Basler Künstler fordern fixes Kulturprozent

Wie viel Kunst am Bau darf es denn sein? Die gegenwärtige Praxis ist undurchsichtig und sorgt immer wieder für Missverständnisse und Diskussionen. Ein Vorstoss im Grossen Rat regt nun die Schaffung eines verbindlichen Regelwerks an.

Kunst am Bau setzt wichtige Zeichen im öffentlichen Raum: «Wegmarkierung» am Kamin des Fernheizkraftwerks aus dem Jahr 1981 von Hannes Vogel (Bild: Dominique Spirgi)

Wie viel Kunst am Bau darf es denn sein? Die gegenwärtige Praxis ist undurchsichtig und sorgt immer wieder für Missverständnisse und Diskussionen. Ein Vorstoss im Grossen Rat regt nun die Schaffung eines verbindlichen Regelwerks an.

Er sieht richtig putzig aus, der schwarze Seelöwe, der dereinst kopfüber auf dem Terrassengeschoss des Erlenmattschulhauses balancieren soll. Die Bronzeskulptur von Urs Cavelti wurde von der Wettbewerbs-Jury als Kunst-am-Bau-Projekt für die neue Primarschule Erlenmatt auserkoren.

Ein Seelöwe von Urs Cavelti für das neue Erlenmattschulhaus

Ein Seelöwe von Urs Cavelti für das neue Erlenmattschulhaus (Bild: baselkultur.ch)

Für die Realisierung des Werks wurde ein Betrag von 105’000 Franken gesprochen. Dies entspricht einem Anteil von 0,3 Prozent der gesamten Baukosten von 35 Millionen Franken.

Ganz anders geartet ist das Kunstprojekt, das für den umfassenden Umbau der St. Jakobshalle zur Ausführung empfohlen wurde. Der Künstler Eric Hattan schlägt die Platzierung eines mächtigen Findlings als Grundstein unter einem tragenden Stützpfeiler des weitläufigen Foyers vor.

Das hintersinnige Werk, das den Begriff «unverrückbar» im Titel trägt, wird somit im wahrsten Sinne des Wortes zum tragenden Element des Baus. Es kostet 184’000 Franken, was einem Anteil von 0,175 Prozent der Umbausumme von 105 Millionen Franken entspricht.

Das sind zwei einer ganzen Reihe aktueller Projekte, die unter dem Titel «Kunst am Bau» zu integralen Bestandteilen von Bauvorhaben der öffentlichen Hand erkoren wurden. Besonders oft scheinen Schulhäuser und höhere Bildungseinrichtungen zum Zug zu kommen. So zum Beispiel beim Neubau des Biozentrums auf dem Schällenmätteli-Areal, wo für zwei Projekte die stolze Summe von 350’000 Franken aufgewendet wird – ein Betrag, der in der Relation zu den Gesamtbaukosten von 328 Millionen Franken indes nicht mehr gar so hoch erscheint.

Kunst am Bau hat in Basel Tradition

Die Verbindung von Bau und Kunst hat in Basel Tradition. In und an zahlreichen öffentlichen und auch privaten Gebäuden der Stadt haben Künstlerinnen und Künstler ihre Spuren hinterlassen.

Zum Teil sind die Werke, wie zum Beispiel die beiden abgerundeten Betonklötze «Ohne Titel» von Matias Spescha (1979) beim Klinikum 2, so diskret gestaltet und platziert, dass die allermeisten Passanten sie kaum als künstlerische Interventionen wahrnehmen.

Andere Beispiele wiederum, wie etwa die markante rot-weisse «Wegmarkierung» am Hochkamin des Fernheizkraftwerks an der Voltastrasse von Hannes Vogel (1981), sind schon fast zu einer Art Wahrzeichen der Stadt geworden.



Matias Speschas Werk «Ohne Titel» beim Klinikum 2 ist auf den ersten Blick nicht unbedingt als Kunst erkennbar.

Matias Speschas Werk «Ohne Titel» beim Klinikum 2 ist auf den ersten Blick nicht unbedingt als Kunst erkennbar. (Bild: Dominique Spirgi)

Die Basler Regierung wertet Kunst am Bau als «ein wichtiger Bestandteil des Kunstschaffens». Sie tut dies in der kurzen Antwort auf eine schriftliche Anfrage von SP-Grossrat Martin Lüchinger, der dieses positive Statement zum Anlass nahm, auf seine Anfrage einen politischen Vorstoss folgen zu lassen.

Künstler pochen auf alte Bestimmungen

Hintergrund für Lüchingers Vorstoss ist die Tatsache, dass vor allem in Künstlerkreisen in letzter Zeit zunehmend Kritik an der wenig transparenten Vergabepraxis geäussert wurde. Und speziell auch daran, dass zu wenige Mittel für Kunst am Bau oder «Kunst und Bau» aufgewendet würden, ein Begriff, den der Berufsverband visuelle Kunst (Visarte) der Region Basel bevorzugt.

Die Künstlerinnen und Künstler verweisen regelmässig darauf, dass die Regierung in den 1940er-Jahren beschlossen haben soll, dass bei öffentlichen Bauten «1 bis 2 Prozent der Bausumme zur künstlerischen Ausschmückung und zur Arbeitsbeschaffung für Künstler» zu reservieren seien. Der Basler Künstler Peter Brunner-Brugg beruft sich hierbei auf ein Regierungsratsprotokoll, das er im Staatsarchiv habe ausfindig machen können.

