Vom Schulhaus ins Sud: Mit den Weird Fishes an der BScene

Ihre Fans wählten Weird Fishes an die BScene. So haben endlich auch die Mütter eine Chance, Basels ambitionierte Newcomer live zu erleben. Wir haben sie zu ihrem Auftritt im Sud begleitet.

Der Schlussapplaus fällt laut, lang und herzlich aus: Weird Fishes im Sud.

Zugaben dürfen sie trotz lautem Schlussapplaus keine spielen. Der gemischte Fünfer hat im Sud nicht nur die Fankurve zum kreischen gebracht. Weird Fishes haben auch den Moderator als Fan gewonnen. Er verneigt sich vor den Newcomern, sie sich vor dem Publikum. Das erste Konzert, das die junge Band nur mit eigenen Songs bestritten hat: Ein Erfolg. 

Die Songauswahl. Darum drehte sich während der letzten Bandprobe die Diskussion der Band. Wie holt man das Publikum, wie hält man es, wie steigert man die Stimmung. Sollen sie «Seven Nation Army» von den White Stripes einbauen, ein Gassenhauer, den selbst unmusikalische Fussballfans mitgrölen können? Saxophonistin Lisa Studer plädiert für einen eigenen Song: «Wir müssen uns treu bleiben – weird bleiben!» 

Im Proberaum: v.l.: Max, Lisa, Konni.

Mit diesem Argument überzeugt sie die Zweifler. Selbst wenn ihre Version ausser dem Intro nichts mit dem Original gemein hat. Weird Fishes haben zwar mit fremden Songs angefangen, als Schulhausband von fünf Gymnasiasten mit Schwerpunkt Musik am Leonhard, gegründet und gefördert vom Musiklehrer: «Markus Schmid – der Name muss unbedingt rein», fordern sie unisono. 

Streberhaftes Nachspielen war nie ihr Ding: Nine Inch Nails‘ «Hurt» bekam einen beschwingten Reggae-Beat, aus Nina Simones «Feeling Good» wurde derber Dubstep.

Nur vier Songs passen in das halbstündige Set, dabei hätten sie Material für eineinhalb Stunden.

«Unterdessen haben wir fast alle Coversongs durch eigene ersetzt», sagt Bassist Konstantin «Konni» Aebli. Auch die Eigenkompositionen sprengen jedes Stilkorsett. Im Jazz und Funk daheim, hüpft die Band mit jugendlicher Spielfreude vom flinken Tastenintro über eine gerade Rockpassage in einen Refrain mit einem Hauch Hippie à la «Hair», um nach einem Drum-Solo mit abruptem Break wieder im Funk zu landen – weird halt und ausufernd.

Nur vier Songs passen in das halbstündige Set an der BScene. «Die Spielzeit ist enttäuschend», resümiert die Band bei der Rauchpause im Garten. Gut eineinhalb Stunden könnten sie spielen – die Hälfte davon hätten sie schon erwartet. 

So wie bei den anderen Konzerten im Hirschi, Badhüsli, Sommercasino, Volkshaus oder am JKF – kaum eine Basler Konzertadresse, welche Weird Fishes in nur eineinhalb Jahren Bandgeschichte nicht bespielt haben. Schlagzeuger Lucas «Luci» Zibulski sagt: «Umso mehr freuen wir uns auf den Auftritt an der BScene im Sud. Viel live Musik wird hier ja nicht mehr gespielt. Das macht es noch exklusiver.»

Drummer Lucas gibt auch im Keller vollen Einsatz und springt mit Songabschlag auf den Stuhl.

Ausserdem ist es für die Weird Fishes ein Heimspiel. Schliesslich hat die Band ihren Proberaum gleich um die Ecke im Hobbyraum der Familie von Konni. Man hört den Sound schon von der Strasse. «Wir haben zum Glück tolerante Nachbarn», erklärt Konnis Mutter, die beim Besuch von Journalist und Fotograf als Türsteherin, beziehungsweise -öffnerin agiert.

Trauer um Rollstuhl und Sarg

Die Band hat zum Glück Eltern mit Musikgehör. Ihr Proberaum im Schulhaus wurde geräumt – obwohl zwei Fische noch dort lernen. Und so einfach sind bezahlbare Räume für Schüler und Schulabgänger nicht zu finden.

Lisa trauert dem alten Keller bis heute nach: «Mit Rollstuhl und einem echten Sarg neben den Instrumenten hatte der Raum schon noch ein cooles Ambiente.» 

Im neuen Bandheim fällt der Blick im Entrée auf die gerahmte Siegerurkunde vom Rohes Fest Bandwettbewerb im Sommercasino, mit dem sich Weird Fishes letzte Weihnachten ihr bestes Geschenk erspielten: Zwei Tage im Studio. 

Endlich professionelle Aufnahmen

Es wird die erste professionelle Aufnahme werden. «Damit haben wir endlich was besseres für unsere Fans als die Demos aus dem Proberaum, die bisher online sind»,  freut sich Sängerin Katharina «Kathi» Schmidt. 

