Aus der Stille stammt die Schaffenskraft

An der Basler Kurzfilmnacht wird Georg Isenmanns Produktion «Blitzeis» gezeigt. Der bescheidene Jungregisseur bereitet derweil seine Spielfilmpremiere vor.

Auf dem Weg nach oben: Der Basler Regisseur Georg Isenmann. (Bild: zVg)

An der Basler Kurzfilmnacht wird Georg Isenmanns Produktion «Blitzeis» gezeigt. Der bescheidene Jungregisseur bereitet derweil seine Spielfilmpremiere vor.

Eigentlich gibt Georg Isenmann gar nicht gerne Interviews. Erst recht nicht über sich selbst: «Ich weiss da nie so recht, was ich erzählen soll.» Dass er es trotzdem tut, liegt an Isenmanns grosser Leidenschaft – einer Berufung, die ihn Tag und Nacht auf Trab hält, über die der Schweigsame gut und gerne auch zwei Stunden am Stück plaudern kann: das Filmemachen.

«Früher war es fast wie eine Krankheit – ich konnte den ganzen Tag nur an Film denken.» Isenmann hielt sich einfach für einen aussergewöhnlichen Filmfan, bis ihm eines Tages der Gedanke kam: «Hey, all die Filme, die macht ja auch irgendjemand!»

Von Strumpfhosen zu Stamm

Doch der eigene Weg ins Filmgeschäft war steinig: Ganze fünf Mal wurde Isenmann von Filmhochschulen abgelehnt. Warum, das erschloss sich ihm nie. Womöglich sahen die Dozenten im ruhigen, zurückhaltenden Basler, der als Videothekar jobbte, eher einen Filmfreak denn einen Filmregisseur. Also versuchte Isenmann es anders, zunächst, indem er jegliche Seterfahrung nutzte. Aber «Imagefilme über Strumpfhosen zu drehen, das konnte für mich nicht alles sein». Also begann er, als Regieassistent an Theaterproduktionen mitzuarbeiten, und – oft gratis – bei Kurzfilmproduktionen seine Dienste anzubieten.

Was rückblickend nach einem steilen Aufstieg aussehen könnte, beschreibt Isenmann, heute 33, selbst als Mischung aus «Hartnäckigkeit, harter Arbeit und viel Glück». So etwa bei «Blitzeis», der Produktion, die nun am Basler Kurzfilmfestival gezeigt wird: Auf der Suche nach einem neuen Stoff stiess Isenmann auf sein altes Lieblingsbuch «An einem Tag wie diesem» von Peter Stamm.

Da fiel ihm ein, dass dieser auch Kurzgeschichten geschrieben hatte. Wobei: «Mit Kurzgeschichten ist es so eine Sache: Liest man sie im Hinblick auf ein Drehbuch, kann man das Buch meistens nach einer Seite wieder zuklappen. So etwa, wenn es heisst: ‹An einem Wintertag in New York …› – zu weit weg, falsche Jahreszeit, zu teuer.»

Auch «Blitzeis» hätte er fast wieder zugeklappt: «Eine Geschichte über eine todkranke Frau, das schien mir zunächst eher heikel und schwierig – da ist man sofort in einer gewissen Schiene drin, muss Vorstellungen bedienen.» Gelesen hat Isenmann die Geschichte trotzdem, aus Neugier, weil es sich um seinen Lieblingsautor handelt. Und siehe da: «Noch beim letzten Satz wusste ich: Das ist es! Tja: Und dann kam der schwierige Teil.»

Von Vertrauen und Freiheit

Isenmann recherchierte, schrieb ohne grosse Hoffnung Peter Stamms Agenten an. Und siehe da: Nur zwei Tage später vermeldete dieser «das d’accord des Autors». Damit hatte Isenmann zwei Dinge gewonnen: «Sobald es um eine Peter-Stamm-Verfilmung ging, konnte ich mich quasi hinter dem grossen Namen verstecken und in Ruhe arbeiten.»

Andererseits sprach Stamm, früher selber Drehbuchautor, Isenmann sein Vertrauen aus und verzichtete darauf, sich in den Entstehungsprozess einzumischen: «Er sagte: Mach den Film, den du willst.» Diesen Rat nahm sich Isenmann zu Herzen – und stellte sich von den Darstellern über den Basler Drehbuchautor Pascal Verdosci bis zum jungen Kamera-Shooting-Star Sobociński Jr. sein «Traumensemble» zusammen.

Die Produktionsfirma Langfilm, spezialisiert auf die Förderung junger Talente, ermöglichte Isenmann die Arbeit mit einem Team auf höchstem Niveau. «Ich glaube, ich war selbst der grösste Fan meiner Mitarbeiter», lachte Isenmann. Eine Tatsache, die dem Film offenbar gut getan hat: «Das war einer dieser Drehs, wo man nach Ende der sieben Tage denkt: Schade, es hätte ruhig nochmals eine Woche so weitergehen dürfen», meinte Produzent Olivier Zobrist bei der Premiere.

Auch Hauptdarstellerin Marie Leuenberger schwärmte von der Zusammenarbeit, insbesondere mit Sobociński Jr., von dem sie sich «wunderbar aufgehoben» gefühlt habe. Worin liegt Isenmanns Erfolgsgeheimnis? «Ich bin einfach nicht der toughe Typ, der von morgens bis abends rumschreit», sagt der Regisseur, «im Gegenteil: Ich bin gerne nett und gebe auch zu, wenn ich mal keine Ahnung habe.» Wenn es nach ihm ginge, dürfte der Regisseur ruhig der unwichtigste Mann am Set sein: «Dann hat er alles richtig gemacht.»

Vom Lob zum Langspielfilm

Alles richtig gemacht, das hat offenbar auch Isenmann. Als er seinem Lieblingsautor den Kurzfilm zeigte, war Peter Stamm derart beeindruckt, dass er ihm die eigentlich schon vergebenen Rechte für «An einem Tag wie diesem» übertrug. Daraus soll nun Isenmanns erster Langspielfilm werden, der im ganzen deutschen Raum in die Kinos kommt – mit fast demselben Team wie «Blitzeis» verfilmt die Nachwuchshoffnung also das einstige Lieblingsbuch.

Läuft bei ihm alles perfekt? Fast entschuldigend meint Isenmann: «Ein bisschen sieht es danach aus, ja.» Noch arbeitet er Teilzeit bei Ikea, doch schon 2013 könnte sein grösster Wunsch in Erfüllung gehen: von der Arbeit als Filmemacher leben zu können.

Dass er dann noch mehr Interviews geben muss, ist ein kleiner Wermutstropfen: «Eigentlich finde ich Ruhm, diesen ganzen Jubel und Trubel der Filmindustrie, ja schrecklich. Ich würde am liebsten nur die Filme sprechen lassen. Aber wenn ich Glück habe, werde ich lernen müssen, damit umzugehen.»

«Blitzeis»-Premiere: Kino Atelier, Basel. Freitag, 13.04., 20.45 Uhr, Im Rahmen der Basler Kurzfilmnacht. (Siehe Artikel zur Basler Kurzfilmnacht unter «Verwandte Artikel»)

Quellen

Artikelgeschichte

 Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 13.04.12

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