Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Grossen Rats klopfte nicht nur beim Reizthema BVB heftig auf den Tisch, auch bei der Museumsstrategie holte das Gremium zu einer Schelte aus. Wörtlich heisst es in den Ausführungen «zum Jahresbericht 2016 sowie über besondere Wahrnehmungen»:
«Für die GPK ist unerklärlich, dass das Präsidialdepartement in über sieben Jahren keine Museumsstrategie erarbeiten konnte. Sie stellt sich die Frage, ob und weshalb die Verantwortlichen nicht willens oder nicht fähig sind, die Forderung des Grossen Rats zu erfüllen.»
Die Standpauke der Kommission mündet in die Empfehlung an den Grossen Rat, «bis zur Veröffentlichung der Museumsstrategie keine weiteren Beschlüsse zu den staatlichen Museen zu fassen».
Sieben Jahre sind tatsächlich eine lange Zeit für die Ausarbeitung einer Strategie. Die lange Wartezeit hat dazu geführt, dass dieses Papier mittlerweile mit ebenso hohen wie diffusen Erwartungen verbunden ist. Sparpolitiker hoffen, dass der Geldhahn zugedreht wird, Sozialpolitiker erwarten Gratiseintritte, Kulturpolitiker klare inhaltliche Leitlininien und alle anderen jeweils etwas anderes.
Im ersten Anlauf gescheitert
Philippe Bischof, Leiter der zuständigen Abteilung für Kultur, lässt sich nicht in die Karten blicken. Die Frage, was die Museumsstrategie enthalten sollte, kontert er mit der vielsagenden Gegenfrage: «Was würden Sie denn in eine Museumsstrategie packen?»
Bischofs grosse Zurückhaltung dürfte nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass er zusammen mit seinem ehemaligen Vorgesetzten, Regierungspräsident Guy Morin, im ersten Anlauf gescheitert ist. Ein Entwurf oder «Grundsatzpapier», wie es im Bericht der GPK heisst, wurde von der Gesamtregierung im vergangenen Jahr zurück an den Absender geschickt. Das Dossier liegt nun bei Morins Nachfolgerin Elisabeth Ackermann, die versprochen hat, bis Ende Jahr ein neues Strategiepapier vorzulegen.
Forderungen nach Aufhebung des Hauses zum Kirschgarten
Was soll nun aber die Museumsstrategie wirklich bewirken? Hier lohnt sich ein kleiner Abstecher in die Vergangenheit, zum Vorstoss des ehemaligen FDP-Grossrats Daniel Stolz «betreffend Masterplan Basler Museen», mit dem 2009 alles begonnen hatte. Mit einem Masterplan sollten mittelfristige strategische, operative und finanzielle «Prioritäten und Posterioritäten» für die fünf staatlichen Museen gelegt werden, so die Forderung des Antragstellers.
Stolz ging in seinem Vorstoss ins konkrete Detail: Für das Naturhistorische Museum sei ein neuer Standort zu prüfen, das Historische Museum vom Haus zum Kirschgarten zu befreien und das staatliche Kunstmuseum sei unter einer neuen Trägerschaft als «Leuchtturm» auszubauen.
Die Pläne für einen neuen Standort für das Naturhistorische Museum sind mittlerweile weit gediehen, und das Kunstmuseum ist ausgebaut. Daran, das Haus zum Kirschgarten aufzugeben, denkt im Moment wohl kaum jemand und über eine neue Trägerschaft für das Kunstmuseum wurde bereits heftig diskutiert – mit dem Resultat, dass man am alten System festhalten möchte.
«Ja, unbedingt» und «Es geht besser ohne»
Die Basler Regierung hat den Auftrag zur Schaffung eines Masterplans (aus dem später begrifflich ein «Museumskonzept» und schliesslich die viel diskutierte «Museumsstrategie» wurde) mit einem wohlwollenden Bekenntnis angenommen. Im Basler Kulturleitbild 2012–2017 wurden gewisse Eckpunkte bereits umrissen. Unter anderem heisst es darin:
«Die Museen bauen bestehende Stärken aus und optimieren ihre Strukturen. Die Museen suchen Kooperationen, koordinieren ihre Aktivitäten und nutzen Synergien. (…) Besonderen Stellenwert hat die Profil- und Strukturanalyse bei den Kunstmuseen, die entscheidend zu Basels überregionaler Ausstrahlung beitragen.»
Was aber erwarten die betroffenen Direktoren der fünf staatlichen Museen von einer Museumsstrategie?