Denn bei aller Freude, die bei den Fünf beim inbrünstigen Proben im Keller spürbar ist: Sie machen das nicht nur für sich, sie wollen Publikum. Darum mobilisieren sie für jedes ihrer Konzerte in den sozialen Netzwerken mit einem Video.

Das funktionierte auch, um den Auftritt an der BScene zu bekommen. Weird Fishes holten einen der beiden Plätze, welche in einem Publikums-Voting via TagesWoche ausgeschrieben waren. «Bisher spielten wir fast immer ausverkaufte Konzerte», sagt Keyboarder Max Jappert nicht ohne Stolz. «Im Hirschi kam nicht mal mehr meine Mutter rein», ergänzt Luci. 

Wenn nur der Bass nicht hallt

Im Sud hat es am BScene-Abend genug Platz für alle Eltern und Fans. Eine halbe Stunde vor Konzertstart ist der Saal noch leer. Auch die Band steht draussen: Rauchen. Die jungen Musiker bibbern nicht nur der Kälte wegen. «Ich hoffe, es kommen genug, damit der Bass im Raum nicht zu sehr hallt», sorgt sich Luci um den Sound. Eine Mutter nerven die Preise: «Sind die ermässigten Schülerpreise von 29.- Franken an der Abendkasse nicht zu hoch?»

Die Frage ist berechtigt. Für Saxophonistin Lisa ist es deswegen die erste BScene, sie konnte sie in den Vorjahren den Eintritt nicht leisten. 

Doch ist das Festival kein Nachwuchsband-Wettbewerb und auch wenn vielerorts Musik gratis zu hören und sehen ist: Konzerte haben ihren Preis und Wert – und die Band, die den Abend eröffnet, immer einen schweren Stand, was den Publikumaufmarsch angeht.

Gesund gedopt für den grossen Auftritt: Saxophonistin Lisa vor dem Konzert im Sud.

«Wir müssen einfach liefern», ist das Credo der Band im Backstage: «Nach dem ersten Song werden schon noch ein paar Leute kommen!» Wirklich Sorge bereitete ihnen Lisa. Die hatte nicht nur Lampenfieber sondern lag bis vor zwei Stunden noch mit fast 40°C Fieber im Bett. Doch die Medis wirken. 

Nun pustet sie sich warm. «Ohne sie hätte ich nicht gespielt», meint Luci und legt den Kopf auf den Tisch. Er ist müde. Musste am Morgen um acht Uhr in der Schule sein.

Weird Fishes v.l.: Kathi (Vox), Max (Keys), Lisa (Sax), Luci (Drums), Konni (Bass).

Doch nicht deshalb gibt es kurz vor dem Auftritt einen Energy-Drink mit einem kleinen Schuss Vodka. Da es im Backstage keinen Schnaps gab, hat das Quintett für zwei Shots an der Bar zusammengelegt. Das Ritual muss sein. Sie pflegen es seit dem esten Konzert mit Kathi, wo sie zum Empfang der neuen Schüler morgens in der Leonhardskirche spielten. Dabei schmeckt keinem von ihnen der Drink. Zum Runterspülen greift Kathi schnell ein Bier aus dem Kühlschrank, während die anderen schon zur Bühne eilen. Den Kronkorken köpft sie mit den Zähnen. 

Einmal auf der Bühne bittet sie mit schüchtern hinter dem Rücken verschränkten Armen, das Publikum solle doch näher kommen. Es sind zwei lichte Reihen zweier Generationen: Eltern und Freunde. Doch wie prognostiziert, füllt sich der Saal mit jedem Song mehr. 

Publikumsliebling mit Fieber

Die Band spielt souverän: Groovt ohne zu hetzen, die Breaks und Solos sitzen. So kann man Kathi kontern, die im Text des zweiten Songs in allen Drama-Höhen und Tiefen das verlorene Potential beklagt: Nein, die Fünf können handwerklich aus dem vollen Schöpfen und sind daran, ihr eigenes Potential mehr und besser zu nutzen.

Lisa avanciert nach ihrem Solo in «Lost Potency» zum Publikumsliebling. Überhaupt gefällt es den Zuhörern: Der Applaus ist mittlerweile lauter als die Band, vorne wird getanzt, die Fankurve kreischt – und der Aufforderung zum Mitklatschen wird Folge geleistet.

Doch kaum ist der Zunder entfacht, geht es mit «Caviar» auch schon zum vierten und letzten Song – der heimliche Hit ihrer Fans. Weird Fishes haben an der BScene sicher neue hinzugewonnen. Der Schlussapplaus ist lange, laut und herzlich.

Die Fünf geniessen es. Doch dann heisst es schnell: Bühne räumen für die nächste Band. Bei der Zigarette danach sind dann alle entspannter wie vor dem Konzert. Nun wollen sie das Festival geniessen und ein bisschen feiern. Auch Lisa will noch weiter. 

Doch erst bringen sie das Equipment in den Proberaum um die Ecke. Heute geht das zu Fuss. Nächstes Wochenende spielen Weird Fishes dann in Bergün ihr erstes Konzert ausserhalb der Region. Der nächste Schritt in der Bandgeschichte wartet.

https://tageswoche.ch/kultur/ein-einmaliges-erlebnis-anna-aarons-comeback-der-bscene/

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