Andrew Shields spricht über die Schwächen von Schweizer Song-Lyrics

Andrew Shields, Englisch-Dozent an der Uni Basel, berät seit Jahren Bands in Sachen Song-Lyrics. Wir haben ihn gefragt, was er denkt, wenn er Schweizer Musiker auf Englisch singen hört. Und die brutale Wahrheit erfahren.

Kennt sich aus mit Pop und Poesie: Andrew Shields. 

(Bild: Benno Hunziker)

Andrew Shields, Englisch-Dozent an der Uni Basel, berät seit Jahren Bands in Sachen Song-Lyrics. Wir haben ihn gefragt, was er denkt, wenn er Schweizer Musiker auf Englisch singen hört. Und die brutale Wahrheit erfahren.

«Mitten in der Woche» heisst die Reihe in der Kuppel, die den Austausch innerhalb der Basler Musikszene anregt und zu einem interessanten, wichtigen Treffpunkt geworden ist: Im familiären Wohnzimmer-Ambiente steht die Liebe zur Musik und zum Musikmachen im Zentrum. Über diese Leidenschaft wird vor wechselndem Hintergrund diskutiert und gesungen: Am vergangenen Mittwoch stand die Kunst des Songwritings auf dem Programm. Der Englisch-Dozent Andrew Shields analysierte Texte von Roli Frei, Anna Aaron, Sarah E. Reid und Pink Pedrazzi. 

Shields ist gebürtiger US-Amerikaner, lebt seit 20 Jahren in Basel und arbeitet am Englischen Seminar der Universität Basel. Von seinen Language Skills haben schon manche Basler Musiker im Rahmen ihres Studiums profitiert. Gerade auch weil er sich nicht einfach nur mit Sprache, sondern auch sehr leidenschaftlich mit dem Zusammenspiel von Poesie und Musik beschäftigt: Er ist selber Songwriter, spielt Gitarre und Mandoline (Human Shields) und verwandelt so seine Gedichte in Musik. 

Andrew Shields, was denken Sie, wenn Sie Schweizer Musiker auf Englisch singen hören?

Abgesehen vom «th»? Wenn ich es brutal sagen soll …

… unbedingt!

… frage ich mich oft: Warum tun sie es nicht auf Deutsch?! Black Tiger rappt ja auch im Dialekt.

Das ist richtig. Aber Englisch ist halt die globale Sprache der Popmusik.

Das stimmt. Und oft ist der Text ja auch nicht ganz so wichtig. Texte können im Pop anregend und nebensächlich sein.  

«Wer sich als Songwriter auf Englisch ausdrücken will, sollte auf keinen Fall handwerkliche Fehler machen.»

Sie finden es also in manchen Fällen schon okay, wenn ein Schweizer Musiker mit seinen Schwächen englischsprachige Texte schreibt?

Ja. Wenn er den Text als Teil seiner Kunst versteht, nicht als Selbstausdruck. Dann kann man durchaus die Fremdsprache Englisch wählen. Und wenn der Text nur Platzhalter für Melodien ist, also keine Rolle spielt, geht das natürlich auch.

Aber?

Wenn man sich als Songwriter versteht, der sich ausdrücken will, dann sollte man auf keinen Fall handwerkliche Fehler machen.

Welche handwerklichen Schwächen fallen Ihnen denn immer wieder auf?

Sprachliche Fehler. Bei der Basler Band Phébus etwa fiel mir mal eine Zeile auf: «When my heart stops to beat». Das heisst übersetzt: «Wenn mein Herz damit aufhört, etwas anderes zu tun und anfängt zu schlagen.» Gemeint war aber «wenn mein Herz aufhört zu schlagen», also «when my heart stops beating». Leider hat mir die Band die Lyrics erst nach der CD-Pressung gezeigt. Ein Korrektorat vor der Veröffentlichung wäre sicher hilfreich gewesen.

Tatsächlich sind Sie für einige Basler Bands zu einer wichtigen Anlaufstelle geworden, was Lyrics angeht. Wie kam es dazu?  

Ich habe 2007 erstmals einen Kurs an der Universität Basel angeboten: «Songs and Poems». Da sassen gleich zu Beginn schon einige Musiker: Cécile Meyer etwa, die man damals noch nicht als Anna Aaron kannte. Sie schrieb schon damals sehr starke Texte auf Englisch. Da waren zudem Axel Rüst von Cloudride. Und Jan Krattiger und Manuel Bürkli von Mañana, die ich beraten habe.

Wie muss man sich das vorstellen?

Ich habe ihnen gesagt, wie man aus meiner Sicht die Texte schärfer, klarer, pointierter machen könnte. Ich verglich aber im Nachhinein nie, ob Mañana meine Anregungen übernommen hatten … inzwischen gibt es die Band auch nicht mehr. Aber Manuel, der Sänger, und ich, wir machen gelegentlich ein Tauschgeschäft: Er ist ja ausgebildeter Grafikdesigner, wovon ich für mein eigenes Musikprojekt Human Shields profitieren kann. Im Gegenzug berate ich ihn hin und wieder bei Texten.

