«Dabei zu sein, ist eine riesige Ehre»

Für junge Filmemacher aus der Schweiz ist der Einstieg in die Branche kein einfacher. Viele träumen von Amerika, Hollywood und dem grossen Durchbruch – Felix Schaffert (30) aus Basel ist einer davon. Das Slamdance Filmfestival sieht er als ideales Sprungbrett dafür.

(Bild: Nils Fisch)

Für junge Filmemacher aus der Schweiz ist der Einstieg in die Branche kein einfacher. Viele träumen von Amerika, Hollywood und dem grossen Durchbruch – Felix Schaffert (30) aus Basel ist einer davon. Das Slamdance Filmfestival sieht er als ideales Sprungbrett dafür.

In seinem Kurzfilm «Der Räuber» erzählt Felix Schaffert die Geschichte eines elfjährigen Mädchens, das Opfer eines sexuellen Übergriffes wurde – durch den eigenen Vater. Das Mädchen ringt nach Worten, bis es seiner Mutter endlich davon erzählen kann. Am letzten Gässli Film Festival war der Film Sieger in der Kategorie «Kurzfilm bis 30». Vom 18. bis 24. Januar wird «Der Räuber» am Slamdance Filmfestival in Utah nun erstmals dem amerikanischen Publikum vorgestellt.

The Robber – Trailer from Felix Schaffert on Vimeo.

Herr Schaffert, wie kommt es, dass Ihr Film «Der Räuber» am Slamdance Filmfestival in Amerika gezeigt wird?

Ich hatte das Gefühl, dass der Film in Amerika noch gut ankommen könnte. Deswegen habe ich ihn bei den grössten Filmfestivals eingereicht. Das kommt jedoch einem Lotto-Spiel gleich, denn eine Anmeldung ist immer mit Kosten verbunden.

Mit welchen finanziellen Beträgen muss gerechnet werden?

Pro Eingabe sind es rund 50 Dollar. Das kann sich schon summieren, wenn man sich für verschiedene Festivals bewirbt. Wird man aber an einem angenommen, besteht die Chance, dass andere Festivals auf einen aufmerksam werden.

Für den Laien, was genau ist das Slamdance Filmfestival?

Es ist der Nachfolger des Sundance Filmfestival – der «Mutter» aller Festivals und einst das grösste Festival für Independence-Filme mit kleinem Budget. Dieses Festival wandelte sich im Laufe der Zeit, mittelgrosse Produktionen wurden zugelassen und gewisse Leute bevorteilt. Der «unabhängige» Charakter ging verloren. Daher hat sich vor etwa 20 Jahren am gleichen Ort das Slamdance Filmfestival gebildet, wo auch Spielfilme mit einem Budget unter einer Million Franken zugelassen sind. Das Slamdance ist mittlerweile so gross wie das Sundance.

Was bedeutet die Teilnahme für Sie persönlich?

Es kann einem als Filmemacher eigentlich gar nichts Besseres passieren. Es ist eine riesige Ehre, dabei zu sein.

«Ich will Geschichten erzählen»

Erhoffen Sie sich von dieser Teilnahme, in Amerika durchstarten zu können wie einst Marc Forster, der ebenfalls am Slamdance Filmfestival teilgenommen hatte?

Das ist der Grund, warum ein Filmemacher überhaupt an das Festival geht – und nicht, um den eigenen Film nochmals zu sehen. Natürlich wäre es super, wenn sich etwas ergeben würde. Ganz Los Angeles, viele Studioleute und auch Produzenten werden vor Ort sein. Schön wäre, einen Job im Bereich Werbe- und Imagefilm zu ergattern. Dort lässt sich gut Geld verdienen.

Wie haben Sie sich in der Schweiz bisher über Wasser gehalten?

Ich hatte das Glück, dass ich eine Zeit lang wieder bei meinen Eltern wohnen konnte – was auch nicht immer mit Spass verbunden ist. Aber mittlerweile verdiene ich mit Aufträgen genug Geld, um mein eigenes Leben finanzieren zu können. Manchmal nehme ich Aufträge wie das Designen von Websites an. Grösstenteils verdiene ich mein Geld aber mit der Filmerei. Zurzeit arbeite ich als Regisseur an einem Image-Film für das rätoromanische Fernsehen. Solche Jobs sind gut bezahlt, daher kämpft auch jeder darum. Da ist es von Vorteil, wenn man an einem internationalen Filmfestival präsent ist und auf seine Qualitäten aufmerksam machen kann.

