Ein einmaliges Erlebnis: Anna Aarons Comeback an der BScene

Ein riskanter Auftritt gerät zum Triumph: Anna Aarons Auftritt zum Abschluss des ersten Konzertabends setzt einen Höhepunkt der Festivalgeschichte. 

Kurz vor der Entrückung: Anna Aaron bescherte dem BScene-Publikum ein selten schönes Konzerterlebnis.

Das Konzert von Anna Aaron in der Kaserne war ein Hochrisikospiel für alle Beteiligten. Von der Musikerin erforderte es Mut, nach zwei Jahren Konzertabstinenz ganz alleine um ein Uhr nachts die grosse Bühne zu betreten. 

Dann, wenn das Publikum schon bierseelig und der Hunger auf neue Musik nach drei bis vier vorangegangenen Konzerten gestillt ist. 

Darum stellt ein Veranstalter um diese Zeit meist eine bekannte Band auf die grösste Festivalbühne, deren Songs und Show zur fortgeschrittenen Partylaune passen. 

https://tageswoche.ch/form/interview/anna-aaron-ich-steckte-in-einer-veritablen-krise/

Dieser Stimmungsgarant ist Anna Aaron nicht. Klar haben viele von ihr gehört – zumindest den Namen. Ihre Musik aber schätzen wohl nur das gute Hundert Leute, die zum Konzertanfang in der Tausender-Halle vor der Bühne stehen.

Die neuen Songs kennen auch sie nicht. Anna Aaron versucht gar nicht erst, die treuen Fans mit ein paar Klassikern gewogen zu stimmen. Sie spielt neue Stücke mit elektronischen Klängen und ungeraden Beats aus der Box, scheinbar verschoben zum Gesang und genau darum ein fein verwobener Klangteppich, der immer mehr Leute anlockt.  

Ein, zweimal überdreht sie die Knöpfe der Synthies und Soundboxen, so dass der Mann am Mischpult gegensteuern muss. Aber das neue Soundkleid sitzt bestens – auch bei «Stellarling», dem ersten bekannten Song, den Aaron als viertes Stück spielt. 

Mit diesem Stück kommen Publikum wie Aaron so richtig rein ins Konzert. Später spielt sie mit «King of the Dogs» und «Mary Ruth» noch zwei ihrer frühen Songs im Elektro- statt Amish-Gewand. Es steht den Songs grossartig. 

Doch entzücken den Schreiber vor allem die unbekannten Songs. Schön kann man neue Musik wieder einmal zuerst live entdecken. Das versetzt ihn in eine Stimmung aus Neugier und Staunen, wie er sie bei Konzerten schon lange nicht mehr erleben durfte. 

Man will Anna Aaron als Hohepriesterin preisen, die Blitz und Donner ins Publikum wirft.

Man steht kurz vor der Entrückung und will in Lobpreisungen zwischen Esoterik und Mythologie verfallen, in denen man Anna Aaron als Hohepriesterin am Altar überhöht. Eine, die mit zuckenden Händen Blitz und Donner ins Publikum wirft und dazu mit gespaltener Zunge mal singt wie PJ Harvey, dann einen Song sprechend vorträgt wie Patti Smith. Doch dann bricht sie das aufkommende Pathos selber, in dem sie «In the Air Tonight» von Phil Collins singt. 

Der prägnante Drumroll über die Toms bringt einen grinsend auf den Boden der Realität zurück. Anna Aaron kann sogar das. «Besser als das Original», kommentiert der Begleiter trocken. Euphorisch kann man den Song in jene Kategorie der Coverversionen einordnen, in die auch «One» von U2 gehört – ein grossartiger Song, der aber erst in der Interpretation von Johnny Cash hörbar wurde.

Zurück zu Anna Aaron. Die Stunde ihrer Rückkehr war zu kurz. Doch trotz langem Applaus und Zugabe-Rufen der letztlich gut gefüllten Halle gibt es keinen Nachschlag. Als Trost soll bald das neue Album «Pallas Dreams» erscheinen. Danach folgen bestimmt noch mehr Konzerte, dann mit einem Drummer.

Nur eine Frau hinter der Tastenburg. Aber das bot mehr als genug.

Doch genau das Fehlen des Schlagzeugers macht das Konzert noch exklusiver – ein einmaliges Erlebnis, das man nur an der BScene erleben konnte. Genau das, was ein Festival braucht, um sich von anderen abzuheben.

Verlor letztes Jahr Headliner Dillon zur selben Zeit, trotz Chor, Band und aufwändiger Lichtshow ihr Publikum, schaffte es nun eine lokale Künstlerin, frei von Schnickschnack, dass sich ein wachsendes Publikum zu später Stunde auf die Musik fokussiert und nicht nur sich selbst feiert. Da lockte keine Show, nur eine Frau hinter einer Tastenburg, die hin und wieder einen Arm streckte oder entrückt nach oben blickte. Das Spektakel war die Musik. 

Ein Glücksfall für die BScene, die im Ursprungsgedanken eine Szeneschau ist, dass Basel heute Künstlerinnen hat, die ein solch kleines Wunder bewirken können. Das Risiko hat sich für alle gelohnt. Gerne mehr davon.

https://tageswoche.ch/kultur/vom-schulhaus-ins-sud-mit-den-weird-fishes-der-bscene/

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