Automaten mit Herz und Seele

Von Rock-Ola bis Wurlitzer: Das Museum für Musikautomaten in Seewen rollt mit einer Sonderausstellung die Geschichte der Jukeboxes auf.

Museumsdirektor Christoph Hänggi steht neben «Chantal», einer Schweizer Jukeboxmarke aus den 1950er-Jahren. (Bild: Marc Krebs)

Von Rock-Ola bis Wurlitzer: Das Museum für Musikautomaten in Seewen rollt die Geschichte der Jukeboxes auf und haucht mit seiner Sonderausstellung dem «Golden Age of the Jukebox» neues Leben ein.

I saw him dancin‘ there by the record machine 
I knew he must have been about seventeen 
Big and so strong
Playin‘ my favorite song
Playin‘ my favorite song

An‘ I could tell it wouldn’t be long
Till he was with me, yeah me
An‘ I could tell it wouldn’t be long
Till he was with me, yeah me, singin‘

I love rock ’n‘ roll 
So put another dime in the jukebox, baby 
I love rock ’n‘ roll 
So come an‘ take your time an‘ dance with me 

1980 veröffentlichte die US-amerikanische Sängerin Joan Jett die Liebeserklärung «I love Rock’n’Roll». Ein Welthit, der eine Hommage enthielt. Denn im Liedtext huldigt sie nicht nur dem Rock’n’Roll, sondern auch einem wichtigen Transportmittel dieser Musik: der Jukebox. Jener Maschine, die damals den Soundtrack zu Balztänzen lieferte.

Eine Jugendliebe wird museumsreif

Wie aufregend das doch war, als Teenager: Man traf sich am frühen Abend mit Freunden im Pub oder Jugendzentrum. Man hielt sich zurück bei den Getränken, um Einfränkler zu sparen, die man dann für Songs einsetzen wollte.

Hatte man mit einer Tastenkombination ein Lied gewählt, schlenderte man so lässig wie möglich zum Tisch seiner Kumpels zurück. Schliesslich galt es, so souverän zu wirken wie die Jukebox selber, die da an einer Wand stand und meist mit einem Flipperkasten um die Wette leuchtete. Cool eben.

Innerlich aber platzte man fast vor Freude. Jetzt, jetzt dann würde er von einem Roboterarm herausgegriffen und auf den Plattenteller gelegt: Unser Song! Unsere Hymne! Nur noch die Luftgitarre umhängen, und dann konnte man in bester Feierlaune mitjohlen.

Heute sind diese Jukeboxes, wie wir sie kannten, museumsreif. Die Vinyl-Single, dieser kleine Teller, der auf beiden Seiten einen Song enthält, trifft man fast nur noch auf Flohmärkten an. Die Digitalisierung hat ihre Produktion beinahe versiegen lassen. Und auch wenn es heute noch Jukeboxes gibt, die CDs abspielen oder direkt ans Internet angeschlossen sind: Ihre Blütezeit ging 1974 zu Ende, als die Firma Wurlitzer nach 750’000 ausgelieferten Geräten ihre Produktion einstellte. In den Discos liessen immer öfter DJs die Platten rotieren, was die Jukebox alt aussehen liess.

Schweizer Präzisionsarbeit

Wie sehr diese Museumsstücke aber heute noch faszinieren, kann man im solothurnischen Seewen erfahren. Im Museum für Musikautomaten, das dem Bundesamt für Kultur unterstellt ist, wird derzeit «The Golden Age of the Jukebox» beleuchtet. Museumsdirektor Christoph Hänggi hat die Sonderausstellung mit Liebe zum Detail kuratiert: So präsentiert er nicht nur zahlreiche hinreissende Jukeboxes aus der goldenen Ära zwischen 1950 und 1980, sondern zeigt auch deren Vorfahren.

Denn lange bevor amerikanische Firmen wie Wurlitzer, Rock-Ola, Seeburg oder Ami den Weltmarkt mit Jukeboxes eindeckten, gab es bereits zahlungspflichtige Musikmaschinen. So stellte die John Gabel Company bereits 1906 ihren «Automatic Entertainer» vor, einen Automaten, der gegen Münzeinwurf zwölf verschiedene Schellackplatten spielen konnte.

