecken ausprobiert. So kommt der grobe Sound der Jon Spencer Blues Explosion, als er an diesem Abend in die vierte halbe Stunde einbiegt, nicht ohne Ermüdungserscheinungen aus. Die Intensität bleibt hoch, die Stakkato-Gitarren kantig, die grellen, psychedelisch flirrenden Obertöne brennend. Kurze Abwechslung gibt es einzig bei den seltenen Theremin-Einsätzen, in denen die Band kurz zwei Gänge zurückschaltet, bevor der Riffrock neu erstark wieder hereinbricht. Am Ende, als die Gitarristen die Bühne verlassen haben, lehnen die aufgedrehten Gitarren noch an den Verstärkern, nicht mehr als ein schrilles, anhaltendes Feedback von dem, was vorher war, minutenlang. Eine Pose, so alt wie der Rock, und eine passende Metapher für diesen Abend.