Archive sind eine Band mit wunderbaren Songs. Schade nur, dass sie nicht konsequent die besten auf die Bühne bringen. Sonst wäre ihr starkes Konzert in der Kaserne ein ganz fantastisches geworden.
Sie sind zurück: Archive. 2011 traten die Briten letztmals in Basel auf, damals im Volkshaus. Am vergangenen sommerlichen Novembersonntag konnte man sie zur Abwechslung wieder in der Kaserne erleben, die in den vergangenen Wochen erdbebensicher gemacht worden ist.
An die 1000 Besucher dürfen sich also sicher sein, dass die Reithalle jetzt Eruptionen besser verträgt. Bestens, denn für solche sind Archive bekannt. Die Qualitäten des Kollektivs liegen in hypnotischen, repetitiven Songs, die einen Sog erzeugen, bestenfalls mitreissen und sich in Körper und Kopf wie ein Klanggewitter entladen.
Fulminanter Auftakt
Tatsächlich starten Archive fulminant in dieses letzte Konzert ihrer 2015er-Tournee: Mit der Endlosschlaufe des Beatles-Songs «I Want You (She’s So Heavy)» stimmen sie ein auf ihre eigenen Loops – und legen mit «Feel it» einen Uptempo-Knaller hin, der das Publikum sogleich mitreisst. So punkige Gitarren wie in diesem neuen Lied hat man von ihnen selten gehört.
Mit «Fuck U» lassen sie einen Klassiker folgen, bereits die ersten Keyboard-Arpeggi werden mit Jubel quittiert. Und toppen die Euphorie noch mit «Dangervisit», einem wunderbar gefühlvollen Lied ihres Albums «Controlling Crowds» von 2009. Das ist alles ganz nach unserem Geschmack und, um es vorwegzunehmen: Mit dem 17 Minuten langen Stück «Lights» bescheren uns Archive nach rund eineinhalb Stunden auch noch ein episches Finale. Ganz, ganz grossartig.
Das Konzert schliesst so fantastisch, wie es begonnen hat. Und dazwischen? Dazwischen wird die Freude allerdings ein bisschen gedämpft – und es drängen sich Fragen auf.
Eine umstrittene Songauswahl
Zum Beispiel diese: Warum verzichtet die Band darauf, mehr Songs von ihren Meisterwerken zu spielen? Die düsteren, introspektiven Betrachtungen auf «Noise» (unser «Kultwerk») und die Hoffnungsschimmer von «Lights» hätten sich im Repertoire besser gemacht als einige neuere Songs wie etwa «Conflict», das sich auf ihrem vernachlässigbaren Album «With Us Until You’re Dead» (2012) findet. Ein Stück, das Industrial-Anleihen mit Tribaldrums vereint und orientierungslos überladen wirkt. Schade drum.
Wo bleiben die Frauenstimmen?
Ebenfalls bedauerlich ist die Tatsache, dass Archive bei ihrem Basler Konzert auf beide weiblichen Stimmen verzichten. Sängerin Holly Martin, jüngstes Mitglied des Kollektivs, vermisst man besonders, da sie auf der aktuellen Platte «Restriction» einige der eindringlichsten Melodien beisteuert, allen voran das ergreifende «The End Of The World».
Bei den Konzerten in Frankreich stand Martin noch auf der Bühne. Warum sie in Basel fehlt, weiss der Geier (oder sonst anybody out there!) Auf jeden Fall gilt auch hier: Schade drum! Eine ihrer Balladen hätte der Setlist gutgetan, das repetitive Schema wohltuend aufgebrochen und für Abwechslung gesorgt.
So aber singen die beiden versierten Vokalisten Pollard Berrier und Dave Penney oft gegen eine Wall of Sound an. Diese Mauer erdrückt mögliche Nuancen und lässt Dynamik vermissen. Eine Band im Effektrausch, das führt in der akustisch nicht einfachen Reithalle bei einigen Passagen zu einem grossen Brei.
Die Transparenz leidet immer wieder unter dem undifferenzierten Sound, hinzu kommt, dass auch die Stücke im Mitteldrittel abfallen. Anstelle von neueren Stücken wie «Distorted Angels» oder «Ride in Squares» hätten Archive bessere Songs auf Lager. Darüber mögen auch die streitbaren Visuals nicht wirklich hinwegtrösten. Schade drum.
Durchzogener Eindruck
All diese Aspekte führen dazu, dass das Konzert über die gesamte Länge nicht ganz so berauscht wie jenes am gleichen Ort vor neun Jahren.
Was bleibt, ist ein durchzogener Eindruck von einer Band, die eigentlich aus dem Vollen schöpfen könnte und genügend grossartige Songs im Köcher hätte, um mich als Anhänger volle zwei Stunden ins TripRock-Nirvana zu schiessen. Stattdessen platzieren Archive bei ihrem Basler Gastspiel 2015 zu Beginn und am Ende zwar fantastische Volltreffer, verlieren dazwischen aber ihr Ziel aus den Augen. Schade drum.
Jedoch: À la prochaine!