Sie haben aber nicht nur mit Mañana zusammengearbeitet?

Nein, ich habe auch andere Bands wie The bianca Story beraten. Und mit Nadia Leonti hat eine fantastische Sängerin und Songwriterin sogar einige Gedichte und Texte von mir in Songs verwandelt.

«Schweizer Mundartmusik hat mich bisher nie aufgerüttelt.»

Sie leben seit 20 Jahren in Basel. Haben Sie auch Schweizer Mundartmusik für sich entdeckt?

Ehrlich gesagt: nicht wirklich. Ich kenne zwar einige Lieder, meine Töchter haben in der Schule auch ein Stück von Mani Matter gesungen. Aber mich hat Schweizer Mundartmusik bisher nie wirklich aufgerüttelt.

Wieso nicht?

Sehen Sie, ich habe vor einem Jahr den Wüstenblues der Tuareg entdeckt, Formationen wie Tinariwen oder Tamikrest. Ich wurde über den Klang, die Gefühle und die Ausdruckskraft ihrer Musik zum Fan, ohne die Sprache zu verstehen. Anscheinend habe ich noch nichts in Schweizer Mundart gehört, das mich so berührt und aufgewühlt hat. Die Mundartmusik, die ich kenne, hat mich vielleicht einfach zu wenig attackiert.

Eine schöne Formulierung! Zurück zu Ihrer Muttersprache: Wir kennen die grossen Poeten des Pop, von Bob Dylan bis Leonard Cohen. Wen aber haben wir hierzulande nicht auf dem Radar?

Greg Brown. Er ist so gut wie Dylan, wie Cohen, Waits oder Neil Young! Wirklich grossartig! Er ist ein Folkmusiker, auch schon über 60, aber nie so populär geworden wie die anderen – obschon er es verdient hätte! Man sollte sich seine Songs unbedingt anhören!

«Man sollte sich unbedingt die Songs von Greg Brown anhören!»

Welcher Popact schreibt bessere Texte, als man vielleicht meinen könnte?

Taylor Swift.

Ah ja?

Ja! Erstmals hörte ich einen Song von ihr an einem «Mitten in der Woche»-Anlass: «We are never ever getting back together». Ein guter Song mit einer guten Geschichte, mit Musikalität in den Worten selber.

Und mittlerweile kenne ich noch mehr von Taylor Swift durch meine Töchter, sie sind neun und elf Jahre alt und hören ihre Musik. Und ich bin wirklich überrascht, wie gut die Texte sind. Der Song «Mean» dreht sich um Mobbing und hat gute Zeilen, ist wirklich erstaunlich gut gemacht.

«Taylor Swift schreibt erstaunlich gute Texte.»

Darf ich Ihnen zuletzt noch einen Songtext einer Basler Formation vorlegen?

Klar!

Dann sagen Sie mir doch spontan, was Sie hiervon halten:

It’s not the youth which isn’t working
it’s just your ideals growing old
it’s not a whole lost generation
much more your life which is on hold

So break some bones if you feel uncertain
and once they’ve healed you’ll love them more
tear down some fences on your way out
become the person we adore

oh we adore you

And since we know things grow with distance
go off and write some memories
to be long told to those who will never
become as brave as wise as you

Oh we fear for your love for us to fade
like lightnings we fight for your attention
we need you to take to the skies
to come back together we will rise

Was fällt Ihnen auf?

Es arbeitet metrisch und mit Reim. Es handelt sich um ein Gedicht. Auch Flo Rida schreibt Gedichte, aber ich finde die ganz schlecht. Das Metrische beeindruckt mich hier – und es enttäuscht mich gelegentlich, etwa zu Beginn der zweiten Strophe, wo es ein bisschen hapert mit dem Rhythmus (schnippt mit dem Finger). Allerdings kann man variieren. Sehr schön gefällt mir das Bild «Go off and write some memories». Für mich eine Schlüsselstelle im ganzen Text: Dieser ist einfach, aber auch durchaus bildhaft.

Haben Sie eine Vermutung von wem der Text ist? Die Band ist gerade im Gespräch …

Ich kann nur raten: Ist der von Serafyn? 

Grossartig geraten! Das Lied heisst «Take to the Skies» und ist tatsächlich von Serafyn, die soeben den Basler Pop-Preis 2015 gewonnen haben.

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«Mitten in der Woche» mit Andrew Shields, Anna Aaron, Pink Pedrazzi, Roli Frei und Sarah E. Reid.
Mittwoch, 18.11., 19 Uhr, Kuppel Basel. 

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