Auf den Spuren des neuen Theater-Direktors Andreas Beck in Wien

Wie denkt, wie lebt, wie arbeitet der Leiter des Wiener Schauspielhauses, der 2015 das Theater Basel in die Zukunft führen will? Ein Besuch bei Andreas Beck in Wien.

Noch geniesst er güldene Tage in Wien: Andreas Beck, Geschäftsführer und Leiter des Schauspielhauses. (Bild: Regina Hügli)

Zu Besuch bei Andreas Beck in Wien: Wie denkt, wie lebt, wie arbeitet der Leiter des Wiener Schauspielhauses, der 2015 das Theater Basel in die Zukunft führen will? Das haben wir nicht nur ihn gefragt – sondern auch die Schauspielerin Katja Jung, die in beiden Häusern auf der Bühne stand.

Auch Möpse brauchen Auslauf. Andreas Beck dreht meistens noch die eine oder andere Runde um den einen oder anderen Häuserblock, damit Oskar, sein Mops, genug Bewegung bekommt. Von Becks Wohnung sind es schliesslich nur zehn Gehminuten zum Schauspielhaus, dessen Leitung er bis Mitte 2015 innehat. Solange werden Beck und Oskar in Wien noch ihre Runden drehen, dann übersiedeln sie nach Basel.

Jetzt liegt Oskar unter dem Schreibtisch in Becks Büro auf seinem, wie die Wiener sagen würden, «Platzerl». Was Beck an Wien vermissen wird? Da denkt er nicht besonders lange nach, die Antwort umfasst auch bloss zwei Worte. «Meine Freunde.» Was er nicht vermissen wird? «Dass ich jeden Tag gefragt werde ’Sind Sie auch aus Deutschland?’, womit ich also das Gefühl bekomme, dass ich scheinbar nicht dazugehöre.» Dabei wird er, wenn er sich 2015 Richtung Basel verabschiedet, den grössten Teil seines Lebens in Wien verbracht haben. 13 Jahre.

Vom Variété übers Kino bis zum Theater

Die Porzellangasse, in der das Schauspielhaus auf Nummer 19 seinen Sitz hat, ist nach der Wiener Porzellanmanufaktur benannt, die 1721 bis 1864 hier stand, in der Vorstadt. Heute ist der Alsergrund, wie der neunte Bezirk heisst, eine gutbürgerliche, sehr zentrale Wohngegend. Die Geschichte des Schauspielhauses reicht bis an den Beginn des 20. Jahrhunderts zurück. Da gabs im Keller ein Variété, das später in einen Kinosaal verwandelt wurde, der 1978 dem Theater wich.

Beck (48) hat es 2007 übernommen, zuvor war er als Dramaturg «eigentlich nur an grossen Häusern tätig», am Bayerischen Staatsschauspiel in München, am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg sowie ab 2002 am Wiener Burgtheater. Er wisse, betont er schon im Hinblick auf Basel, «wie viel Könnerschaft sich sammelt» in solch einem Haus, und er habe «keine Angst vor den Strukturen».

Das Schauspielhaus in Wien ist kein solches, kein grosses Haus wie das Burgtheater (1200 Sitzplätze), aber auch kein ganz kleines. Mit seinen 220 Sitzplätzen firmiert es unter «Mittelbühne». Als Beck antrat, hatte er den Eindruck, das Schauspielhaus würde fälschlicherweise der freien Szene zugerechnet. Wobei er feststellte, «dass auch die freie Szene so frei nicht war». Und nach wie vor stehe in Wien das Burgtheater auch insofern im Mittelpunkt, als sich zwar nicht das Schauspielhaus, aber viele andere Bühnen daran orientieren. «Oft verweisen sie sogar in ihrer Arbeit auf das Burgtheater als Referenz.»

