Der Verlust des Festival-Präsidenten schlägt sich nicht im Programm nieder: Die Baloise Session unter CEO Beatrice Stirnimann setzt stärker denn je auf eine Mischung aus grossen Altstars und frischen Hitparadenstürmern.
Die Medienkonferenz der Baloise Session im Atlantis Basel hat Tradition. Und doch ist diesmal alles anders: Nicht nur, weil im Atlantis umgebaut und neues Intérieur installiert wurde. Nein, auch weil Festivalpräsident Matthias Müller (51) Ende Juni einem Hirntumor erlegen ist. So sitzt CEO Beatrice Stirnimann ganz alleine am Tisch, und man sieht, dass es ihr nicht leicht fällt, das Programm 2016 zu präsentieren.
«Unsere Herzen sind gefüllt mit seiner Inspiration», sagt Stirnimann und beteuert, was sie schon unmittelbar nach dem Todesfall verkündete: Das Festival soll im Sinne des Gründers weitergeführt werden.
Dass die Baloise Session eine Zukunft hat, dafür spricht schon allein das Commitment des Presenting Sponsors: Die Basler Versicherung verlängert ihr finanzielles Engagement bis 2020, wie CEO Michael Müller erklärt. Damit ist ein Teil des jährlichen Budgets (8,5 Millionen Franken) alimentiert.
Sichtbare Verjüngung des Programms
An der Zukunft des Festivals hat Müller aber auch mitgearbeitet, indem er Stirnimann in den vergangenen Jahren mehr Verantwortung übertrug. Man traut ihr absolut zu, dass sie mit ihrem Team die Konzertreihe erfolgreich weiterführen kann.
So hat sie das Festival für die Zukunft gerüstet, indem sie in den letzten Jahren für eine inhaltliche Verjüngung sorgte. Das offenbart sich auch im Programm 2016: Zwischen dem 21. Oktober und 8. November finden 12 Konzertabende in der Eventhalle der Messe statt. Und Norah Jones gehört da zu den ältesten, etabliertesten Acts.
Denn im Unterschied zu früheren Ausgaben der Baloise Session sind nur wenige Künstler seit dem 20. Jahrhundert aktiv, ja, erstaunlich viele Acts hat man erst seit wenigen Jahren auf dem Radar: die britischen Stimmen Emeli Sandé oder John Newman, um nur zwei Beispiele zu nennen. John Newman? Doch, doch, den haben sie auch schon gehört:
Allerdings birgt die Verjüngung auch Gefahren: Wer sich wie die Konzertsession zunehmend dem Zeitgeist annähert, sollte besser vermeiden, schnelllebige Acts aufzutischen. Denn es empfiehlt sich, Künstler aufzubauen, die man auch in fünf Jahren wieder gerne begrüsst, egal, welcher Modetrend dann angesagt ist. Ob der Elektroswing des österreichischen DJs Parov Stelar auf einer Konzertbühne mit Clubtischen funktionieren wird? Darauf darf man gespannt sein, ebenso auf die Latin-Bandbreite, die für den 23. Oktober angekündigt ist: Das furiose Gitarrenduo Rodrigo Y Gabriela, in Europa längst zu Festivaldarlings avanciert, legt dann den Boden für Alvaro Solers Playapartysound.
Da bevorzugen mittelalterliche Semester wohl den Reggaepop von Boy George: «Do you really want to hurt me?», wird der britische Sänger am 26. Oktober säuseln. Culture Club sind wieder auf Tour, aktuell in den Vereinigten Staaten. Stirnimann konnte diese Band der 80er für ein europaweit exklusives Konzert buchen. Das dürfte wohl ausverkauft werden.
Flankiert wird die aufsehenerregendere Festivalmitte von eher leichter Kost – die deutsche Gruppe Silbermond etwa füllt zwar Säle, stellt aber auch tatsächlich «leichtes Gepäck» dar, wie es das Motto des Abschlussabends treffend umschreibt.
Zitterpartien bei den Alt-Stars
Mehr Gewicht hat da der 31. Oktober: Dann trifft der ehemalige Profisurfer Donavon Frankenreiter mit seinem Westcoast-Sound auf den legendärsten Beach Boy der Geschichte: Brian Wilson. Der alte Mann bringt nach 50 Jahren «Pet Sounds» auf eine Schweizer Bühne, jenes Album für die Ewigkeit, dessen Jubiläum auch wir hier (ab-)gefeiert haben. Wer hätte gedacht, dass Brian Wilson noch in Basel zu erleben sein würde?
Ermöglicht hat das der Gönnerverein. Und der Zustupf war nötig, denn wie Stirnimann verrät, drohten die Verhandlungen zu scheitern, als die geplante Europatour gecancelt wurde. «Wir wollten uns aber diesen Traum erfüllen. Also mussten wir nochmals etwas drauflegen.» So kam es, dass Wilson nun eines von vier Europakonzerten (u.a. in der Royal Albert Hall) vor lediglich 1500 Zuschauern in Basel geben wird.
Eine Zitterpartie war auch die Verpflichtung von Jeff Beck: Er stand immer schon auf der Wunschliste von Matthias Müller, doch erst nachdem Eric Clapton hier auftrat, schien sich auch Beck für die Anfrage aus Basel zu interessieren. «Seit acht Monaten stehen wir nun in Verhandlungen und der Vertrag ist noch immer nicht unterschrieben. Aber wir glauben fest daran, dass er am 22. Oktober auf der Bühne stehen wird», so Stirnimann.
Nicht verstecken muss sich der Opening Act: Der norwegische Sänger Sivert Høyem (Ex-Madrugada) vermag mit seiner Stimme zu betören. Gleiches kann man von Laura Mvula sagen, der britischen Soulsängerin, die vergleichbar spannende Musik macht wie ihre US-Kollegin Janelle Monae und mehr Abwechslung verspricht als ihre Genre- und Landskollegin Emeli Sandé, die den Festivalreigen eröffnen wird.
Und sonst? Ist mit Kenny Rogers der Country, mit Bassist Marcus Miller der Fusion-Jazz und mit Norah Jones der Schlafzimmer-Jazz vertreten. Die US-Musikerin, die eigens für dieses Konzert den Atlantik überqueren wird, durfte übrigens selber auswählen, wer vor ihr eröffnen soll. Sie entschied sich gegen Basler Stimmen und für einen Luzerner: Damian Lynn. Er vertritt die Schweizer im Programm, zusammen mit Soulsänger Seven und der Hälfte des Frauen-Duos Boy.
Gespannt sein darf man auch auf eine andere tolle Frauenstimme: Brandi Carlile. Ob sie mehr zu bieten hat als diese eine grosse Story?
Diese Frage stellt sich auch beim belgischen Sänger Milow, der schon 2012 an der Session auftrat (damals noch im Musical Theater) und mit seinem Charme viele Sympathiepunkte holte, aber noch nicht über die ganze Konzertdauer bestechen konnte. Ob er vier Jahre später mehr Vielfalt auf die Bühne zaubert? Das kann man am 28. Oktober überprüfen.
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Der Vorverkauf startet am 31. August 2016.
Das gesamte Programm: www.baloisesession.ch