Zum Weltrotkreuztag spielte das kultverdächtige Berliner Electropop-Trio Pupkulies & Rebecca im Sud auf – und liess mit seiner unvergleichlichen Leichtigkeit des Seins für einen Moment alles Elend der Welt vergessen.
Die Socken sinds, die am Samstag im Sud den kleinen, aber feinen Akzent setzen: Unaufdringlich, fast unauffällig baumeln sie an einer Wäscheleine von der Decke, wirken dekorativ und niedlich, und entpuppen sich erst auf den zweiten Blick als Appell an die Menschlichkeit. Denn Socken, so verrät ein Kleber auf dem Toilettenspiegel, können für Menschen auf der Flucht plötzlich alles entscheiden: Etwa, ob die Füsse einen noch das entscheidende Stück über die rettende Grenze tragen mögen. An diesem Abend wird hier nämlich der Weltrotkreuztag gefeiert – nicht mit mahnenden Reden und moralischem Zeigefinger, sondern ganz nach dem Geschmack der jungen Generation, mit drei Konzerten und Afterparty, alles gemeinsam vom Jugendrotkreuz Basel und dem Verein Kulturpush auf die Beine gestellt.
Der gute Zweck, das Wissen, dass der Erlös des Anlasses an gemeinnützige Projekte geht, tröstet gleichzeitig über ein paar Wermutstropfen hinweg: Nämlich, dass die beiden Basler Auftritte von Singer-Songwriterin Anja Rüegsegger und dem aufstrebenden Electronica-Projekt LaFayette zu einer Zeit angesetzt sind, wo andernorts die Türöffnung noch weit bevorsteht, und deshalb vor halbvollen Reihen stattfinden. Und dass die Party mit DJ Thom Nagy anschliessend in hörbar geringerer Dezibelzahl steigt – das Sud liegt nun mal mitten im Wohngebiet, und darum bleibt auch dem internationalen Headliner der Benefizfete nur die Stunde vor Mitternacht, bevor die Soundregler wieder runtergedreht werden müssen.
Postmodernes Schmelzen
Dafür gelang den Organisatoren mit der Verpflichtung von Pupkulies & Rebecca ein veritabler Coup: Das Ehepaar Janosch und Rebecca Blaul, mittlerweile dank Bandzugang Sepp Singwald zum Trio verstärkt, und soeben mit ihrem vierten Album «Looking for the Sea» im Gepäck zur grossen Europatournee aufgebrochen, gilt nicht umsonst seit Jahren als kultverdächtiges Unikum im deutschen Musikkosmos.
Der Produzent, die Sängerin und der Multiinstrumentalist haben sich mit ihrer frankophilen Fusion zeitloser Chansons und elektronischer Tanzmusik, mit Electropop, Volkslied und Jazz-House verschmelzenden Clubhits wie «Hold me Tight» oder «Save Me» eine eigene Nische geschaffen. Und obwohl ihre reduziert-minimalen Ästhetik an sich durchaus massenkompatibel wäre, veröffentlichen sie nach wie vor auf Indielabels wie Normoton, tingeln sie lieber als ewiger Geheimtipp durch Berliner Szene-Schuppen und intime Wald- und- Wiesen-Open-Airs, als den grossen Durchbruch anzusteuern.
Wie perfekt dieses postmoderne Konzept funktionieren kann, bewiesen Pupkulies & Rebecca bereits vor zwei Jahren am Stadtmusikfestival, wo sie zwischen den weiss im Wind flatterten Bändeln des Kunstmuseum-Innenhofs eine bezaubernde Performance hinlegten, und ihnen die Zuschauerherzen nur so zuflogen.
Strömende Konserven
Hier im Sud aber hat ihr schwereloser Sound ein bedeutend schwereres Los: Denn die Akustik des Lokals lässt die von Rebecca ins Mikrofon gehauchten englischen und französischen Lyrics im Raum verhallen, lässt den Bass statt warm zu pulsieren kühl durch die Boxen wummern.
Während das neue Album die sanfte Akustik der live eingespielten Samples unterstreicht, rückt hier die Tatsache, dass sie auf dem Laptop angeklickt werden, sprich: ab Konserve kommen, unbarmherzig ins Bewusstsein. So verstreicht sicherlich eine Viertelstunde, bis sich die Gehörgänge an die etwas unglücklichen Umstände gewöhnt haben und beginnen, aus dem gleichförmig strömenden Klangteppich Nuancen herausfiltern.
Unbeschwertes Schweben
Dass es Pupkulies & Rebecca dennoch gelingt, die elegante Leichtfüssigkeit ihrer Lieder kenntlich zu machen, und sie zum Ende doch wieder mit Jubel, Trubel und Begeisterung verabschiedet werden, ist in erster Linie ihrer ansteckenden Lebensfreude zu verdanken. Dieser Mixtur aus Charme und Schalk, welch die elfenhaft über die Bühne tänzelnde Rebecca und ihr ungetrübt enthusiastischer Partner am Laptop versprühen, derweil Sepps weiche Synthieflächen die Luft erfüllen, wohnt ein Zauber inne, dem man sich nur schwer entziehen kann.
«Wieso auch?», scheint die einschmeichelnde Musik einem einzuflüstern: «Das Elend einer Welt, in der ein Paar Socken über Leben und Tod entscheiden kann, wiegt an diesem Weltrotkreuztag schliesslich schon schwer genug. Da darf, ja: muss man diesen Glücksmoment, wo unter dem Turm einer ehemaligen Brauerei ein trunkenes Glockenspiel erklingt und der Himmel voller Geigensamples hängt, während über den Brettern ein barfüssiges Mädchen schwebt, das unbeschwert «La Vie est Belle» trällert, doch gerade besonders geniessen.» Schlicht und einfach, weil es hinreissend schön ist.