Heute geht alles sehr schnell: Ein Griff zum Smartphone, ein Klick, und das Bild ist im Kasten. In den Anfangszeiten der Fotografie im 19. Jahrhundert war das anders. Die Fotoapparate waren unhandlich, die Belichtungszeiten lang, und die Glasnegative wollten sorgfältig behandelt werden. Zudem war Fotografieren ziemlich kostspielig.
Als Betreiber eines Fotoateliers oder einer Reproduktionsanstalt liess sich mit etwas Geschäftssinn dennoch Geld verdienen, wie das Beispiel von Adolphe Braun (1812–1877) zeigt. An diesen französischen Fotopionier und erfolgreichen Unternehmer erinnert gegenwärtig das Musée Unterlinden in Colmar mit einer Sonderausstellung.
Adolphe Braun, in Besançon geboren und in Mülhausen aufgewachsen, liess sich in Paris zum Zeichner und Designer ausbilden. 1843 kehrte er ins Elsass zurück und arbeitete zunächst im Textildruck-Unternehmen Dollfuss-Ausset in Dornach bei Mülhausen als Chef-Musterzeichner. Vier Jahre später erwarb er in Dornach ein Anwesen und begründete dort zusammen mit seinem Vater Samuel und seinem Bruder Charles ein Fotostudio.
In der Folge nahm Braun um die 300 bis 400 Fotos von Blumenarrangements auf. Die Motivwahl lag auf der Linie von Brauns bisheriger Tätigkeit als Gestalter floraler Muster. Denkbar ist, dass die Aufnahmen anfänglich auch als mögliche Vorlagen für Stoffdruck-Muster angefertigt wurden.
Als Braun seine Fleurs photographiées an der Pariser Weltausstellung von 1855 zeigte, waren die Besucher von ihnen begeistert und die Jury zeichnete sie mit einer Silbermedaille aus.
Vom Erfolg beflügelt, gab Braun darauf seinen angestammten Beruf auf und widmete sich nur noch der Fotografie. Er selbst, sein Sohn Gaston und bald eine ganze Reihe von Fotografen lichteten im Laufe der Jahre alles ab, was der Bürger in der guten Stube gerne ansah oder an die Wand hängte: Landschaften, Monumente, Schweizer Trachtenfrauen, fremde Länder, Kunstwerke, Porträts und anderes mehr.
Die Fotografien der Schweizer Trachtenfrauen entstanden im Atelier vor gemaltem Hintergrund. Die Berge und Gletscher liessen sich nicht ins Studio holen. Um diese aufzunehmen, mussten die Fotografen mit Stativ und Apparat ins Gebirge steigen – was ganz schön anstrengend sein konnte.
Linse versus Pinsel
Bei der Wahl ihrer Motive liessen sich die Fotografen der Firma Braun wiederholt von der Malerei inspirieren, sei es bei der Inszenierung von Gebirgslandschaften oder bei den Aufnahmen orientalischer Fantasien, die sie 1869 aus Ägypten nach Hause brachten.
Alles andere als pittoresk wirken dagegen die Bilder der Zerstörung aus dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, der aus der französischen Firma vorübergehend eine deutsche machte.
Ein zentrales Geschäftsfeld Adolphe Brauns war die Reproduktion von Kunstwerken aus öffentlichen und privaten Sammlungen. Seine hervorragenden Kenntnisse der neuartigen Verfahren machten seine Firma zum grössten Anbieter Europas. Weil diese Verfahren hohe Auflagen und damit günstigere Preise ermöglichten, konnte sich nun ein breites Publikum den Kauf erstklassiger Reproduktionen leisten.
Filialen in der halben Welt
Zu den ab 1869 in Dornach bei Mühlhausen eingerichteten Produktionsstätten kamen Filialen in Paris, New York, St. Petersburg und weiteren Grossstädten. Das Unternehmen Braun & Cie blieb während mehr als 100 Jahren in Familienbesitz. 1968 wurde es vom Druckereikonzern Chaix-Desfossés-Néogravure übernommen, der allerdings nur die Druckerei weiterbetrieb. Diese ging 1980 an die deutsche Mediengruppe Burda.
Glücklicherweise wurden 1968 die Negativplatten – anders als ein Grossteil der alten Geschäftsunterlagen – nicht «entsorgt», sondern gelangten in den Besitz mehrerer Museen, darunter das Musée Unterlinden, in dessen Sonderausstellung nun mehr als 200 Originalaufnahmen zu sehen sind.
«Das fotografische Abenteuer Adolphe Braun». Musée Unterlinden, Colmar (bis 14. Mai 2018). Im Verlag Schirmer/Mosel ist eine reich bebilderte Begleitpublikation in deutscher oder französischer Sprache erschienen.