BScene-Freitag I: Frühlingsgefühle und Schädelbrummen

Halbzeit für die BScene, Zeit für ein Zwischenfazit: Von Freuden und Leiden des 16. Basler Clubfestivals.

Bezirzender Auftakt: Octanone füllt den Rossstall der Basler Kaserne (Bild: Cedric Christopher Merkli)

Die 16. Basler BScene betörte am Freitag als Event – doch nicht alle Bands konnten gleichermassen von der fröhlichen Frühlingsstimmung profitieren.

Basel, abends um halb zehn: Auf den ersten Blick scheint die halbe Stadt auf den Beinen. Zumindest hier auf dem Kasernenareal, das summt und brummt, wuchert und wuselt, als würde ein gigantischer Bienenschwarm die Wiese belagern. Kein Wunder: Der Auftakt zur 16. Auflage des Basler Clubfestivals geht bei perfektem Frühlingswetter über die Bühne; wo man auch hinblickt werden Velos abgestellt, Begrüssungsküsschen verteilt, Biere bestellt.

Ob des omnipräsenten Scheiaweia, Smalltalk und Anstossens geht beinahe der Grund für den kollektiven Taumel vergessen: Die Bühnen der BScene zeigen sich zu Beginn des Festivals nämlich merkwürdig verwaist. Nur langsam und fast widerwillig tröpfelt der Tatzelwurm aus hunderten von Lederstiefeln und Aufdruckleibchen ins Innere der Kaserne.

Als hätte er dies geahnt, startet Lucien Montandon den Auftritt seiner One-Man-Band Octanone mit einer ironischen Sample-Salve: Während er mit Drumsticks auf sein Pad eindrischt, erklingt aus den Boxen zur Begrüssung eine Frauenstimme, die auf englisch verkündet, dass man sich jetzt ja auch einfach solange abwartend anstarren könne, bis jemand tot umfällt. Der smarte Schachzug sorgt für Gelächter im Saal, und als schliesslich erstmals ein pumpender Beat einsetzt, ist das Eis bereits gebrochen und die Party lanciert: Da fliegen ausgelassene Jazzhands in die Luft, da wippen die sommerlichen Kleidchen sofort mit im Takt.

Ironische Ansagen, lakonische Unarten

Montandon, bekannt geworden als singender Drummer der Fricktaler Anarcho-Progrock-Formation «Alt F4» bezirzt mit nerdig-erdigem Charme und messerscharfer Präzision, und wirkt dabei so wohltuend lässig, dass man beinahe vergisst, was für ein Wagnis sein Projekt eigentlich ist.

Denn bei Octanone breitet er die lakonischen Mundartanekdoten eines Liedermachers über einem stampfendem, flirrenden und zirpendem Elektro-Fundament aus, singt dabei frisch, frech und unartig vom Stubenhocker Stefan, der sich endlich mal wieder ins Nachtleben stürzen soll – und verbindet so zeitloses Bardentum mit zeitgemässen Themen und zeitgenössischer Samplingtechnik. Das macht nicht nur Spass, das tönt auch toll, und im Nu ist die Rossstall-Halle brechend voll.

Schwerer haben es da danach Penta-Tonic in der benachbarten Reithalle, die mit ihrem um Tiefgang bemühten Pop einen Kontrast zur lockerflockigen Frühlingsfröhlichkeit bieten – und damit direkt mit der Smalltalk- und Cüpli-Stimmung konkurrieren. Dass der Kampf unentschieden bleibt, liegt keinesfalls am fehlenden Können: Man sieht und hört, dass Penta-Tonic von der Schülerband zum Headliner gereift sind, dass ihr an die Hamburger Schule erinnernder, ernsthafter Duktus nicht nur souverän gespielt, sondern – mit Brilcreme-Scheitel und Hosenträger – bis in die letzten optischen Details konsequent und stimmig umgesetzt wird.

Hier in der Kaserne, im Trubel des Kommens und Gehens, Sehens und Gesehen Werdens, kann die Band aber beim Publikum nicht die nötige Konzentration aufbauen, die ein solches Konzert braucht, um seine volle Intensität zu entfalten.

Whiskey-geschwängertes Treibgut, feuchtfröhlicher Übermut

Unter dem genauen Gegenteil leidet dagegen Gordon Bell einige hundert Meter weiter. In der 8-Bar stimmt die Atmosphäre zwar absolut, allein: der Auftritt findet bloss vor ungefähr zwei Dutzend sich ganz von der Schwermut treiben lassenden Zuschauern (darunter auffallend viele einsame Whiskey-Wölfe mit harten Tattoos und weich glänzendem Blick) statt.

Dass der begnadete schottische Singer-Songwriter mit seinem Trio vor halbvollen Reihen singt, liegt weniger daran, dass die 8-Bar noch nicht zum BScene-Inventar gehört, sondern vielmehr am ausnahmsweisen Rauchverbot, das nochmals weit über ein Dutzend Personen draussen zum Schmauchen, statt drinnen zum Schmachten animiert – und damit auch das aufmüpfige Sex-Pistols-Cover «Anarchy in the UK» zum Schluss merkwürdig konterkariert.

Umso erfreulicher, dass der Freitag im goldenen Fass ein verdientes Finale findet. Nach einem verhaltenen Start laufen Five Years Older im «Sääli» vor vollen Rängen zur Hochform auf, und sprengen das teils unterkühlte Korsett ihres frankophilen Electropops schliesslich mit einer ausgelassen-feuchtfröhlichen Jamsession. Was eigentlich an der BScene aufgrund der straffen Programmierung keinen Platz hat, nämlich: ausufernde Ansagen (beim kanadisch-welschen Wahlbasler Trio nicht nur charmant, sondern auch fliessend dreisprachig), Mitklatsch-Routinen und spontane Zugaben, wirkt sich im Fass überaus positiv auf Set und Setting aus.

Betörendes Summen, ernüchterndes Brummen

Hier zeigt sich, so das vorläufige Fazit, eben auch die unvermeidliche Krux des Clubfestivals: Als unverzichtbare Werkschau, um einen Überblick des aktuellen Musikschaffens der Region zu bieten, gedeiht der Basler BScene-Bienenstock prächtig, ja: betört geradezu mit Vielfalt, Frohsinn, Flirterei. Die eigentlichen Konzerte als einzelne, abgeschlossene Einheiten wiederum werden vom Eventcharakter des Anlasses oft in den Hintergrund gedrängt.

Damit das Summen des in alle Richtungen ausschwärmenden Festivalbetriebs nicht die eigentlichen Hauptdarsteller übertönt, und dem einen oder anderen beteiligten Musiker am Ende bloss einen mächtig ernüchternden Brummschädel beschert, müsste man zukünftig Octanones frühabendlichen Schlachtruf beherzigen.

Sprich: sich öfters mal ins Nachtleben stürzen, um die Konzerte der vielen aufspielenden Formationen auch ohne verführerisches Festival-Tamtam zu besuchen – auf dass das eigentliche Ziel des Anlasses, nämlich: auf die beeindruckend blühende Basler Musiklandschaft aufmerksam zu machen, auch tatsächlich nachhaltig Blüten tragen möge. An allen anderen Abenden des Jahres haben die Bands dann ja schliesslich auch genügend Zeit und Musse, um einen gelungenen Auftritt mit mehr als einer Zugabe zu krönen. 

 

 

 

 

Quellen

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