Die Pianistin Mitsuko Uchido sowie die Wiener Philharmoniker mit Riccardo Chailly und dem Geiger Christian Tetzlaff bescherten der Allgemeinen Musikgesellschaft Basel zwei ausverkaufte Konzertabende.
Nein, das Klassik-Publikum scheint nicht auszusterben. Gerade war der Musiksaal im Basler Stadtcasino an zwei aufeinanderfolgenden Abenden restlos ausverkauft, das Alter des Publikums gemischt. Die Konzerte fanden in den normalen Konzertreihen der Allgemeinen Musikgesellschaft Basel (AMG) statt, verfügten also nicht über den Eventcharakter der sommerlichen Festivals. Wie gelingen einem Veranstalter solche Sternstunden?
Das Geheimnis ist wohl in der Qualität der Künstler zu suchen. Die Wiener Philharmoniker sind unbestreitbar eines der besten Orchester weltweit. Durch ihre Traditionsverbundenheit – 1984 wurde das Orchester gegründet; Frauen ist die Mitgliedschaft erst seit 1997 erlaubt – haben sie sich einen ganz eigenen, unverwechselbaren Klangcharakter bewahren können: dunkle, samtweiche Streicher, die sich zu einem atemraubend bunten Farbenspiel auffächern können; warme, sehr präsente Bläserstimmen, die den Gesamtklang runden und schärfen und in den Soli höchste Instrumentalkunst zeigen.
Wiener Philharmoniker: seltene Gäste
Meist sind die Wiener hierzulande nur bei so prestigeträchtigen Anlässen wie dem Lucerne Festival anzutreffen; äusserst selten führt sie ihre Tournee ans Rheinknie (zuletzt 2010). Deshalb verwundert es nicht, dass die Basler für einen solchen Konzertabend auch Kartenpreise von bis zu 195 Franken (die ohne die Unterstützung des Swisslos-Fonds noch höher ausgefallen wären) zu zahlen bereit waren.
Den hohen Erwartungen entsprachen die Wiener mühelos. Bei ihrem Basler Gastspiel bewiesen sie nicht nur ihre ausgesuchte Klangqualität, sondern auch ihre Flexibilität hinsichtlich des Interpretationsstils ihres Gastdirigenten Riccardo Chailly.
Christian Tetzlaff: sportliches Tempo
Chailly, derzeit Chef des Leipziger Gewandhausorchesters und ab 2015 Musikdirektor der Mailänder Scala, forderte die Musiker zu einer bedrohlich grollenden «Finlandia» von Jean Sibelius auf und führte sie bei Anton Bruckners selten zu hörender 6. Sinfonie mit ungemeiner Klarheit durch die romantischen Tongebirge. Schlank und nüchtern gestaltete er den Klang, ungemein dynamisch aber die Tempi. Nie kippte die gewaltige Brucknersche Klangwucht ins Lärmige, nie fielen die schwelgenden Melodien ins Kitschige. Nur bei Sibelius‘ Violinkonzert, bei dem der Geiger Christian Tetzlaff mit sportlicher Geschwindigkeit das Orchester immer wieder anpeitschte, hinkte Chaillys Dirigat fast hinterher. Tetzlaffs kerniger Geigenklang – der nicht etwa von einer Millionenschweren Stradivari, sondern von einem neuen Instrument des Bonner Geigenbauers Stefan-Peter Greiner stammt – hatte die helle Strahlkraft eines Lasers und war auch im Pianissimo bis in die letzten Reihen zu vernehmen. Den tosenden Beifall beantwortete Tetzlaff mit einer Bach-Zugabe in aberwitzigem Tempo, der sein Temperament, aber auch seine technische Brillanz abermals unter Beweis stellte.
Mitsuko Uchida: intensive Anschläge
Auch Mitsuko Uchida verfügt über eine Präsenz, der man sich selbst in der hintersten Ecke des Saales nicht entziehen kann. Unscheinbar sass sie noch am Vorabend bei Tetzlaff und den Wiener Philharmonikern im Publikum, unscheinbar wirkte sie auch auf der Bühne – doch nur, bis der erste Ton erklang. Einen so markanten, intensiven Anschlag, der auch aus einer einzelnen Note ein Ereignis machen kann, erlebt man selten. Innig und intim gestaltete die japanische Pianistin Franz Schuberts Klaviersonate G-Dur op. 78, offenbarte auf dem Steinway eine Klangvielfalt, die sich explizit an den Hammerflügeln aus Schuberts Zeit zu orientieren schien. Und mit welcher Konzentration sie den nie abbrechenden Spannungsbogen durch die 33 Diabelli-Variationen von Ludwig van Beethoven zog, war schlicht atemberaubend. Mit tiefen, langen Verbeugungen bedankte sie sich für die Standing Ovations, mit denen das Publikum diese aussergewöhnliche Leistung bedachte – eine Zugabe konnte es nach solch einem gewaltigen Werk nicht geben.
Solche musikalischen Sternstunden sind aussergewöhnlich, auch wenn die nicht subventionierte AMG häufig mit grossen Namen um die Gunst der Zuschauer wirbt. Nicht jeder Star hält, was er verspricht, nicht jedes Programm trifft den Geschmack des Publikums. Für Vielfalt indes ist bei der AMG gesorgt: 31 Konzerte werden in fünf Reihen geboten. In den kommenden Tagen können das Budapest Festival Orchestra, der Pianist András Schiff, und sogar das Basler Barockensemble «Musica Fiorita» ihre Kunst unter Beweis stellen.