An der Aussenfassade des Kunsthaus Baselland steht seit Kurzem ein rätselhafter Satz. Was steckt dahinter? Eine Suche nach Antworten beim Basler Künstler Matthias Huber.
Sie ist an sich schon ein Statement: Sechs mal acht Meter zählt die Stirnwand des Kunsthaus Baselland, die immer wieder lokalen Künstlern als Plattform für Projekte dient. Dieses Jahr ist der Basler Künstler Matthias Huber dran und setzt gleich noch eins drauf: Huber verwandelt die Wand in eine monumentale Proklamation mit dem Namen «Anstelle von ‹Gelb› muss es richtig heissen ‹Schwarz›». Will er jetzt die Sprache verändern?
Mitnichten. Es handle sich natürlich um ein absichtlich gesetztes Missverständnis, wie der 35-Jährige bei einem Besuch in seinem Atelier erklärt. Huber sammelt Errata aus Büchern, also Anmerkungen zu Fehlern, die dem Lektorat vor dem Druck durch die Lappen gegangen sind. Ein Einzelstück aus dieser Sammlung brachte er nun in riesigen Lettern auf der Fassade des Kunsthauses an. Damit wird aus dem stillen Korrigendum, dem Eingeständnis eines Fehlers, eine drohende Forderung: Was sonst verschämt wie ein Beipackzettel ins Buch geschoben wird, ist nun ein Jahr lang nicht zu übersehen.
Huber sammelt gern und viel, und aus dieser Tätigkeit entstehen immer wieder hochinteressante Arbeiten, die jedoch allzu häufig nur in kleine Publikationen münden. Denn auffällig oft werden in den Ausstellungen nur seine Gemälde gezeigt. Einerseits betreibt er seit Jahren diese sorgfältig komponierte, farbenfrohe und auch sehr unschuldige Malerei, andererseits ist da immer wieder dieses Versteckspiel mit fremdem Material, das er sammelt und für seine Zwecke umdeutet. Tanzt der Künstler etwa auf zwei Hochzeiten?
Malerei als Archiv
«Ich brauche halt beides», erklärt Huber. Malerei sei ein sehr langsamer und mehrstufiger Prozess, einem Archiv nicht unähnlich. Beide, so Huber, seien Teil einer Formen- und Farbensammlung, aus der er schöpfen könne. «Der Fundus der Malerei kommt halt von Innen und jener der gefundenen Bilder ist in einer Schachtel.» Lösungen ergeben sich oft erst nach langer Reifezeit: «Manchmal finde ich Sachen nach Jahren wieder und sie haben sich verändert, plötzlich ergibt sich etwas.» Bei Gemälden sei das nicht anders.
Daneben sei Malen für ihn auch eine Strategie, sich zu befreien. Der Mythos der spontanen Kreativität sei zwar ein schöner, aber auch ein falscher. Diese Vorstellung vom Künstler, der Nachts schweissgebadet aufschreckt, der geweckt wird von einer plötzlichen Eingebung, treffe nur selten zu. Künstlerisches Schaffen sei kein Urknall, sondern andauernde Evolution.
Er selbst habe natürlich auch mehr Lust darauf, den Mythos zu leben. Ja, der Künstler im Atelier, Bier in der einen Hand, Pinsel in der anderen, dazu laute Musik – und um ihn herum entstehen die Bilder wie von Geisterhand. «Aber das funktioniert überhaupt nicht. Das geht immer schief.» Huber muss den Zustand erst herstellen, den seine Bereitschaft zur Bildfindung nähren kann. Kreativ sein bedeutet warten und dranbleiben.
Die Titelseite des Jahresprogramms im Kunsthaus Baselland schmückt er mit einem Bild aus dem Doppelwerk «The Fast»und «The Furious». Aus einem holländischen Lehrbuch für Autofahrer entnahm er die modellhaften Situationen, die alle mit denselben Autos dargestellt werden. Indem er die Bilder neu zusammensetzte, ergab sich die Geschichte einer dummerweise immer wieder verhinderten Irrfahrt aus der Stadt (the Furious) und einer wilden Verfolgungsjagd (the Fast). Damit entstehen genau diese Situationen, die ein Fahrlehrbuch aus dem Weg schaffen will.
Ungebundene Malerei, ordnendes Archiv
Matthias Huber zwingt den gefundenen Bilder das auf, was sie eigentlich verhindern wollen. Mit minimalen Eingriffen untergräbt er ihre Mission, um das Gegenteil von dem zu zeigen, was ihr eigentlicher Zweck war. Sich selbst führt er dafür auch immer wieder hinters Licht: «Ich muss regelmässig das hinterfragen, was ich tue, und gleichzeitig Wege finden, diese kritische Haltung zu überlisten, um frei zu sein. Die Ungebundenheit der Malerei und die ordnende Kraft des Archivs funktionieren gut zusammen.»
Jeder Kunstschaffende muss wohl sein eigenes System entwickeln – Matthias Huber scheint seines gefunden zu haben. Es ist erfreulich, dass mit dem Jahresaussenprojekt nun auch ein Werk eine verdiente Plattform erhält, das nicht seinem malerischen Schaffen entstammt.
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Matthias Huber: Jahresaussenprojekt für das Kunsthaus Baselland, 7. März bis 31. Dezember, St. Jakob-Strasse 170, 4132 Muttenz.