Bereits bei der Grundsatzfrage, ob Basel überhaupt eine Museumsstrategie braucht, gehen die Meinungen auseinander. «Ja, unbedingt», sagen unisono der Direktor des Antikenmuseums, Andrea Bignasca, und der eben erst angetretene neue Direktor des Historischen Museums, Marc Fehlmann. «Für das Funktionieren unseres Hauses geht es besser ohne», sagt hingegen Josef Helfenstein, Direktor des Kunstmuseums.
Auch der vor wenigen Tagen pensionierte Direktor des Naturhistorischen Museums, Christian Meyer, misst einer staatlichen Museumsstrategie keine sonderlich hohe Priorität bei: «Die wurde ja vom Grossen Rat gefordert, also braucht es gewisse Leitlinien, wohin sich die Museumslandschaft bewegt.»
Visionen für die Museumsstadt
Einig sind sich die Direktoren, dass die Museumsstrategie die im Museumsgesetz festgelegte inhaltliche Freiheit und Unabhängigkeit der Museen nicht einschränken dürfe. «Die Museumsstrategie sollte auch ein Bekenntnis zu den Basler Museen und ihrer inhaltlichen Autonomie sein», sagt Andrea Bignasca.
Seine Kollegin Anna Schmid vom Museum der Kulturen sagt: «Eine Strategie sollte keinen Massnahmenkatalog für die einzelnen Museen vorgeben. Und erst recht nicht kann es darum gehen, diese Strategie als Vehikel für Sparmassnahmen zu missbrauchen.» Schmid erwartet von der Museumsstrategie in erster Linie Visionen, wie sich die Museumsstadt Basel als Ganzes entwickeln soll, und vor allem auch, wie sie sich nach aussen präsentieren will.
Bignasca indes sieht die Ziele eher auf struktureller Ebene: «Die Museumsstrategie sollte Leitplanken zu museumsrelevanten Themen setzen wie Betriebsführung, also Governance, und die Rolle der verschiedenen Gremien. Darüber hinaus zur Zugänglichkeit, namentlich Vermittlung oder Gratis-Eintritte. Und zur Schärfung des Angebots, das heisst zum Beispiel die Notwendigkeit eines aktualitätsbezogenen Programms sowie Offenheit zu neuen Kooperationen.»
Marc Fehlmann vom Historischen Museum Basel setzt den Fokus auch auf die politische Ebene: «Es geht um die Wahrnehmung von politischer Verantwortung im Wettbewerb um Marktanteile und Subventionen», sagt er.
Gute Erfahrungen in Winterthur
Fehlmann hat bereits Erfahrungen mit einer Museumsstrategie. Das war in Winterthur, wo er bis 2015 das Museum Oskar Reinhart leitete. «In Winterthur hat man sehr erfolgreich und mit zähem politischem Ringen eine Museumsstrategie entwickelt, weil das Stadtparlament für die Subventionsvergabe in Zeiten knapper Ressourcen eine Entscheidungsgrundlage brauchte», erinnert er sich.
Damals ging es darum, die Betriebsbeiträge für das renommierte, aber finanziell angeschlagene Haus zu erhöhen und im gleichen Zug das kleine Museum Briner & Kern in das Museum Oskar Reinhart zu integrieren. «Weil klar definiert war, welche Häuser eine Leuchtturmfunktion bekommen oder bewahren sollen, konnte man prioritär bestimmte Museen stärken und dafür ein kleines, nicht überlebensfähiges Museum mit geringer jährlicher Besucherzahl schliessen», sagt Fehlmann.
Kleinere Museen in Gefahr
Fehlmanns Verweis auf seine Erfahrungen in Winterthur, namentlich auf die Schliessung eines Hauses, könnte kleineren, nicht staatlichen Museen in Basel Bauchschmerzen bereiten. Das Bundesamt für Kultur (BAK) in Bern will bei der Förderung von Museen nämlich die Kantone stärker in die Pflicht nehmen. Konkret will der Bund nur noch Museen unterstützen, die vom Standortkanton oder der Standortgemeinde mindestens mit dem gleichen Betrag bedacht werden.
In Basel sind mit dem Architekturmuseum, dem Haus der elektronischen Künste und dem Sportmuseum gleich mehrere Häuser betroffen. Alle erhalten sie gegenwärtig vom Bund mehr Geld als vom Kanton, was bei einer strengen Auslegung der neuen Richtlininien das Aus der Bundesgelder bedeuten würde.
Der Kanton steht also vor der Herausforderung, welches der kleineren Museen er mit einer Erhöhung der Subventionen retten möchte. Auch in diesem speziellen Fall wären strategische Überlegungen zur Museumslandschaft dringend nötig.