Béatrice Goetz wird mit dem Schweizer Tanzpreis geehrt

Die Baslerin Béatrice Goetz hat mit Beharrlichkeit und künstlerischer Power viel bewegt. Jetzt wird sie mit dem Schweizer Tanzpreis ausgezeichnet. Ein Porträt.

Béatrice Goetz erhält für ihr langjähriges Schaffen die verdiente Anerkennung.

(Bild: Alexander Preobrajenski)

Die Baslerin Béatrice Goetz hat mit Beharrlichkeit und künstlerischer Power viel bewegt. Jetzt wird sie mit dem Schweizer Tanzpreis ausgezeichnet. Ein Porträt.

Für Kulturschaffende bedeuten finanzielle Unterstützung und Einladungen ins Ausland eine Bestätigung. Mit Auszeichnungen verhält es sich genauso. «Man braucht einfach Feedback von aussen», sagt die Basler Choreografin Béatrice Goetz und fügt selbstkritisch an: «Da sind immer auch Zweifel am eigenen Tun: Ist das jetzt Kunst, was ich mache?» Nun erhält sie die verdiente Anerkennung: Für ihr Stück «bits C 128 Hz» verleiht ihr das Bundesamt für Kultur einen der vier Schweizer Tanzpreise in der Kategorie «Aktuelles Tanzschaffen».

Ausgezeichnet wird mit diesen 25’000 Franken in erster Linie ihre letzte Arbeit. Tatsächlich stehen aber auch ihre grosse künstlerische Leistung als Choreografin sowie ihr langer Atem und ihr als Leiterin der Mir Compagnie bewiesener Mut im öffentlichen Fokus. «Mir» steht für «Motion in Relation», Bewegung in Beziehung. Wer stattdessen an die frühere russische Weltraumstation MIR denkt, liegt aber auch nicht falsch. Als Kind und Jugendliche habe sie keinen im Fernsehen übertragenen Raketenstart verpasst, sagt Goetz. Ihr Humor blitzt durch, wenn sie erzählt, dass sie wegen ihrer Flugangst schliesslich doch nicht Astronautin geworden sei. Auch im Tanz lässt sich nach den Sternen greifen.

Berührungsängste kennt sie nicht

2002 gründete sie ihr eigenes Ensemble, obwohl sie – damals noch Tänzerin im Cathy Sharp Ensemble – lange geglaubt hatte, sich nie eine solche Verantwortung aufhalsen zu wollen. Sie tat es doch, nachdem sie mit vier jungen Breakdancern eine erste Choreografie auf die Theaterbühne gebracht hatte. Das Echo darauf war sehr positiv, und Goetz kam auf den Geschmack: Begeistert von dieser Erfahrung, wollte sie weitermachen, zeitgenössischen Tanz mit Breakdance zusammenbringen. Eine Idee, mit der sie vor 15 Jahren allein dastand in der Schweiz. Was weiter folgte, war eigentliche Pionierarbeit.

«Im urbanen Tanz wie Breakdance oder Hip-Hop erkannte ich eine Öffnung, einen frischen Wind.»

«Für mich persönlich war der zeitgenössische Tanz an Grenzen gestossen», sagt Goetz. «Im urbanen Tanz wie Breakdance oder Hip-Hop erkannte ich eine Öffnung, einen frischen Wind.» Ihr gefielen das Sportive in den Battles und die kühnen akrobatischen Bewegungsformen. «Das Moment der Unterhaltung und dieser direkte, lustvolle Umgang mit dem Körper imponieren mir», schwärmt sie. Auch wenn Goetz’ Arbeitsweise und diejenige der Breakdancer sich in der Improvisationslust trafen, gab es in der Zusammenarbeit manchen Stolperstein. Die Kulturen waren doch sehr verschieden. Vor allem der künstlerische Anspruch der zeitgenössischen Tanzschaffenden war den urbanen Tänzern am Anfang fremd.

In «Lila», die erste Produktion der neu gegründeten Mir Compagnie, warf Goetz ihren Ehrgeiz und alle verfügbaren Ideen. Es sei ein Experiment gewesen, wie sie heute schmunzelnd meint. Am renommierten Festival «Welt in Basel» 2002 hatte die Compagnie den grössten Publikumsaufmarsch zu verbuchen, musste leider aber auch extrem schlechte Kritiken erdulden. «Das Scheitern brachte uns letztlich weiter. Wir gingen auf Spur und fanden Tritt», sagt Goetz.

