«The Muppets» geben ein Comeback. Und machen dieses mit schöner Selbstironie zum Thema. Schade nur, dass darin auch noch biedere Menschenfiguren vorkommen müssen. Immerhin gelingt dem Disney-Konzern damit endlich wieder mal eine gelungene Eigenproduktion.
Die Disney Studios, sie haben Schwein gehabt in den letzten Jahren. Der Konzern aus dem einst Kinderträume waren, agierte zunehmend wie eine Fabrik, die Kindern sagen wollte, woraus ihre Träume zu sein haben. Und lag damit öfter mal falsch, was dazu führte, dass Disney 2003, nach dem riesigen Flop von «Der Schatzplanet», seine legendäre Abteilung für Zeichentrickfilme schloss. Ein Desaster. Hoffnung und vor allem Ideen schöpfte Disney von Dritten. Der Konzern hatte sich seine Macht gesichert, indem er längst schon mit den erfolgreicheren Pixar Studios zusammenspannte und deren geniale Animationen vermarktete.
Von den Monsters zu den Muppets
2006 schluckte Disney durch einen Aktientausch in Höhe von 7,4 Milliarden Dollar die Pixar Studios und wurde so Herr über jene Firma, die mit Mut, Witz und Kreativität die Scharen ins Kino lockte: Wir denken an «Up» (2009), an «Finding Nemo» (2003) oder – herausragend – an «Monsters, Inc.» (2001): Ganz grosses Familienkino. Unvergesslich, wie das blaue Schreckmonster die Leinwand füllte und Erinnerungen an die grossen Knuddelkreaturen von Jim Henson weckte. An jenen Jim Henson, der in den 70er-Jahren mit der Sesamstrasse und später mit der Muppet Show Puppen zum Leben erweckte, erinnert Disney jetzt im Kino: «The Muppets», so schlicht ist das Comeback von Kermit und Co. betitelt. Zwölf Jahre sind vergangen, seit die Puppen zuletzt in Spielfilmlänge tanzten. «Muppets im All»? Zum Vergessen.
Disney gewährte mehr Freiheiten als üblich
Disney tat daher gut daran, sich kreativ befruchten zu lassen: Mit James Bobin verpflichteten die Hollywoodianer einen britischen Regisseur, der sein Flair für guten Humor mit Sacha Baron Cohen in der «Ali G Show» unter Beweis gestellt hatte. Das Drehbuch schrieben Nicholas Stoller und Jason Segel. Der Einfluss der berüchtigt-prüden Konzernchefs hielt sich angenehm in Grenzen, wie die Filmemacher erklärten. Jason Segel erinnerte sich in der «New York Times»: «Jemand fragte in einer Sitzung ernsthaft, welcher Teil des Drehbuchs sich am besten für einen Bahn im Disneyland eignen würde.» Da tauchte es kurz auf, dieses kommerzielle Denken, das Disneys Kreativität in den letzten 15 Jahren so blockierte. Aber die Autoren und der Regisseur wehrten sich gemäss eigenen Aussagen erfolgreich dagegen, solche kommerziellen Aspekte in die Entstehung einfliessen zu lassen. Was nicht heisst, dass die «Muppets» im Jahr 2012 anarchischer denn je daherkämen, auch wenn der konservative TV-Sender Fox die Puppen unlängst als «Linke» abstempelte.
Hoffnungslose Nostalgiker
Jason Segel übernahm die männliche Hauptrolle gleich selbst. Er spielt darin einen Mittdreissiger: Gary. Wie sein Bruder, eine Puppe namens Walter, ist er ein Kind geblieben, ein hoffnungsloser Nostalgiker, weil: Muppets-Fan. Als er mit seiner Freundin Mary ein Jubiläum ihrer Beziehung in Los Angeles feiern will, nimmt er Walter mit, um mit ihm die Muppets-Studios anzusehen. Doch statt einen bunten Themenpark finden sie ein baufälliges, lottriges Areal vor. Kermit hat sein Büro längst geräumt und verlassen. Bei ihrem Besuch kriegen sie heimlich mit, dass ein schwerreicher Rohstoffhändler, bezeichnenderweise Tex Richman genannt, das Muppet-Gelände kaufen und darauf ein Museum errichten will. Das zumindest gibt er vor. Ist aber nur ein Vorwand, um sich den Kaufvertrag zu sichern. Denn unter dem Muppet-Theater hat Tex Richman Öl geortet, das er pumpen möchte.
Die beiden Muppet-Fans fühlen sich verpflichtet, Kermit aufzustöbern, aufzuklären und ihn dazu zu animieren, den «heiligen Ort» zu retten. Dieser Anfang ist relativ spannungsfrei und das Liebespaar in seiner Biederkeit nur schwer erträglich. Dass auch gleich zu Beginn noch getanzt werden muss (und – in der Pressevorführung zumindest – deutsch synchronisiert gesungen), lässt Schlimmes befürchten: Furchtbar angepasst, furchtbar sentimental und viel zu wenig lustig, dieser Start. Zudem wirkt ausgerechnet die männliche Hauptrolle, Jason Segel, enttäuschend blass.
