Ausverkauf der Sammlung Staechelin

Der Verkauf des Gauguin-Gemäldes «Nafea» sorgt weltweit für Schlagzeilen. Es war aber bei weitem nicht das erste Mal, dass die Staechelinsche Familienstiftung ihre Kunstsammlung als notfallmässige und willkommene Geldquelle nutzte.

Von der Leihgabe unter vielen zum Mittelpunkt der Ausstellung: Das zum Rekordpreis verkaufte Gauguin-Gemälde «Nafea» aus der Sammlung Staechelin (Bild: Jeystone, Georgios Kefalas)

Der Verkauf des Gauguin-Gemäldes «Nafea» sorgt weltweit für Schlagzeilen. Es war aber bei weitem nicht das erste Mal, dass die Staechelinsche Familienstiftung ihre Kunstsammlung als notfallmässige und willkommene Geldquelle nutzte.

Sie wurde als «Kunstereignis des Jahres» beworben, die Gauguin-Schau in der Fondation Beyeler, die am Wochenende ihre Tore öffnen und dem Museum wohl einen neuen Besucherrekord bescheren wird. Auch wenn rund fünfzig hochkarätige Werke des Künstlers zu sehen sind, zog an der Medienpräsentation vor allem ein Bild die Aufmerksamkeit auf sich: das Gemälde «Nafea faaipoipo» aus der Sammlung Rudolf Staechelin, das Anfang des Jahres das Kunstmuseum Basel für immer verlassen hat. 



Gauguins «Nafea» hing 50 Jahre im Kunstmuseum bis es offenbar als teuerstes Bild aller Zeiten verkauft wurde.

Gauguins «Nafea» hing 50 Jahre im Kunstmuseum bis es offenbar als teuerstes Bild aller Zeiten verkauft wurde. (Bild: Kunstmuseumbasel, Martin P. Bühler)

In Kunstmarktkreisen kursiert das Gerücht, dass Rudolf Staechelin beziehungsweise sein Family trust das postimpressionistische Gemälde, das knapp 50 Jahre lang als Leihgabe im Kunstmuseum Basel hing, für 300 Millionen Dollar an einen Käufer im Emirat Katar verkauft hat. Das wäre der höchste Preis, der jemals für ein Kunstwerk erzielt wurde. Zugleich wurde bekannt, dass auch die anderen 17 Gemälde aus der Sammlung aus Basel abgezogen werden.

«Zeit, das Vermögen zu diversifizieren»

Auf Anfrage der TagesWoche wollte Rudolf Staechelin zum Abzug der Gemälde und zum Verkauf nicht näher Stellung nehmen. Gegenüber der «New York Times» gab sich der Kopf des Family trust gesprächiger, allerdings ohne den kolportierten Kaufpreis und den Käufer zu bestätigen oder zu dementieren.

Es sei Zeit gewesen, sein Vermögen zu diversifizieren, lässt sich Staechelin in der Zeitung zitieren. Und: «It’s mainly because we got a good offer. The market is very high and who knows what it will be in 10 years» (Ausschlaggebend war, dass wir ein gutes Angebot erhielten. Der Markt bewegt sich auf einen sehr hohen Stand, wer weiss, wie das in zehn Jahren sein wird).

«Ich bin kein Kunstsammler»

Staechelin stand stets dazu, dass er sich nicht als Kunstsammler versteht, sondern vielmehr als Verwalter eines Vermögens, das hauptsächlich aus Kunstwerken besteht. «Ich bin kein Kunstsammler; dafür fehlen mir die finanziellen Mittel. Ich bin der Grosssohn des Sammlers Rudolf Staechelin, Verwalter und auch potentiell Begünstigter seiner Sammlung», sagte er 2013 in einem Interview im Mitgliedermagazin der Freunde des Kunstmuseums Basel und des Museums für Gegenwartskunst.

Als ehemaliger Mitarbeiter des Auktionshauses Sotheby’s weiss er aber offensichtlich, wie sich mit diesen Vermögenswerten, die er nicht in einem Banksafe, sondern ebenso gut gesichert und dazu noch versichert im Kunstmuseum gelagert hat, Gewinne erzielen lassen.

