Das Leben ist eine wunderbar skurrile Tanzveranstaltung

«Kopf hoch, tanzen!»: Das Vorstadttheater Basel schenkt sich und dem Publikum zum 40. Geburtstag eine herrlich-skurrile und melancholisch-humorvolle Jubiläumsproduktion.

Lachen kann ganz schön ansteckend sein: Szenenbild aus der Jubiläumsproduktion des Vorstadttheaters Basel mit Gina Durler, Katka Kurze und Ute Sengenbusch (Bild: Xenia Häberli)

«Kopf hoch, tanzen!»: Das Vorstadttheater Basel schenkt sich und dem Publikum zum 40. Geburtstag eine herrlich-skurrile und melancholisch-humorvolle Jubiläumsproduktion.

Oh, was waren das für Zeiten! Wie waren wir betrübt, wenn die Angebetete in der Disco bei «The Power of Love» von Frankie goes to Hollywood eng umschlungen in den Armen eines anderen wippte, und wie recht hatte Agnetha von ABBA mit ihrem «The Winner Takes it All», wenn man bei diesem Song endlich einmal die Richtige in den Armen hatte.

Es sind Erinnerungen, die nie erlöschen. Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Es sind Erinnerungen, die das Vorstadttheater Basel mit seiner Jubiläumsproduktion zum 40. Geburtstag wieder aufleben lässt. «Kopf hoch, tanzen!», heisst sie. Regisseur Matthias Grupp und ein neunköpfiges Ensemble lassen über 40 Jahre Disco-Geschichte – oder besser: Disco-Geschichten – an uns vorüberziehen.

Willkommen in Johnny’s Disco

Der Plot oder der Rahmen des Spiels ist simpel. Im um 90 Grad gedrehten und dadurch ganz schön in die Breite gezogenen Raum des Vorstadttheaters breitet sich Johnny’s Disco aus. Der gealterte Besitzer (Peter Rinderknecht) kehrt in sein stillgelegtes Reich zurück, befreit das Yamaha-Synthesizer-Monstrum, das an die Beam-Konsole aus Star Treck erinnert, vom schützenden Tuch und taucht ein in die Vergangenheit.

Und schon sind sie da: die selbstbewusste Disco-Göre, der Stenz, das ungelenke Mauerblümchen, der Möchtegern-Rocker, die unglücklich (und die glücklich) Verliebten, die Ulknudel, der Aussenseiter, der für die bekannten 15 Minuten zum Star emporwächst und und und …

Die Zeiten, die Kleider, Frisuren und die Musik ändern sich von den 1960er-Jahren bis zur Jahrtausendwende, die Geschichten von Sehnsucht, Hoffnung auf den perfekten Abend und der Suche nach dem grossen Glück aber bleiben dieselben.

Berührend komisch und herrlich skurril

Diese Geschichten lassen niemanden unberührt. Da sind auf der einen Seite eben die eigenen Erinnerungen an die guten und schrecklichen alten Zeiten, auf der anderen Seite aber auch das wunderbar aufspielende Ensemble (neben Rinderknecht sind dies: Andreas Bächli, Dominik Blumer, Gina Durler, Samuel Kübler, Katka Kurze, Dominique Müller, Ute Sengebusch und der Musiker Michael Studer), das diese alten Zeiten in unzähligen Facetten wieder aufleben lässt. Mit ganz wenigen Worten, aber mit sehr viel Gefühl und Humor.

Regisseur Matthias Grupp und seine Spielerinnen und Spieler präsentieren eine ausgesprochen stimmige Mixtur aus skurriler Komik und berührendem Tiefgang. Die Figuren und die kleinen Geschichten regen zum Schmunzeln an, man kann über sie lachen, aber sie werden, auch wenn ab und zu vielleicht etwas gar dick aufgetragen wird, nicht auf denunzierende Art lächerlich gemacht. Es ist wie die Disco-Besucherin einmal in einer Mischung aus Selbstgespräch und Standpauke herausschreit: «Du wirst jetzt einmal weich und geschmeidig sein!»

Ein melancholischer Aufsteller

Es ist ein Abend, der einen in melancholischen und wunderbaren Erinnerungen schwelgen lässt. Und einen in guter Stimmung entlässt. Das war nach der Premiere deutlich spürbar.

Vielleicht lag es auch ein bisschen daran, dass so viele ehemalige Vorstadttheater-Mitstreiter und Theaterkolleginnen anwesend waren, was dem Abend auch ein bisschen den Charakter eines Familienfestes verlieh. Aber auch die anwesende Schulklasse, die Schülerinnen und Schüler, die wohl noch mitten im gezeigten Irrgarten der Gefühle stecken, wirkten nach dem Schlussapplaus ausgesprochen fröhlich.


«Kopf hoch, tanzen!»
, bis am 16. November und zusätzlich in der Silvesternacht.
Am Sonntag, 2. November, hält Vorstadttheater-Mitgründerin Ruth Oswalt zusammen mit Weggefährtinnen und -gefährten Rückschau auf ihre bewegte und bewegende Zeit. Und am 14. November findet im Anschluss an die Jubiläumsproduktion ein grosses Geburtstags-Tanzfest statt.

 

Nächster Artikel