Im gleichen Jahr werden Schweizer Grammophone mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. In Sainte-Croix, einem Dorf im Waadtländer Jura, setzen mehrere Betriebe – darunter die Firma Thorens – auf die Herstellung von Abspielgeräten für Musik. Die mechanische Präzision, die auch die Schweizer Uhrenindustrie auszeichnet, führt zu erstklassigen Phonographen und Grammophonen. Diese Geräte finden nicht nur den Weg in die Haushalte von Gutbetuchten, sondern auch in Hotels und Restaurants, wo man sich für eine Münze den Gesang eines Enrico Caruso anhören kann.

Die Jukebox erobert die Welt

 

(Bild: Marc Krebs)

Doch der grosse Durchbruch der Jukebox wird nicht von Arien begleitet, sondern vom Jazz. 1946 stellt die amerikanische Wurlitzer Company ihr Modell «1015» vor, ein Gerät, das durch seine Bogenform und aufsteigende Gasblasen auffällt. Ein Hingucker. Wer hats erfunden? Ein Schweizer, wie wir von Christoph Hänggi erfahren.

Der Möbeldesigner Paul Fuller wurde 1934 von der Wurlitzer Company angestellt. Er entwirft die farbenprächtigen Möbel im Art-déco-Stil, die mit dem Big-Band-Sound von Glenn Miller und Co. gefüttert werden. Zu dieser Zeit setzte sich der Begriff Jukebox durch. Er stammt aus dem Süden der USA, leitet sich von «to jook» ab, was man mit Feiern und Tanzen gleichsetzen kann. Wo eine Jukebox steht, steigt eine Party.

Allgegenwärtig werden die Geräte schliesslich Mitte der 50er-Jahre, mit dem Durchbruch von Elvis Presley und dem Anbruch des Rock’n’Roll-Zeitalters. Die in Deutschland stationierten US-Soldaten machen die Jukeboxes auch in Europa populär, das Rockfieber greift auf den Kontinent über. Und während der Schweizer Rundfunk die fremdartigen Sounds noch ignoriert und die ältere Generation abschätzig von Negermusik spricht, versammelt sich die Jugend in den Kneipen, um die neusten Hits aus den USA zu hören und dazu zu tanzen. 

Auch in der Schweiz versuchten sich einige Tüftler an den Maschinen. 1954 etwa kam das Jukebox-Modell «Chantal» auf den Markt, in Murten hergestellt. Doch gegen die amerikanische Vorherrschaft von Wurlitzer und Co. war nicht anzukommen.

Erinnern und staunen

«Der grosse Unterschied, die Innovation, welche die Jukebox mit sich brachte, war die Möglichkeit, Lieder abzuspielen, die Stimmen enthielten», sagt Christoph Hänggi. Die mechanischen Automaten aus der Jahrhundertwende, diese Monsterdinger, die man heute bestenfalls noch auf Jahrmärkten antrifft, waren zwar innen mit echten Instrumenten ausgestattet. Doch konnten sie keine Gesänge speichern.

Mit der Sonderausstellung demonstriert das Museum in Seewen, bisher bekannt für seine – beispielsweise – 100-jährigen Musikdosen, die Erweiterung seiner Sammlung. In den letzten Jahren hat Hänggi zahlreiche Jukeboxes angekauft, «ganz bewusst, um das Museum mit diesen Exponaten näher an die Gegenwart heranzuführen», wie er sagt. Denn oft stelle er fest, dass die Leute an Jukeboxen denken, wenn sie erfahren, dass es ein Museum für Musikautomaten gebe. Diese Erwartung wird jetzt erstmals in grossem Mass erfüllt und ein Stück Zeitgeschichte präsentiert, das viele Erinnerungen weckt.

So klein der Raum für die Ausstellung auch ist, er birgt genügend Platz, um einen staunen zu lassen: So erfährt man etwa, dass die US-Firma Rock-Ola schon 1941 eine Maschine auf den Markt brachte, die weit mehr Songwünsche erfüllte, als sie Platten fasste. 5000 Selections hat die Mystic Music angepriesen. Wie das ging? «In einem Nebenraum lagerten Hunderte von Platten», erklärt Christoph Hänggi. Wurde ein Lied gewählt, zupfte eine Angestellte flugs die entsprechende Platte heraus und fütterte die Maschine damit.

Musik on Demand quasi, Jahrzehnte bevor dieser Begriff überhaupt allgegenwärtig war. Die Generation iTunes kann sich diesen Aufwand gar nicht mehr vorstellen – aber erahnen, beim Besuch dieser aufschlussreichen Sonderausstellung in Seewen.

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Die Sonderausstellung The Golden Age of the Jukebox im Museum für Musikautomaten, Seewen, läuft noch bis 30. August 2015.

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