Da ist wieder Feuer im Härd

Der Hunger ist zurück: Fünf Jahre nach ihrem letzten Album kehrt die Basler Rap-Crew Brandhärd mit dem Album «Zuckerbrot und Peitsche» zurück. Mit dabei: ein 360-Grad-Video, Mitmusiker aus Teenagertagen – und ein paar Lektionen darüber, wie man als Rapper in Würde altert.

Haben die Mauer des Schweigens durchbrochen und wieder neue Tracks am Start: Fetch, Johny Holiday und Fierce alias Brandhärd.

(Bild: Tim Lüdin)

Der Hunger ist zurück: Fünf Jahre nach ihrem letzten Album kehrt die Basler Rap-Crew Brandhärd mit dem Album «Zuckerbrot und Peitsche» zurück. Mit dabei: ein 360-Grad-Video, Mitmusiker aus Teenagertagen – und ein paar Lektionen darüber, wie man als Rapper in Würde altert.

Sie haben es doch noch geschafft, und warum das so lange gedauert hat, kann man nun nachhören: «Ihr wüssed jo wies isch, es bruucht e mol e Durschtstrecki, bis dr Hunger zrugg und dr Durscht gweckt isch», sinniert Fetch, während dazu der Beat tätscht und das Geigensample tänzelt. «100 Bars Bandgschicht» heisst der Track, der bereits im Sommer von der anstehenden Rückkehr einer der erfolgreichsten und langlebigsten Rap-Crews der Nordwestschweiz kündigte: Brandhärd. 

Obwohl, Rückkehr – weg seien sie ja nie gewesen, hält Rapper Fetch fest, nur das Tempo sei anders geworden. Familiengründungen und Berufskarrieren hielten Einzug. Und dann wurde der FC Basel auch noch ständig Schweizer Meister, was jedes Jahr den würdigen «Maischtertrack» forderte, an dem Brandhärd jeweils beteiligt waren.

2014 kehrten Brandhärd auf die Bühne zurück – noch nicht mit neuem Material, aber mit neuer Ausstattung. Für die Live-Unterstützung stellten sie sich erstmals eine Band in die zweite Reihe, was derart impulsreich war, dass sie die Musiker gleich fürs Studio behielten.

Eine Liebeserklärung an Familie und Freunde

Das forderte Umstellung und Arbeit, sagt Fetch, hat die Tracks aber auch in neue Richtungen gelenkt – hörbar beispielsweise im balladesken «Umarm sie», eine jener Früchte des neuen Lebens der Rap-Veteranen, das weniger «uf dr Gass» denn in der guten Stube spielt: eine Liebeserklärung an Familie und Freunde und an alle anderen, die einem nahe stehen und denen man das nie genug sagen kann: «Umarm sie, sag was de dänggsch / alles okay, jede Tag isch es Gschängg», meditiert der Refrain, während die Pianoakkorde wie Frühlingsbäche sprudeln. 

Die Hälfte der Begleitmusiker kennt die Brandhärd-Crew «seit Teenagertagen aus den Proberäumen in Schönenbuch», sagt Fetch. «Wir hatten schon lange die Idee, musikalisch was zusammen zu machen.» Es dauerte bis zur fünften Platte, bis aus der Idee Realität wurde. «Zuckerbrot und Peitsche», das neue Album, lässt sich als die Erfüllung lang gehegter Ambitionen lesen. Auch, weil es auf Platz 4 der Schweizer Albumcharts einstieg, Brandhärds erste Platzierung in den Top Ten überhaupt.

360-Grad-Video statt Viva-Rotation

Das erstaunt. Als das Trio mit «Noochbrand» 2003 seinen Durchbruchhit erlebte, feierte der Mundart-Rap seine goldenen Tage, befeuert vom damals noch existenten Musikfernsehen in der Schweiz: «Noochbrand» war 2003 der meistgespielte Clip auf dem Schweizer Ableger des Musiksenders Viva. «Vom Erfolg waren wir völlig überrascht und kamen mit den Nachpressungen nicht rechtzeitig nach, deshalb schaffte es das Album nicht weit nach oben», erinnert sich Fetch. Spielte keine Rolle, für den Hype sorgte die Fernsehpräsenz.

Heute ist das Musikfernsehen tot, Videoclips sind auf Online-Plattformen abgewandert, deren Content sich der User mittels Tablet und Smartphone selbst zusammenstellt. Darauf haben Brandhärd mit dem Clip zu «Umarm sie» reagiert: Umgesetzt als 360-Grad-Video, kann der User selbst den Proberaum erkunden, während die Crew plus Begleitmusiker den Track runterrattern.

Regie geführt hat der Basler Filmemacher Samuel Flückiger, ein langjähriger Gefährte des Trios, der bei jedem Clip von Brandhärd die Kamera führte. Auch das mit ein Grund, warum Brandhärd es verstanden haben, im Rap in Würde zu altern. «Bandkarrieren versanden in der Regel, weil die Lebenswege auseinanderdriften», sagt Fetch, «bei uns ist das Freundesumfeld all die Jahre stabil geblieben, obwohl jeder seinen persönlichen Weg weiter gegangen ist. Es ist schön zu sehen, wie sich Freunde entwickeln – und ebenso schön, dass man trotzdem zusammen weiter gehen kann.»

Die emotionalen Botschaften zählen

Ein Fingerzeig für die Zukunft, dass Brandhärd auch mit «Zuckerbrot und Peitsche» noch nicht den letzten Ton angeschlagen haben. «Ein Abschiedsalbum werden wir kaum je ankündigen. Wir werden manchmal darauf angesprochen, ob uns die jungen Rapper technisch nicht überlegen sind, und wie wir uns behaupten wollen. Für mich hat das an Bedeutung verloren, die emotionalen Botschaften sind viel wichtiger», sagt Fetch. Eine junge Frau habe ihm einst geschrieben, die Musik von Brandhärd sei ihr eine Stütze gewesen, um über eine schwere Krankheit hinwegzukommen, erwähnt er. «Mehr kann man sich als Musiker kaum wünschen.»

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Brandhärd: «Zuckerbrot und Peitsche», Knackeboul Entertainment. 
Plattentaufe: Kaserne Basel, 5. Dezember 2015.

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