Eine ähnliche Aussage findet sich auch in einem Recherchepapier mit dem Titel «Kunst im öffentlichen Raum Basel-Stadt» wieder, das die Kunsthistorikerin Isabelle Zürcher im Auftrag der Abteilung Kultur verfasst hat: «Nebst einem vom Regierungsrat jährlich bewilligten Kredit reservierte der Stadtkanton 1946 zwischen 0,5 und 2 Prozent des Gesamtbudgets bei staatlichen Bauvorhaben für künstlerische Zwecke», heisst es dort.

Untransparente Praxis

Dieses «Kulturprozent» wird auch im Basler Kulturleitbild erwähnt, das 2012 veröffentlicht wurde. Auch wenn in diesem Papier von einer «Verpflichtung» die Rede ist, eine verbindliche Regelung scheint dieses «Kulturprozent» nie gewesen zu sein.

Und seit längerer Zeit entspricht es auch bei Weitem nicht mehr der Praxis, was die aktuellen Zahlenbeispiele bestätigen. «In den beiden vergangenen Jahrzehnten kam dieses Prinzip aber nicht mehr systematisch zur Anwendung, was von der Künstlerschaft zu Recht bemängelt wird», ist denn auch im Basler Kulturleitbild zu lesen.

Das Bau- und Verkehrsdepartement bestätigt, dass die Ein-Prozent-Regel schon seit langer Zeit nicht mehr Praxis sei. «Es wird immer projektweise geprüft, wo was möglich und sinnvoll ist», sagt Departementsprecher Marc Keller.



Badetücher von Peter Brunner-Brugg für die Schwimmhalle Rittergasse

Badetücher von Peter Brunner-Brugg für die Schwimmhalle Rittergasse (Bild: baselkultur.ch/Serge Hasenböhler)

Auch die Regierung schreibt in der Antwort auf die schriftliche Anfrage Lüchingers: «Die regelmässigen Ausschreibungen des Kunstkredits waren oft von situativen Gegebenheiten und individuellem Engagement geprägt.»

Das ist der Basler Künstlerschaft zu vage. Sie pocht nicht zuletzt aus eigenen Interessen darauf, dass ein fixer Prozentsatz wieder zur Anwendung gelangt.

«Die Mittel, die für für Kunst und Bau eingesetzt werden, sind Teil der Existenzbasis für uns Künstlerinnen und Künstler. Klar, dass wir uns für verbindliche Regelungen stark machen», sagt Peter Bunner-Brugg. Er hat auf Anregung der Abteilung Kultur eine Arbeitsgruppe mit Künstlern, Architekten und Kunstwissenschaftler ins Leben gerufen mit dem Ziel, mögliche Modelle für ein neues Regelwerk für Kunst und Bau zu diskutieren.

Auf der politischen Traktandenliste

In die gleiche Richtung stösst auch Grossrat Martin Lüchinger mit seinem Vorstoss. Er bittet darin den Regierungsrat, zu prüfen, ob er gewillt sei, «transparente Kriterien für Kunst am Bau für Neu- und Umbauten auszuarbeiten und in einem Reglement oder einer Verordnung zu fixieren».

Allerdings will Lüchinger die Exekutive nicht auf einen fixen Prozentsatz festlegen. Er denkt an einen «flexiblen Ansatz», der vom Umfang des Bauprojekts abhängig gemacht werden könnte.

Der Vorstoss wurde vom Grossen Rat noch nicht behandelt. In seiner Antwort auf die schriftliche Anfrage schreibt der Regierungsrat aber, dass «die Chance genutzt werden soll, die heutige, historisch gewachsene Beschaffungs-, Bewirtschaftungs- und Finanzierungspraxis auf eine neue Basis zu stellen».

Vorbild Zürich

Wie dies geschehen soll, ist aber noch völlig offen. Lüchinger erwähnt in seiner schriftlichen Anfrage als Vorbild die Praxis der Stadt Zürich, wo bei Neubauten, Umbauten und Sanierungen im Kostenvoranschlag 0,3 bis 1,5 Prozent der Anlagekosten ohne Land für Kunst reserviert sind.

Tatsächlich ist die Stadt Zürich Basel hier einen grossen Schritt voraus. Allein schon durch die Tatsache, dass eine dem Hochbauamt angegliederte Fachstelle mit vier Mitarbeiterinnen, die sich 200 Stellenprozente teilen, existiert, die in Zusammenarbeit mit externen Kuratoren die Kunst-und-Bau-Projekte bearbeitet und begleitet. «Das ist eine Situation, die uns mit viel Neid nach Zürich blicken lässt», sagt Katrin Grögel, die als Beauftragte für Kulturprojekte in der Basler Kulturabteilung auch für den Kunstkredit zuständig ist.

Interessant und nachahmenswert an der Zürcher Praxis findet Grögel überdies die Tatsache, dass Kunst und Bau dort nicht nur mit fixen Werken verbunden ist, sondern auch temporäre Kunstaktionen wie Performances oder Aktionen mit neuen Medien beinhalten kann. «Ein zeitgemässes Konzept für Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum sollte der bereits seit den 1960er-Jahren virulenten transdisziplinären und medienübergreifenden Praxis vieler Kunstschaffender Rechnung tragen», meint Grögel.

2015/2016 feiert Visarte, der Schweizer Berufsverband visuelle Kunst, seinen 150-jährigen Geburtstag und lanciert den Prix Visarte – eine Auszeichnung für hervorragende Werke aus den Bereichen Kunst und Bau sowie Kunst im öffentlichen Raum. Die Eingabefrist läuft noch bis Ende April, die Bekanntgabe der Preisträger folgt am 1. September 2015.

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