Sie zweifelten noch am Abend selber an sich, wurden aber mit dem Juryentscheid ermutigt, weiter zu machen: Sheila She Loves You holen den mit 15’000 Franken dotierten Basler Pop-Preis. Der Publikumspreis geht an den Schweizer Rap-Pionier Black Tiger, das Label Lux.-Noise erhält den Business Support.
Wenn sich im November ein Mittwoch wie Wochenende anfühlt, dann heisst das, dass die Verleihung des Basler Pop-Preises ansteht, wo sich Musiker, Förderer und Szene-Aficionados an der Kasernen-Theke treffen und im Rossstall Reden lauschen. Heuer waren drei gestandene Musiker und zwei jüngere Formationen im Rennen: Pink Pedrazzi, Black Tiger und James Gruntz (zum rekordverdächtigen vierten Mal nominiert, daher gestanden) sowie die Bands We Invented Paris (Publikumspreis 2012) und Sheila She Loves You.
And the award went to: Sheila She Loves You. Ausgerechnet an jene Band, die sich bei den vorgängigen Interviews mit Moderatorin Katja Reichenstein am wortkargsten gab. Das verlegen wirkende Quintett, das bei Fragen herumgedruckst hatte, ging am Ende als Sieger hervor.
Der Entscheid fiel nicht einstimmig, wie Jurysprecher Jean Zuber (Swiss Music Export, Schtärneföifi) offenbarte. Man habe lange und intensiv diskutiert. (Zur Jury gehörten DRS3-Redaktor Christoph Alispach, Produzent Thomas Fessler, Bad Bonn-Veranstalter Daniel Fontana und Musikjournalist Nick Joyce). Am Ende einigte man sich auf eine Gruppe, «die in diesem Jahr eine sehr gute CD veröffentlicht hat.»
«Sorry» für die Selbstreflexion
«Sorry» heisst das erwähnte Album, und die Entschuldigung, die im Titel anklingt, kann auf vielseitige Weise interpretiert werden. Sorry für das lange Warten nach dem gefeierten Debüt, mit dem Sheila She Loves You vor drei Jahren aufhorchen liessen. Sorry auch an die Adresse jener Fans, die ungern auf die unbeschwerte Leichtigkeit der Band verzichten wollten. Sorry vielleicht auch zu sich selber, weil sie sich mit ihren eigenen Zweifeln das Leben schwer machten. Das bestätigte Sänger und Songwriter Joachim Setlik im Anschluss. War er noch zu Tränen gerührt auf der Bühne und dermassen perplex, dass ihm keine klare Aussage zu entlocken war, so fand er im persönlichen Gespräch passende Worte für das unglamouröse (aber glaubwürdig verschupfte) Verhalten vor der versammelten Szene: «Ich mag kein Bild vermitteln, das nicht der Wahrheit entspricht. Und die Zweifel, die Selbstreflexion haben uns in letzter Zeit geprägt», sagt der 23-Jährige.
Die Psychohygiene, die bei Sheila She Loves You auch in grüblerische und dunkle Popsongs mündet, ist im Frühjahr auf dem Basler Label Anker Platten veröffentlicht worden. Sie sei für jenen Prozentsatz an Menschen, die gleich fühlen würden, erzählt Setlik weiter. Der Prozess, diese Isolation von Seele und Physis in Musik zu verwandeln, war anstrengend. Und der Druck von aussen, vom Business, gross. Was dazu führte, dass die Band im Sommer bereits von neuen Zweifeln heimgesucht wurde. Da kommt dieser Preis, diese Wertschätzung zum richtigen Zeitpunkt, als Ansporn und als Zeichen, dass sie offenbar eine Verbundenheit herstellen konnten. «Schön zu spüren, dass andere an uns glauben», sagt Setlik, sichtlich erleichtert.
(Bild: Marc Krebs)
Über grosse Verbundenheit konnte sich an diesem Abend auch Black Tiger freuen. Der Pionier des Mundartrap wurde mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. Mehr als die Hälfte der insgesamt 1000 Stimmen seien an seine Adresse gegangen. Auch für ihn eine Ehrung, die zum richtigen Zeitpunkt kommen dürfte, war er doch nach dem Monsterprojekt «1 City 1 Song» und seinem Master-Abschluss völlig ausgepumpt.
Damit nicht genug: Auch ein musikalisches KMU wurde an diesem Abend geehrt. Der Business Support in Höhe von 12’000 Franken ging an das Label Lux.-Noise um Gründer Michael Hediger. Ihn und seine Labeltätigkeit haben wir schon vor einem Jahr ausführlich gewürdigt.
Politik und Patentschutz
Zuvor hatte RFV-Präsident Poto Wegener die Anwesenden aufgerüttelt und die FDP abgemahnt: Diese will mit einer parlamentarischen Initiative die Abgabe der Leerträgervergütung aufheben. Der RFV-Präsident, der seine ehrenamtliche Aufgabe bei solchen Gelegenheiten mit seiner beruflichen (Direktor der Swissperform) kombiniert, prangerte die geplante Umverteilung der FDP an, die den Musikschaffenden Geld wegnehmen und dieses Firmen wie Apple und Samsung schenken würde. Rund 12 bis 15 Millionen Franken Mindereinnahmen wären gemäss Wegener die Folge, weshalb er die Anwesenden dazu animierte, eine Protestnote zu unterzeichnen. Im gleichen Atemzug lobte er einen FDP-Politiker, der sich in dieser Frage gegen die eigene Partei positioniert hat: Daniel Stolz, der Basler Nationalrat, der als RFV-Vorstand entweder gelungen bearbeitet worden ist – oder aber bereits aus ureigenem Antrieb dagegen war.
Auch Conradin Cramer, der als Grossratspräsident die Grüsse des offiziellen Basel überbrachte, führte Pop und Politik rhetorisch zusammen – und verglich das Urheberrecht mit dem für unsere Region wirtschaftlich bedeutenden Patentschutz. Zudem gratulierte er zum Preissegen und zur Aufmerksamkeit, die an diesem Abend allen nominierten Exponenten zugute kam.
Wo bleiben die Frauen?
Bleibt noch die Frage, warum die Exponentinnen heuer gar kein Thema waren. Mit Anna Rossinelli, Nicole Bernegger und Ira May haben drei Sängerinnen ebenso aufhorchen lassen wie die Männerbünde. Aber keine wurde nominiert. Das ist bedauerlich und auch ein bisschen rätselhaft, ebenso der Umgang des RFV mit seinem langjährigen Mitarbeiter Dänu Siegrist (der viel geleistet hat, auf der Website aber kürzlich in allzu knappen Sätzen – und für uns überraschend – verabschiedet wurde), oder der Umgang mit der Tatsache, dass für einmal nicht die Vorjahressieger ein Ständchen gaben, sondern die letzten Publikumspreisträger (We Invented Paris).
Tatsächlich wurde krampfhaft vermieden, Slag in Cullet zu erwähnen, die Poppreisträger 2012, die sich unterdessen aufgelöst haben. Nun, sowas kommt vor. So tunlichst aber eine offene Kommunikation am Anlass in der Kaserne vermieden wurde, machte es den Anschein, als vergesse der RFV, wofür das «R» in seiner Abkürzung steht: Für Rock’n’Roll. Und bei diesem gehört das Scheitern ebenso dazu wie das Feiern. Das darf man ruhig beim Namen nennen.