Das Leben duftet anders

Daniel Zahnos neuem Werk geht ein Popsong-Zitat voraus. Kann das gut kommen? Kann es nicht.

In Daniel Zahnos neuem Buch lebt ein Rosenzüchter sein Leben. Mehr nicht.

Daniel Zahnos neues Buch handelt von einem Rosenzüchter, der sich verliebt, nach New York zieht und Kurator eines Rosengartens wird. Das hätte eine interessante Geschichte werden können. Wurde es aber nicht.

Auf die erste Seite eines Buches pflanzt ein Autor oftmals ein literarisches Motto, ein Zitat, das aufs Buch vorbereiten soll. Auch in Daniel Zahnos neuem Buch «Manhattan Rose» ist ein solches Epigraph vorhanden:

«New York, concrete jungle where dreams are made of
there’s nothing you can’t do
these streets will make you feel brand new
big lights will inspire you.»

Es ist ein Ausschnitt aus «Empire State of Mind», einem Lied von Alicia Keys und Jay-Z, bekannt aus dem Trailer zum zweiten Sex and the City-Film.

Dass Zahno ein Pop-Lied als Einstieg wählt, in dem es um Drogen («MDMA got you feeling like a champion») und Prostitution («Mommy took a bus trip and now she got her bust out / Everybody ride her, just like a bus route») im New Yorker Alltag geht, ist etwas ungewohnt für den Basler, der eher für Liebesromane bekannt ist. Aber vielleicht handelt die Geschichte ja von einem Mädchen, das nach New York geht, um sich brandneu zu fühlen, ihre Brüste zeigt und Bus fährt (oder so ähnlich)?

Hybride Teerosen und eine Armada aus Zitronenbäumchen

Weit gefehlt. Es geht um Luca, einen Schweizer in New York, der bereits im ersten Satz klarstellt, dass er sein Leben eigentlich gerne über den Haufen werfen würde. Ein guter Anfang. Wenn da nur nicht Lucas Umgebung wäre, die Zahno bis ins kleinste Detail ausformuliert: Die hybriden Teerosen, die Adonisröschen, der Seidelbast, die Weinranken (die sich auf der Marmorsäule sonnen), das Herz aus Buchsbaumhecken, die «Armada aus Orangen- und Zitronenbäumchen», und viele Pflanzen mehr strapazieren bereits auf den ersten paar Seiten die Nerven des Lesers. So genau muss man es dann auch wieder nicht wissen.

Es stellt sich heraus, dass Luca Rosenzüchter ist und in New York an einem Rosenkongress teilnimmt. Das erzählt er Sofie, einer «nach Leben duftenden Frau», die er im Garten kennenlernt und fragt, ob sie glücklich sei. Ein bisschen unverhältnismässig klingt das schon, wer fragt denn schon eine Frau, die man seit drei Minuten kennt, über ihren Seelenzustand aus? Aber Sofie scheints nicht zu stören: Als sie und Luca beim ersten Date auf einem ausrangierten Feuerschiff auf das Wasser blicken, sagt sie: «Wenn sich mein Blick in den Wellen verliert, werde ich ganz ruhig, und alle Angst vor dem, was kommen könnte, schwindet». Zur Zitronenbaum-Armada ist jetzt also auch noch ein Heer zwischenmenschlicher Plattitüden gestossen.

Herzen im Taifun, Zapfen im Crescendo

Die minutiösen Beschreibungen und abgegriffenen Dialoge ziehen sich durch den grössten Teil des Buches. Endlose Schilderungen von Nebenschauplätzen, die nie mehr eine Rolle in der Geschichte spielen, wechseln sich mit Sätzen wie: «Mein Herz klopfte. Es klopfte so rasch, als gerate es in einen Taifun» ab. Diese Kombination hat zur Folge, dass kein Zauber zu entstehen vermag, nichts wird dem Leser überlassen, jede Umgebung pedantisch ausgeleuchtet, jedes Augenzwinkern verbal untermauert. Selbst vor der Sexszene macht Zahno nicht halt: Sofie bearbeitet Lucas Zapfen, er «bewegt seine Zunge über die leicht reizbare Stelle, wie eine Katze, die Milch leckt.» Danach pressen sie sich «im Crescendo ihrer Klagen» und in Tränen aufgelöst aneinander. Das lässt den Leser ziemlich unberührt.

Inhaltlich ist die Geschichte ähnlich leidenschaftslos: Luca und Sofie fangen eine Fernbeziehung an, mit Höhen und Tiefen, sie lernen einander besser kennen und schliesslich bekommt Luca eine Stelle als Kurator im Peggy Rockefeller Rose Garden in New York und zieht in die Metropole. Luca ist erfolgreich in Arbeit und Beziehung – bis er eines Tages in der Bronx überfallen wird und ein Trauma erleidet. Die Krise legt sich aber ziemlich schnell wieder. Dann geschieht noch ein Selbstmord, der nach wenigen Seiten wieder verblasst und irgendwann ist das Buch zu Ende und man fragt sich, wieso so vieles trotz der ganzen Beschreibungen so flach und unbelebt blieb. 

Reizvoller Rosengarten, schmalzige Welt

Nur ganz selten darf der Leser nämlich wirklich teilhaben: Wenn Luca bei seinen Rosen ist und geschildert wird, wie er stutzt, bewässert, kreuzt und verpflanzt, ist man dabei, dann machen die vielen Bilder endlich Sinn. Man ahnt, dass Zahno diese Nähe wohl gerne bei weiteren Stellen zugelassen hätte, ihm seine überspannten Formulierungen jedoch einen Strich durch die Rechnung machten. Was im Rosengarten seinen Reiz hat, wirkt in der Welt ausserhalb eben dann doch schnell mal schmalzig.

Wie ihr Epigraph scheint auch die Story von «Manhattan Rose» ihren Punkt zu verpassen und eine Linie durchziehen zu wollen, die nicht zur Geschichte passt, die es zu erzählen gilt. Zahno scheint sich nicht das ganze Lied von Alicia Keys angehört (bei so einem Motto hätte er doch wenigstens Luca ein paar Drogen unterjubeln dürfen) zu haben und genauso vertieft er sich nicht in die Geschichte seiner Protagonisten. 

Der Aufwand scheint gross gewesen zu sein – letzten Endes bleibt Daniel Zahnos neuer Roman aber doch nur eine Einsicht in ein ereignisvolles Leben, das besser hätte erzählt werden können.

Für alle, die sich selbst ein Bild machen wollen: Am Mittwoch, 21. August 2013, 19.30 Uhr, liest Daniel Zahno im Kulturhaus Bider & Tanner aus «Manhattan Rose».

 

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