Die Puppen retten den Film
Es sind denn auch tatsächlich die Muppets, die den Film retten, die dieses konstruierte Szenario rund um das Revival vergessen machen und für die nötige Selbstironie sorgen. Kermit, der zurückgezogen in einer Villa lebt, macht sich auf, die alte Truppe für eine Charity-Show zusammenzubringen. Fozzie Bear stöbert er in einer abgetakelten Bar in Reno auf, wo er auf der Bühne alte, schlechte Muppet-Show-Pointen abliefert. Ein trister Anblick. Und zugleich köstlich, so köstlich, wie einst Andy Kaufman in seiner Rolle als Tony Clifton. Gonzo hingegen hat Karriere gemacht, als Toilettenschüssel-Fabrikant. Und The Animal? Der Monster-Drummer ist wie der Gaststar Jack Black in einer Therapiegruppe für Leute mit Aggressionspotential untergebracht. Ihn gilt es zu befreien, aber: Don’t mention the drums!
Allein mit dem Einsammeln der alten Crew hätte der Film gefüllt werden können, was nach einigen Minuten selbstreferentiell und humorvoll thematisiert wird: «Wollen wir nicht Zeit sparen und die restlichen Muppets mithilfe einer Filmmontage abholen?», fragt Fozzie Bear. Wunderbar, wie hier mit den üblichen Film-Mechanismen kokettiert wird. Wunderbar auch die Pointe, wie man möglichst rasch den Weg von LA nach Paris zurücklegen kann, wenn die Zeit drängt: Indem man mit der Karte reist. Prompt sehen wir einen Strich, der den Atlantik überquert und landen schwupps in der französischen Hauptstadt, wo sich Miss Piggy niedergelassen hat.
Miss Piggy arbeitet bei «Vogue»
Die pausbäckige, impulsive … nun ja, … Sau, die ihre Zuneigung ihrem Traumfrosch auch gerne mal mithilfe eines Wallholzes in Erinnerung klopfte, arbeitet unterdessen bei der Modezeitschrift «Vogue», als verantwortliche Redakteurin im Ressort Übergrössen. Als ihr die Truppe die Comeback-Idee unter die Nase reibt, lässt sie sich bitten und macht Kermit in einer Aussprache klar, wie sehr er sie in der Vergangenheit verletzt hat. «Es ging mir nie um das Ich & Du, sondern um das Wir!», sagt Miss Piggy. Natürlich wird sie schwach, natürlich reist sie mit der ganzen Bande nach LA und natürlich trägt sie ihren Teil zur Reunion-Show bei, für die Kermit – auch das sehr schön selbstironisch – krampfhaft Stars aufzutreiben versucht. Das will ihm nicht wirklich gelingen, seine Adresskartei ist hoffnungslos veraltet, passé wie die Muppets selber auch. David Hasselhoff? Forget it!
Kermit ist mit der Zeit stehengeblieben, hat keine Connections mehr zum Showbiz und nimmt am Ende Jack Black als Geisel. Als die Show on Air geht, tauchen noch einige weitere Hollywood-Bekannte auf, um Spenden entgegenzunehmen. 10 Millionen Dollar müssen die Muppets mit ihrer Revival-Show sammeln, um das Studio-Gelände in eigenen Händen halten zu können. Whoopi Goldberg schneit ins Theater, mit den Worten: «Ich hab gehört, hier könne man was für die Karriere machen.» Es sind diese bissigen Momente, die die Qualität des Films ausmachen. Man spielt mit der Nostalgie (hach, die Muppets, die versprachen noch echten Spass am TV) und macht diese Wehmut an vergangene Televisionen zugleich ironisch zum Thema.
Das Revival hat erst begonnen
In diesem Sinn kann man Disney dankbar sein für diesen Film. Denn mit der Wiederbelebung der Puppen erinnert das Studio an jene Zeiten, als die Muppets noch ein Ereignis waren und eine TV-Sendung unberechenbar, ohne dass dafür Maden gefressen werden müssen. Wie sehr man sich die Muppets zurückwünscht, zeigte sich unlängst. Als bekannt geworden war, dass Eddie Murphy aus dem Rennen um die diesjährige Oscar-Moderation fiel, fragte die LA Times durchaus ernsthaft: «Können die Muppets den Tag retten?»
Vor zwei Monaten wurde zudem bekannt, dass der US-amerikanische TV-Gigant NBC ein Drehbuch für neue Folgen der Muppet-Show in Auftrag gegeben hat. Die Kritiker im englischsprachigen Raum jubelten euphorisch. 30 Jahren nach dem Peak ihrer Karriere sind die Muppets zurück. Und alles deutet daraufhin, dass dieser siebte Spielfilm erst den Anfang des Revivals markiert.
- The Muppets läuft ab 2. Februar im Kino, in Basel zum Beispiel im Kino Plaza.