Am Schluss stellen sich die beiden kriegsmüden Könige, Arthur von Britannien und Oswald von Sachsen, dem ultimativen Zweikampf. Die Wahl der Waffen nimmt aber der Zauberer Merlin für sich in Anspruch. Er entscheidet sich für Blut-Spucken. Aus dem Kampf geht keiner als Sieger hervor, beide Kontrahenten brechen erschöpft zusammen. Keiner kann das Herz der angebeteten Emmeline gewinnen.
Diese Schlussszene ist sinnbildlich für Stephan Kimmigs Inszenierung von «König Arthur». Theater, das auf der Bühne dargestellte Leben wird als Illusion verstanden. Wo zuvor schon viel Blut hat fliessen müssen – Britannien und Sachsen befinden sich im Dauerkriegszustand –, spritzt der so reichlich vergossene Saft aus den Mündern der Herrscher, aus denen zuvor hasserfüllte Tiraden strömten.
Spartenübergreifendes Voll-Theater
«König Arthur» ist eine Semi-Oper von Hernry Purcell und John Dryden aus dem 17. Jahrhundert. Als halbe Oper wird das Werk deshalb bezeichnet, weil die Hauptfiguren nicht singen – ausser in Doppelgängerauftritten –, sondern mit Schauspielern besetzt sind. Gleichzeitig sind die grossen musikalischen Partien mit Chor, Solisten und Orchester weit mehr als Schauspielmusik.
So gesehen ist «König Arthur» eigentlich spartenübergreifendes Voll-Theater. Ein jahrhundertealtes Vorbild für alle Direktoren von Mehrspartenhäusern, die vollmundig versprechen, die Grenzen zwischen Oper, Schauspiel und Tanz hinter sich zu lassen (und es so oft nicht wirklich schaffen).
Arthur ist der legendäre König aus der Camelot-Sage, aber ausser dem Zauberer Merlin taucht keiner der bekannten Protagonisten der Tafelrunde auf und es geht auch nicht um die Suche nach dem heiligen Gral. Sondern eben um die ewige Feindschaft zwischen den beiden genannten Mächten. Eine Fehde, die sich nur noch mit Hilfe von Zauberern weiter anfeuern und schliesslich aus der Welt schaffen lässt.
Ein zeitloses Lehrstück
Doch so einfach ist das in der Basler Fassung nicht. Das Theater hat Drydens hyperpatriotischen und ironisch durchsetzten Text neu schreiben lassen. Der Dramaturg und Autor Ewald Palmetshofer hat daraus ein zeitloses Lehrstück über die verzweifelte Suche nach einem Ausweg aus der ewigen Konfliktbesessenheit der Menscheit gemacht. Und das in einer Sprache, die den Duktus des Originals aufnimmt und bestens mit der stark rhythmisierten Barockmusik korrespondiert.
Entsprechend ist Merlin in der Vorlage und in der Inszenierung nicht mehr der mächtige Zauberer des Mittelalters. Steffen Höld zeigt die Figur vielmehr als melancholischen Philosophen im Clownkostüm – eine eindrücklich gebrochene Erscheinung mit einer starken Bühnenpräsenz.
Auch die anderen Figuren treten aus dem eindimensionalen Rollenmuster der Originalvorlage hinaus. Die beiden Könige Arthur (Elias Eilinghoff) und Oswald (Michael Wächter) sind nicht mehr die Kampfmaschinen der Urgeschichte. Dafür ist die von beiden angebetete Emmeline (Lisa Stiegler) umso kämpferischer und selbstbewusster. Etwa wenn sie sich gegen die fiese Anmache durch den bösen Zauberer Guillamar (Max Mayer) zur Wehr setzt. #MeToo lässt grüssen, aber in unaufgesetzter und unaufdringlicher Art.
Pures Zaubertheater
Das heisst aber nicht, dass die Figuren und die Handlung aus der Zauberwelt voll auf den Boden der Realität zurückgeholt werden. Dafür sorgt alleine schon die zauberhafte Musik Purcells, gespielt vom Barockorchester La Cetra unter der Leitung von Christopher Moulds. Dazu kommt eine ganze Menge an Zauberwesen, die sich nach wie vor in die Handlung einmischen. Zum Beispiel der böse Erdgeist Grimbald (Vincent Glander) und der hinreissend komische Luftgeist Philidel (Carina Braunschmidt).
Regisseur Kimmig stellt seinerseits sicher, dass man pures Zaubertheater zu sehen bekommt. Mit verschiedenen Bühnenvorhängen und -prospekten, die stetig neue Raumdimensionen schaffen, lehnt er sich deutlich spürbar an das Zaubertheater des Barocks an.
Beeindruckend ist aber in erster Linie, wie die Inszenierung und das Ensemble es schaffen, aus dem revueartigen Aufbau des Abends ein organisch korrespondierendes Ganzes zu schaffen. In einer grossen Selbstverständlichkeit verschmelzen Sprech- und Musiktheater sowie Tanz miteinander, während spartenübergreifende Projekte sonst allzu oft diese Grenzen nicht zum Verschwinden bringen vermögen.
Keine Wünsche offen gelassen
So wird «König Arthur» schliesslich zum grossen Bühnenfest, das eigentlich keine Wünsche offen lässt. Eines mit viel Dramatik, mit Tiefgang, grossem Witz, eindringlichen Bildern und herrlicher Musik. Ein hervorragend aufspielendes Ensemble (inklusive ein ausgesprochen spiellustiger Chor) sorgt dafür, dass man sich dem Zauber des Abends nicht entziehen kann.
Dieser dauert mit vier Stunden recht lang. Aber keine Sekunde davon erscheint zu viel. Das zumindest der Eindruck an der Premiere, an der das Publikum am Schluss noch genügend Energie aufbrachte, frenetisch und lange andauernd zu applaudieren.
«König Arthur», Semi-Oper von Henry Purcell und John Dryden in einer Neudichtung von Ewald Palmetshofer. Theater Basel. Weitere Vorstellungen bis 16. Dezember.