Tambouren und Pfyffer stimmen den «Unggle Sam» an. Sie tragen traditionelle Zugkostüme wie die «Alti Dante» oder den «Ueli». Hinter ihnen marschieren über ein Dutzend Cliquen mit allerlei Requisiten.
Nein, hier kommt nicht «wie die alte Fasnacht» ein Bericht vom letzten März daher. Hier ist vom 17. November in Prag die Rede. Unter den Larven stecken Greenpeace, eine Bürgerinitiative, Schulklassen und Studentengruppen. Ihre Sujets sind bissig bis bitter: sexuelle Übergriffe, Obdachlosigkeit oder verschmutzte Ozeane. Die Polizei eskortiert den Cortège.
Wo wir da sind? Man erinnere sich: Eine Horde wilder Tiere hat an den vergangenen «drey scheenschte Dääg» das Comité per Petition um fasnächtliche Entwicklungshilfe gebeten. Das war die tschechische «Schluuchgugge», die bereits zum dritten Mal in Basel zu Gast war.
Die Bitte der «Schluuchgugge» war aber eigentlich ein Angebot: dass die Bebbi bei der Fasnacht in Prag, dem «Sametové Posvícení», herzlich willkommen seien.
Das wiederum liessen sich die «Opti-Mischte» nicht zweimal sagen. 17 «Aggtive» vom Stammverein packten vorletzte Woche tatsächlich Larven, Piccolos und Trommeln ein, um an der Moldau einzustehen.
Allerdings war es nicht wirklich jene Petition ans Comité, die diesen Fasnachts-Austausch veranlasste. Viel mehr war es der Dokumentarfilm «Unter der Larve der Finsternis», der die Filmemacherin Viola Ježková beim diesjährigen «Ladäärne-Yypfyffe» zeigte. Darin stellt sie die Basler Fasnacht und ihr tschechisches Pendant einander gegenüber.
Bissige Satire
Lars Müller, Tambourmajor der «Opti-Mischte», schaute sich den Film an und war sofort begeistert von der Prager Satirekunst. An der «Aggtive-Versammlig» im Frühling schlug er dann die Exkursion nach Tschechien vor. Am 17. November war es schliesslich so weit. Die Delegation der «Opti-Mischte» trat beim «Sametové Posvícení» als Speerspitze des bunten Zugs auf.
Den Anlass gibt es seit sechs Jahren. Er wird zum Gedenken an die Studentenproteste von 1989 zelebriert, welche die «Samtene Revolution» auslösten, und ist eine eigenwillige Mischung von Fasnacht und politischer Demo-Performance. Kostümierte Bebbi waren dort schon öfter zu Gast. Im Laufe der Jahre haben sich Freundschaften zwischen den beiden Städten etabliert. Dass aber gleich eine Stammclique teilnimmt, das ist ein Novum.
«Auch die Prager konnten so etwas von der Mystik der Basler Fasnacht erleben», sagt Olga Cieslarová. Sie ist Mitbegründerin des «Sametové Posvícení», Pfeiferin und Stammgast in Basel – und quasi die Mutter dieses Austauschs zwischen den beiden Städten. Dass gerade ein Hauch von Basler Fasnacht, die ihren Anlass einst inspiriert hatte, den Cortège über die Karlsbrücke anführte, fand sie besonders schön.
Cieslarovás «Schluuchgugge» spielte dieses Jahr als (Zeitungs-)Enten das Sujet «Fake News» aus. Auch bei anderen Gruppen bekam die tschechische Politik ihr Fett ab. Eine mit Würsten und Berlinern bestückte Figur persiflierte etwa den Milliardär und populistischen Politiker Andrej Babiš, der sich immer wieder mit Lebensmittelgeschenken aus seinen Firmen beim «kleinen Mann» anbiedert.
Verflogene Freiheitseuphorie und Polit-Verdrossenheit: Zu all dem will die «Prager Fasnacht» einen kreativen Gegenpunkt setzen. Dabei fällt der Humor noch etwas bissiger aus als in Basel, wie Tambourmajor Lars Müller aufgefallen ist. «Bei uns wollen viele einfach schön sein, dort geht es in erster Linie um eine Aussage.»
Tatsächlich fehlen die «lieblichen Sujets». Dafür fand Müller in Prag umso mehr von der düsteren Seite des närrischen Treibens, die eben auch ein fester Bestandteil der Basler Fasnacht ist – und für die auch die «Opti-Mischte» mit ihren oft nachdenklich stimmenden, politischen Sujets bekannt sind. So ist Lars Müller denn auch sehr zufrieden mit der Reise nach Prag: «Das ist es, was für mich Fasnacht bedeutet.»