In Anwesenheit von viel Kultur- und Politprominenz wurde die Ausgabe 2016 des Theaterfestivals Basel eröffnet. Mit einer Produktion, an der sich die Geister der Anwesenden schieden.
Tanzen, tanzen, tanzen, bis dass die Welt untergeht: Mit dem Musical «Sound of Music» wurde das Theaterfestival Basel eröffnet.
(Bild: Eleni Kougionis)Aufruf, das «Entdeckerfestival» als das zu nehmen, was es ist: Festivalleiterin Carena Schlewitt bei ihrer Eröffnungsansprache.
(Bild: Eleni Kougionis)Der aktuelle Regierungspräsident Guy Morin mit seiner «Nachfolgerin» Elisabeth Ackermann, wie er mit einer Entschuldigung an Baschi Dürr sagte.
(Bild: Eleni Kougionis)Das Publikum mit FDP-Grossratskandidat Angelo Gallina (links) geniesst die Bequemlichkleit des Festivalzentrums.
(Bild: Eleni Kougionis)Baschi Dürr übt sich als Kandidat für das Regierungspräsidium im Gespräch mit Theaterdirektor Andreas Beck.
(Bild: Eleni Kougionis)Kultur- und Politprominenz unter sich. Unter anderen mit Sabine Himmelsbach, der Direktorin des Hauses der elektronischen Künste, und Regierungsrat Christoph Brutschin.
(Bild: Eleni Kougionis)Als «Meisterleistung der Kooperation» lobte die Baselbieter Bildungs-, Kultur- und Sportdirektorin Monica Gschwind das Festival. Zu reden gab dann aber vor allem die Farbe ihres Kleids.
(Bild: Eleni Kougionis)Mit uns die Sintflut, aber egal, solange uns das Wasser nicht ganz bis zum Halse steht: «It’s alright, good night», singt die Chorus Line auf der leeren Bühne in der Reithalle. Und während die gut gebauten und beeindruckend agilen Darsteller mit einem eingefrorenen Lächeln auf den Gesichtern virtuos-fröhlich tanzen, berichtet der Schriftzug im Hintergrund von Menschen, die nicht mehr schlafen können, weil sich so viele junge Leute das Leben nehmen. Oder vom Absturz einer Boeing 777 der Malaysia-Airlines, bei dem über 300 Menschen ums Leben kamen.
«Purer Zynismus», zischte eine Basler Theatermacherin und Spezialistin für multikulturelle Projekte nach der Vorstellung. Und von einem prominenten Basler Politiker war zu hören, dass er in der Produktion den Bruch zur Ernsthaftigkeit vermisst habe.
Über alle Katastrophen-Nachrichten hinweg
Den deutlichen Bruch gibt es nicht. Der Performer und Theaterforscher Yan Duyvendak lässt seine Truppe aus 12 Musicalprofis und 32 Ballettstudenten aus Basel und Zürich durchtanzen. Zum lupfig-schmissigen Ohrwurmverschnitt des Komponisten Andrea Cera. Eine Stunde lang bis zum Schluss. Und über alle Hiobs-Botschaften und Katastrophen-Nachrichten der Welt hinweg: Klimakatastrophe? Ach was! Kriege und Flüchtlinge? Ist halt einfach so. Überbevölkerung? Was kann man da machen?
Die Überbevölkerung – oder der Dichtestress, um das unsägliche Wort zu verwenden – wird spürbar auf der Bühne, auf der die Tänzerinnen und Tänzer immer mehr werden, sich aber auf immer weniger Platz bewegen müssen. Denn gegen Schluss fallen Vorhänge aus goldenem Überlebensdeckenstoff vom Bühnenhimmel. Zuerst hinten, dann eine Reihe weiter vorne und wieder eine Reihe näher an der Rampe. Aber der Tanz geht weiter. Wie das legendäre Orchester der «Titanic», das auf dem sinkenden Luxusliner unbeirrt weiterspielte, bis nichts mehr ging.
Offener Schluss
Yan Duyvendak lässt die Welt nicht untergehen. Er bietet aber auch kein Happy End, kein Deus ex Machina poppt auf, der unvermittelt alles zum Guten wendet. Aber er zeigt hinter den lächelnden Fassaden Menschen, die ihre Lebensenergie nicht verlieren. Und letztlich nicht aus Zynismus heraus agieren. Die Choreografen Olivier Dubois und Michael Helland bauen in ihre Tanzabläufe feine Irritationsmomente ein: Bewegungen, die erstarren, bevor sie wieder in Schwung kommen.
Das Spezielle an Duyvendaks Produktion ist, dass sie Erwartungshaltungen bricht. Es ist keine sarkastische Satire, die den Weltuntergang als musikalische Posse zelebriert, kein moralisierendes Pamphlet gegen die Gleichgültigkeit des Individuums gegenüber dem Elend der Welt. Sie zeigt ganz einfach das Paradoxon einer Zeit der immensen Gegensätze: Menschen, die in dieser schreckenserfüllten Welt weiterleben müssen und wollen.
Wie das Publikum, das nach den Nachrichten über Selbstmorde, Flugzeugabstürze, katastrophale Kriege raus auf den Kasernenplatz strömt, hin zur Bar auf dem Festivalzentrum, um mit einem Bier oder einem Glas Wein in der Hand und geselligem Smalltalk den wunderbaren Spätsommerabend zu geniessen.
Eröffnung als Stelldichein von Tout Bâle Culturel
Dort hatte sich zwei Stunden zuvor viel Polit- und Kulturprominenz zur offziellen Eröffnung des Festivals zusammengefunden. Festivalleiterin Carena Schlewitt rief die Anwesenden dazu auf, das «Entdeckerfestival» als das zu nehmen, was es ist. «Mit 20 Produktionen aus 17 Ländern und rund 170 Bühnenschaffenden ist das Festival für sich gesehen eine XXL-Produktion», sagte sie. Eine, die sich auf unterschiedlichste Art mit den brennenden Themen der Zeit auseinandersetze, die stetig an Brisanz zunähmen.
Der abtretende Basler Regierungspräsident Guy Morin hob die Wichtigkeit von solchen Orten und Veranstaltungen hevor, die vielfältige Blicke auf die Welt zuliessen – etwas, was vielerorts nicht selbstverständlich sei. Und mit einem Fingerzeig auf den Kasernen-Hauptbau gab er seiner Hoffnung Ausdruck, dass dort bald eine Baustelle anzutreffen sein werde.
Die Baselbieter Bildungs-, Kultur- und Sportdirektorin Monica Gschwind lobte das kantonsgrenzenüberschreitende Festival als «Meisterleistung der Kooperation». Sie hielt sich kurz bei ihrer Ansprache, was dem Publikum sehr entgegenkam, das sichtlich nach dem Eröffnungsbuffet dürstete.