Atak, der Zeichner mit dem Sammler-Gen

Zeichner Atak liebt Comicfiguren und die Beastie Boys. Trotzdem malt er inzwischen lieber mit dem Pinsel und illustriert literarische Werke. Wie das aussieht, kann man im Cartoonmuseum sehen.

(Bild: Nils Fisch)

Zeichner Atak liebt Comicfiguren und die Beastie Boys. Trotzdem malt er inzwischen lieber mit dem Pinsel und illustriert literarische Werke. Wie das aussieht, kann man im Cartoonmuseum sehen.

Montagnachmittag, das Cartoonmuseum hat wegen Ausstellungsaufbau geschlossen. Aus dem ersten Obergeschoss dringt Musik. Dort sitzt Atak auf einem kleinen Hocker, in der Hand einen Pinsel, mit dem er in Mintgrün und Schnörkelschrift die Werkangaben auf die Wand schreibt.

Die Musik, erzählt er später, gehört für ihn bei der Arbeit dazu wie die Luft zum Atmen: «Vor jedem Projekt stelle ich mir einen Mix zusammen, der mich dann durch das Projekt begleitet.» Ein Soundtrack, den nur er kennt, und der zum Ziel hat, ihn zu jeder Zeit in dieselbe Stimmung zu versetzen.

Eine Band, die es oft auf diese Playlist schafft, sind die Beastie Boys. «Weil sie immer Spass bei ihrer Arbeit hatten», erklärt Atak, der mit bürgerlichem Namen Georg Barber heisst. «Und ich hoffe wohl, dass dieser auf mich abfärbt.» Die Songs der Hip-Hop-Band, die sich 2014 offiziell aufgelöst hat, sind kraftvoll, und so scheinen auch Ataks Bilder auf den ersten Blick. Auf den zweiten dann haben sie aber auch melancholische Züge.

Atak, der 1967 in Frankfurt an der Oder, also in der damaligen DDR, geboren wurde, zeichnete schon im Kindesalter. Comics waren es damals noch, mit Sprechblasen und allem, was dazu gehört. «Es war immer mein Traum, Comiczeichner zu werden», erinnert er sich. «Mir gefiel die Vorstellung von Freiheit, die man als Künstler hat.»

Nix mit dicken Nasen

Als Kind, da habe er selber Comics verschlungen. Jene, die es in der DDR gab, aber auch die, die man im Westen kannte, Tim und Struppi, Asterix oder Lucky Luke. Die wurden über die Grenze geschmuggelt und machten dann die Runde in der Strasse. «Am Schluss waren sie total zerlesen», erzählt Atak. «Ich dachte immer, Comics müssen so aussehen.» Als er erstmals ein nigelnagelneues, noch eingeschweisstes Exemplar in den Händen gehalten habe, habe etwas nicht gestimmt: «Das ist doch kein Comic», habe er gedacht.

Was er zeichnete, war sehr persönlich geprägt, von Befindlichkeiten. Doch «dicke Nasen mit Humor» war nicht seines, wie er bald merkte. Er suchte seinen eigenen Stil, mitten im Deutschland der Wende, wo das Medium Comic als solches noch gar nicht wirklich angekommen war. In Berlin, wo er mittlerweile lebte und nach seiner Ausbildung als Schrift- und Grafikmaler Visuelle Kommunikation studierte, gründete er mit Kollegen das Comicmagazin «Renate», das sich in der Ästhetik an Comicmagazine wie Art Spiegelmans «RAW» oder das «Strapazin» anlehnte, und publizierte erstmals seine Werke. Die Jahre vergingen, sein Bekanntheitsgrad wuchs. Bald fertigte er für «Die Zeit» und die «Berliner Zeitung» Comicstrips an – letztere zusammen mit dem Autor Ahne. Bis er 2002 aus privaten Gründen nach Stockholm umzog.

Was er sammelt, kommt ins Bild

«Es veränderte sich viel», fasst er zusammen. Vor allem aber veränderte sich seine Arbeit: Er begann zu malen. «Plötzlich stellte ich das Medium Comic infrage», sagt er. «Es interessierte mich einfach nicht mehr.» Jeden Morgen malt er seither ein kleines Bild. Zur Einstimmung auf den Tag, ein Ritual wie die Playlists, die seine Arbeit begleiten. «Wie Joggen» sei das für ihn, er kriege damit den Kopf frei.




Atak und seine Fingerübungen: Jeden Morgen entsteht ein kleinformatiges Bild. (Bild: Nils Fisch)

Die Bilder, die er danach fertigt, sind dicht, poetisch und farbig. Sie erinnern an etwas, was sein Leben durchzieht: Das Sammeln von Bildern, von kleinen Comicfiguren. «Das ist die Nahrung, die ich brauche. Sie ist wichtig, damit ich mich verorten kann.» Und sammeln lässt sich überall, auch in Basel. Auf dem Flohmi auf dem Petersplatz hat er das gestickte Bild einer Vase erstanden, das sich nun perfekt in die Ausstellung einfügt – die im Übrigen das Thema des Sammelns noch anders aufnimmt. Denn Atak hat sich mit der hauseigenen Comicsammlung auseinandergesetzt und einige Werke von Vorbildern wie Winsor McCay ausgewählt, auf die er nun mit neuen Arbeiten Bezug nimmt.

Seine gemalten Werke wirken ebenfalls wie Sammlungen. Hier kann mehreres nebeneinander stattfinden, und es gibt unzählige Verweise, die eigentlich gar nicht wichtig sind, wie Atak sagt: «Man kann die Bilder auch lesen, wenn man diese nicht versteht oder gar nicht erst sieht», sagt er. Doch sie sind da, kleine Comicfiguren wie Micky Maus, Batman oder Snoopy. Genauso oft finden sich Zitate berühmter Gemälde, von James Ensor bis Edvard Munch.

Sprechblasen? Nein, danke

Seit ein paar Jahren illustriert Atak auch Bilderbücher. Klassiker wie den «Struwwelpeter» zum Beispiel, oder ein Bilderbuch namens «Der Garten». Seine Bildsprache bleibt dabei unverkennbar. Geometrische Muster, Figuren, Zitate – manches Bild wird fast zu einem Wimmelbild. Und immer sind auch Spuren sichtbar, die auf den Entstehungsprozess des Werkes schliessen lassen. Auch ein Buch von Mark Twain hat er in Bilder gefasst, «Der geheimnisvolle Fremde», eines seiner Lieblingsbücher, wenn auch der Twainsche Humor aus «Tom Sawyer» fehle, wie er anmerkt.

Einen anderen literarischen Favoriten würde er auch schon lange gerne mal in Bilder übersetzen: Virginia Woolfs «Die Fahrt zum Leuchtturm». Möglicherweise wird das ja sein nächstes Projekt.

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«Atak – Das Wunder von Berlin», Cartoonmuseum Basel, 3. Juli bis 25. Oktober 2015. Vernissage mit Atak und Ahne am Donnerstag, 2. Juli, 18.30 Uhr.

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