Nicht im Sinne des Grossvaters

Ein Bilderverkauf aus dem Grund, dass sich gerade besonders viel Geld erzielen lässt, ist aber nicht im Sinne von Rudolf Staechelins Grossvater (1881-1946), der die hochkarätige Sammlung zusammengetragen hatte. «Um zu verhindern, dass die mit so viel Liebe und auch Opfern zusammengetragenen Schätze ohne äusseren Zwang in alle Winde zerstreut werden, habe ich meinen gesamten Kunstbesitz heute der von mir gegründeten Rudolf Staechelinschen Familienstiftung übergeben», zitiert die «Basler Zeitung» aus dem Protokollbuch der Stiftung.

Nun sah sich die Familie Staechelin in den 1960er Jahren bekanntlich durchaus mit einem «äusseren Zwang» konfrontiert. Als der Sohn des Stiftungsgründers, Peter G. Staechelin, mit seiner Fluggesellschaft Globe-Air in Konkurs ging, brauchte die Familie dringend Geld. Und dieses Geld war in Form der Bilder eben im Kunstmuseum Basel deponiert.

Einen van Gogh verkauft



Van Goghs «La Berceuse», 1967 verkauft, hängt heute im Metropolitan Museum of Art in New York.

Van Goghs «La Berceuse», 1967 verkauft, hängt heute im Metropolitan Museum of Art in New York. (Bild: Metropolitan Museum of Art, New York)

Als erstes verkaufte der Vater von Rudolf Staechelin 1967 van Goghs «La Berceuse» für damals stattliche 3,2 Millionen Franken an einen ausländischen Interessenten, der das Werk vier Wochen später für 4,5 Millionen weiterverkaufte. Heute gehört das Gemälde, dessen Wert sich inzwischen massiv vervielfacht haben dürfte, zur Sammlung des Metropolitan Museum of Art in New York.

Acht weitere Gemälde aus der Sammlung übernahm laut einem damaligen «Spiegel»-Bericht der Kunsthändler Ernst Beyeler. Es handelte sich um Werke von Cézanne, Degas, Monet, Pissarro, Renoir und Sisley, die zum Teil ebenfalls für Millionenbeträge verkauft wurden. Vier davon hingen ursprünglich ebenfalls als Leihgaben im Kunstmuseum.

Als bekannt wurde, dass auch noch die beiden Picasso-Bilder «Arlequin assis» und «Les deux frères» verkauft werden sollten, geriet das kunstsinnige Basler Bürgertum in Aufruhr. Es kam zur legendären Sammel- und Ankaufaktion, auf die die Kunststadt Basel heute noch mit grossem Stolz zurückblickt.

Rekordpreise bereits 1967



Auch Picassos «Les deux frères» konnten für damals viel Geld in Basel bleiben.

Auch Picassos «Les deux frères» konnten für damals viel Geld in Basel bleiben. (Bild: Kunstmuseum Basel © ProLitteris, Zürich)

Der Kanton Basel-Stadt und die vielen privaten Spenderinnen und Spender brachten 8,4 Millionen Franken für den Kauf der beiden Gemälde auf. Dieser Kaufpreis mag im Vergleich zu den kolportierten 300 Millionen für den Gauguin marginal erscheinen. Für damalige Verhältnisse handelte sich aber um eine horrende Summe. Es waren die mit grossem Abstand höchsten Preise, die jemals für Werke von noch lebenden Künstlern erzielt wurde.

Die «Zeit» wunderte sich damals im Wirtschaftsteil über die Rekordpreise: «Bei allem Respekt vor dem Genie Picassos und selbst in Anbetracht der atemberaubenden Eskalation der Preise für Werke alter und moderner Meister, wie sie während der vergangenen Jahre auf dem internationalen Kunstmarkt zu verzeichnen war, muss es verwundern, dass den Baslern die ‹Deux frères› und der ‹Arlequin assis› 8,4 Millionen wert waren.»

Schlagzeilen auf dem Kunstmarkt

Es ist also nicht das erste Mal, dass Werke aus der Sammlung Staechelin auf dem Kunstmarkt für Schlagzeilen sorgen. In ihrem Artikel aus dem Jahr 1968 befürchtete die «Zeit», dass der Tag nicht mehr fern sein könnte, an dem «ein Preis von 100’000’000 Mark für ein einzelnes Kunstwerk im Bereich des Möglichen liegt».

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