Entscheidend dafür war auch, dass neue Leute dazustiessen, Breakdancer aus der Zürcher Szene. Erstmals tanzten auch Frauen mit. Und Björn Meier alias BUZ wurde zu einem wichtigen künstlerischen Weggefährten der Choreografin. Bis heute fehlte er in keinem ihrer Stücke.

«Bevor du unterschiedliche Stile verbindest, musst du ihre spezifische Bewegungsqualität kennen; hierarchische Wertungen gibt es bei mir nicht»

Überhaupt spielt das Team bei Goetz eine wichtige Rolle. Sie ist ein ausgesprochener Gruppenmensch und holt sich ihre Inspiration aus der Zusammenarbeit mit anderen Kunstschaffenden, seien es Musiker, DJ’s, Regisseure oder ihre Tänzerinnen und Tänzer. Von allen spricht sie mit Begeisterung und grossem Respekt.

«Bevor du unterschiedliche Stile verbindest, musst du ihre spezifische Bewegungsqualität kennen; hierarchische Wertungen gibt es bei mir nicht», sagt sie. Sie hat selber Unterricht in urbanem Tanz genommen. Nur so könne sie verstehen, wie eine House-Tänzerin oder ein Breakdancer funktionieren, und ihnen choreografische Anweisungen geben.

Vom Sportplatz auf die Bühne 

Vor ihrem Tanzstudium, spielte Goetz leidenschaftlich Basket- und Fussball. Den tiefen Wunsch, Tänzerin zu werden, verlor sie dabei nie aus den Augen. Zuerst einmal aber wurde sie Sportlehrerin: «Ich komme aus einer Arbeiterfamilie, und da wurde erwartet, dass man mit 20 auf eigenen Beinen steht.»

Die Tanzausbildung musste sie sich selber finanzieren. Zu jener Zeit – die Choreografin hat Jahrgang 1959 – ging man für die Profiausbildung in die USA. Für Goetz war das zu teuer, und so hängte sie an die Ausbildung zur Sportlehrerin noch eine in Gymnastik an. Ausserdem machte sie einen Abschluss im Basler Tanzstudio von Marianne Forster. Sie hatte Glück und erhielt einen Lehrauftrag für Gymnastik und Tanz an der Uni Basel. Damit war sie erst mal finanziell abgesichert.

Die beiden ersten Tage der Woche unterrichtete sie als Dozentin in Basel. Am Mittwoch nahm sie den Zug nach Köln, wo sie im Ensemble von Maja Lex probte und auftrat, fünf Jahre lang ohne grössere Pausen. Wie nur schafft man einen solchen Kraftakt? «Ich war oft todmüde», erinnert sich Goetz, «aber sehr ehrgeizig, da ich spät mit Tanzen angefangen hatte. Und ich habe es geliebt, auf der Bühne zu stehen.»

Arbeit mit Kindern und Jugendlichen

Die legendäre Maja-Lex-Gruppe, ein Nachfahrin des deutschen Ausdruckstanzes, ist schliesslich auseinandergefallen. Goetz ist – neben ihrem künstlerischen Engagement – nach wie vor am sportwissenschaftlichen Institut der Uni Basel tätig.

Und sie hat, so nebenbei, eine «mini miR» gegründet: Jeweils ein Jahr lang erarbeiten Primarschüler gemeinsam mit professionellen Tänzerinnen ein Stück, das jeweils in der Kaserne Basel zur Aufführung kommt. Auch das ist ein erfolgreiches Projekt.

Béatrice Goetz scheint mit unendlich viel Energie gesegnet zu sein. Neben den bisherigen sieben Produktionen mit ihrer Compagnie arbeitet sie seit vielen Jahren im Jugendclub am Theater Basel mit. Dort hat sie auch «Education-Projekte» mit der Sinfonietta und dem Kammerorchester umgesetzt und Regie geführt.

Jede neue Arbeit bringt sie mit neuen Ideen und Menschen in Kontakt. In all den Jahren ist ein dichtes soziales und künstlerisches Netzwerk entstanden. Goetz liebt Herausforderungen, sie halten wach und führen zu unerwarteten Resultaten: «Ich fange jedes Mal wieder wie neu an.» Sagt es und lacht ihr unbändiges Lachen.

Höchste Zeit, dass dieses kreative Kraftwerk von einer Frau endlich mit einem grossen Preis gewürdigt wird.

Trailer zum ausgezeichneten Stück «bits C 128Hz» der Mir Compagnie:

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Die Preisübergabe findet am Freitag, 16. Oktober, in Fribourg statt.

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