Maja Oeri, Schaulager-Stifterin und Präsidentin der Emanuel Hoffmann Stiftung, bringt es auf den Punkt, wenn sie Bruce Nauman als «absolute Ausnahmeerscheinung» in der Kunstwelt der Gegenwart bezeichnet.
Der 1941 geborene Amerikaner lotet die Grenzen der Kunst aus, um sie dann gleich wieder zu überschreiten. «Immer wenn man glaubt, ihn verstanden zu haben, verwirrt er von neuem», sagte Oeri an der Medienkonferenz zur Ausstellung «Bruce Nauman: Disappearing Acts», die am 17. März ihre Tore öffnet.
Oeri hat sich mit dieser Ausstellung einen lange gehegten Wunsch erfüllt, der sie seit Eröffnung des Schaulagers im Jahr 2003 begleitet hat. In Erfüllung gehen konnte dieser Wunsch, indem sie als Partner das Museum of Modern Art (MoMA) mit an Bord geholt hat, dem sie als Trustee und Mäzenin sehr nahe steht. Das New Yorker Museum und die Emanuel Hoffmann Stiftung besitzen die weltweit grössten Konvolute von Nauman-Werken.
Ein Meister aller Kunstmedien
Das Schaulager ist die erste Station der Ausstellung, das MoMA wird sie im Herbst zeigen. Wenn nun MoMA-Direktor Glenn D. Lowry in seinem Vorwort im Katalog schreibt, dass es die grösste Ausstellung der Museumsgeschichte sein wird, vermittelt dies schon eine Ahnung, was einen erwartet. Die Ausstellung ist so umfassend und so gross, dass sogar das riesige Schaulager an seine räumlichen Grenzen stiess.
Tauchen wir also ein in die Ausstellung, die gleichzeitig begeistert und masslos überfordert: Wie beschreibt man das Werk eines Künstlers, der zwischen allen erdenklichen Medien hin- und herspringt? Von Zeichnungen zu Bildern, Fotografien und Druckgrafiken, von Installationen und Skulpturen zu Performances, Soundarbeiten, Videos und Arbeiten mit neuen Medien? Kein Wunder, ist der schön gestaltete Katalog mit über 350 Seiten ziemlich dick geworden.
Ein roter Faden lässt sich am ehesten in den Fragestellungen und Themen finden. Nauman ist jemand, der die Welt, die ihn und uns umgibt, kritisch und ironisch hinterfragt. Nauman verbindet Witz mit Brutalität, manipuliert und persifliert das Alltagsgeschehen, lässt die grossen Eckpfeiler des Lebens, nämlich Liebe und Tod, aufeinanderprallen.
Etwa in der dynamischen Neonskulptur «Sex and Death by Murder and Suicide». Sie zeigt eine Figurengruppe, die einen Sexualakt vollzieht, sich gleichzeitig gegenseitig ersticht oder selber umbringt. Und das umgesetzt als dreidimensionale Animation mit bunten Neonröhren, mit denen ansonsten für schöne Produkte Reklame gemacht wird.
Die Neonskulpturen gehören zu den berühmtesten Werken Naumans. Relativ bekannt ist auch seine Videoinstallation «Mapping the Studio» von 2001, die mehrere, farblich unterschiedliche Nachtaufnahmen seines verwaisten Ateliers zeigt. Da passiert lange Zeit gar nichts, bis plötzlich eine Maus vorbeihuscht. In Aufnahmeprotokollen sind diese winzigen Aktionsmomente akribisch aufgelistet.
Aufbrechen von Gewohnheiten
Nauman ist ein Meister im Aufbrechen von Gewohnheiten: In seiner Arbeit «Carousel» lässt er statt bunt geschmückten Pferdchen, gehäutete Tierkadaver aus Kunststoff kreisen. Aus dem fröhlichen Karussell wird eine Albtraumsequenz. In der Mehrkanal-Videoinstallation «Clown Torture» präsentiert er einen Clown auf einer öffentlichen Toilette oder als Opfer böser Scherze.
Das sind Werke, die beklemmen. Daneben finden sich aber auch immer wieder Arbeiten, die von einem hintersinnigen Witz geprägt sind und mit denen sich der Künstler selbst ironisch hinterfragt. So bildet sich der Künstler auf einer Zeichnung selber als Marmor-Brunnenfigur ab.
Ein weiteres bekanntes Beispiel ist die Neon-Textspirale «The true Artist helps the World by revealing mystic Thruths»: Der Künstler hinterfragt seine Rolle, indem er seine Berufung als Aufklärer in leuchtenden Neonbuchstaben plakativ überhöht.
Das sind nur ein paar wenige Beispiele. Zu sehen und zu erleben sind insgesamt 170 Werke aus fünf Jahrzehnten – darunter auch zwei neue Arbeiten, die erstmals überhaupt gezeigt werden.
Den Ausstellungsbesuchern steht also eine ausgedehnte Entdeckungsreise durch einen berauschenden Kunstkosmos bevor. Eine, die sich kaum an einem einzigen Tag bewältigen lässt. Das Schaulager kommt diesem Umstand entgegen: Das Ausstellungsticket ist für einen dreimaligen Besuch der Ausstellung gültig.
Ein tolles Angebot, das man annehmen sollte.
«Bruce Nauman: Disappearing Acts» im Schaulager. Bis 26. August 2018.