Ein spezieller Ruf

Das würde Katja Jung dick unterstreichen. «Natürlich gilt das Burgtheater als Mekka, sogar der Taxifahrer weiss Bescheid, wenn der Hauptdarsteller erkrankt ist.» Die Schauspielerin Jung stammt wie Beck aus Deutschland, und so wie er ist sie seit 2007 am Wiener Schauspielhaus. Anders als er war sie zuvor zehn Jahre lang am Theater Basel engagiert.

Katja Jung weiss, wo Andreas Beck hingehen wird, und sie weiss, wo er dann hergekommen sein wird. Wo kommt er her? «Aus einem Haus, das sich einen speziellen Ruf erworben hat. Das Wiener Schauspielhaus, an seiner Grösse gemessen, ist überproportional bekannt in der Stadt und im ganzen Sprachraum.»

Mit Jung trifft man sich zweimal ums Eck, im Café Berg in der gleichnamigen Gasse. Ein paar Hausnummern weiter und auf der anderen Strassenseite hat Sigmund Freud ordiniert. Das freilich hilft Jung jetzt auch nicht weiter, sie ist leicht gestresst, bald steigt die Uraufführung von «Aller Tage Abend» nach dem Roman der Deutschen Jenny Erpenbeck. Dafür gilt es unter anderem einen 14 Seiten langen Monolog zu lernen.

Wien sieht Katja Jung als «absolute Theaterstadt. Die Leute nehmen Anteil.» Grosse Premieren werden noch am selben Abend im Staatsfernsehen ORF besprochen, und wenn, wie aktuell, das Burgtheater in eine Finanzmisere rutscht und die Geschäftsführerin entlassen wird, dann sorgt das tagelang für Schlagzeilen. Klar, sagt Katja Jung, sei das Schauspielhaus nicht das Burgtheater. Aber geredet werde auch über das Schauspielhaus. Und das sei, sagt sie, «klar das Verdienst von Andreas Beck».

In Wien gehen jeden Abend rund 15’000 Menschen ins Theater

Burgtheater, Akademietheater (zwei Bühnen), Volkstheater, Staatsoper, Volksoper, Musicalbühnen, kleinere Bühnen, Kabarettbühnen – die Konkurrenz in Wien ist nicht enden wollend. Geschätzte 15’000 Eintrittskarten werden Abend für Abend an die Frau und an den Mann gebracht. Die Schlussfolgerung daraus? «Man muss», sagt Beck, «ein eigenes Branding, einen eigenen Ausdruck finden.»

Der Ausdruck des Schauspielhauses ist, grosso modo, die Gegenwartsdramatik. Auf der Website heisst es: «Das Schauspielhaus versteht sich als Theater des Zeitgenössischen, als Schauplatz gegenwärtiger literarischer Unternehmungen, als Autorentheater im Sinn. Der Fokus liegt dabei auf junger und jüngster Dramatik.»

Schauspielerin Katja Jung über Andreas Beck: «Er ist fürs Theater Basel der richtige Mann, die Idealbesetzung.»

Beck wäre es lieber, «ein bewegtes, belebtes Haus zu übernehmen» als ein unbelebtes. Und er freut sich, wenn er hört, dass im Theater Basel etwas funktioniert. «Ich will auf Bestehendem aufbauen. Ich bin kein Retter oder Messias.»

Und die Konkurrenz in Basel sei, relativ betrachtet, wohl nicht kleiner als in Wien. Beck hat «sehr gute Orchester» ausgemacht und klarerweise eine «grosse Stärke der bildenden Künste». Natürlich kenne er die Kaserne und das Roxy, andere, kleinere Bühnen kenne er grossteils noch nicht, das «noch» betont er.

Wo und wie Andreas Beck in Basel wohnen wird, darüber hat er sich bis dato kaum Gedanken gemacht. «Am liebsten in der Nähe des Flusses.» Oskar, der Mops, darf jedenfalls davon ausgehen, dass er genügend Bewegung bekommen wird. Und wohl auch ein Platzerl unter dem Schreibtisch. 

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