Pro Helvetia fördert die Verbreitung von Schweizer Kultur im Ausland. Haben Sie finanzielle Unterstützung für die Teilnahme am Festival erhalten?

Nicht von der offiziellen Organisation. Aber dank verschiedenen Kontakten kann ich gratis in Amerika wohnen. Nur den Flug muss ich selber bezahlen.

Wenn wir schon von Geld sprechen, wie hoch ist das Budget für einen 16-minütigen Film wie «Der Räuber»?

Der Film hat rund 35’000 Franken gekostet. Dieses kleine Budget war jedoch nur möglich, weil meine Schule sehr viel Material gesponsert hat und die meisten Leute gratis oder fast gratis gearbeitet haben. Würden Löhne ausbezahlt werden, müsste mit 60’000 bis 70’000 Franken gerechnet werden. Das Projekt konnte dank mehrerer Sponsoren finanziert werden.

Szene aus «Der Räuber»

(Bild: zVg)

Im Film behandeln Sie ein gesellschaftlich heikles Thema. Die Menschen sprechen nicht über sexuelle Übergriffe, die innerhalb der Familie passieren. Warum haben Sie sich dafür entschieden?

Das Thema bewegt mich sehr und ich kenne mich auch damit aus. In meinem Bekanntenkreis gibt es viele Frauen, die Opfer sexueller Übergriffe wurden.

Welche Botschaft wollen Sie mit dem Film vermitteln?

Jeder, der den Film gesehen hat, weiss genau, was er thematisiert. Trotzdem traut sich niemand, darüber zu reden. In unserer Gesellschaft ist das Thema nur sehr unterschwellig vorhanden. Und das ist es auch, was «Der Räuber» beinhaltet. Der Plan war, einen Film über einen sexuellen Übergriff zu machen, ohne diesen explizit zu zeigen. 

Daher haben Sie auch Ameisen verwendet, um den Übergriff darzustellen. Warum gerade diese Tiere?

In erster Linie bin ich von einem Gefühl ausgegangen. Ist es dir unangenehm, am Unterkörper berührt zu werden, so fühlt sich das wie das Krabbeln unzähliger Ameisen an. Zudem wollte ich darstellen, dass etwas Fremdes ins Zimmer kommt – und Fremdes macht Angst.

Die Ameisen waren sicher auch die grösste Herausforderung beim Filmen?

Es gibt nur ganz wenige Möglichkeiten, Ameisen zu «dressieren», aber die haben alle nicht funktioniert. Am Schluss war der Film trotzdem im Kasten.

Wo liegt der Ursprung für Ihre Leidenschaft fürs Filmen?

Das ist genauso schwierig zu erklären, wie wenn ich begründen müsste, warum ich eine bestimmte Frau liebe. Mich fasziniert, dass beim Filmen viele verschiedene Aspekte aufeinander treffen. Sei es Schauspielerei, Malerei oder Architektur. Nach meiner Grafikerausbildung wurde mir bewusst, dass dieser Beruf zu langweilig ist für mich. Ich wollte Geschichten erzählen.

Existiert schon ein nächstes grösseres Filmprojekt?

Es ist ein Kurzfilm geplant, der ähnliche Stilmittel wie «Der Räuber» enthalten und ebenfalls ein heikles Thema ansprechen soll. Die Richtung wird sehr ähnlich sein. Zudem sind mehrere Ideen für Langfilmprojekte vorhanden.

 

Öffentliche Vorführung

Der Kurzfilm «Der Räuber» wird am 9. Februar 2013 das nächste Mal dem Basler Publikum gezeigt. Die Zürcher Hochschule der Künste und die Hochschule Luzern führen im Neuen Kino Basel ab 20 Uhr ein Special Screening durch.

Weitere Informationen zu «Der Räuber» unter www.derraeuberfilm.ch und auf www.facebook.com/therobberfilm.

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