Das Theater in der Aktualitätsfalle

Regisseur Volker Lösch deutet am Theater Basel Frischs «Biedermann und die Brandstifter» zum Pamphlet gegen die Xenophobie um, die sich im Ja zur Masseneinwanderungsinitiative manifestiert. Und er führt damit das Schauspielensemble vielleicht gutgemeint, aber allzu plakativ in die Sackgasse.

Frischs «Biedermann und die Brandstifter»: Als die SVP-Karikaturen leufen lernten (Bild: Judith Schlosser)

Regisseur Volker Lösch deutet am Theater Basel Frischs «Biedermann und die Brandstifter» zum Pamphlet gegen die Xenophobie um, die sich im Ja zur Masseneinwanderungsinitiative manifestiert. Und er führt damit das Schauspielensemble vielleicht gutgemeint, aber allzu plakativ in die Sackgasse.

Zum Schluss noch dies: David Berger, Darsteller des Biedermanns, tritt nach der Vorstellung auf die Bühne und kündigt eine Resolution der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Theaters Basel zum Abstimmungsresultat über die Masseneinwanderungsinitiative der SVP an: Man gibt sich empört, weist darauf hin, dass gerade das Theater doch Beispiel für eine multikulturelle Bereicherung des schweizerischen Alltags dastehe und so weiter.

Das ist an und für sich richtig und gut! Fand zumindest eine ganz grosse Mehrheit des anwesenden Premierenpublikums im Schauspielhaus. Wäre auch richtig gut gewesen nach einer Opern- oder Ballettpremiere auf der Grossen Bühne, bei der man vielleicht auch den einen oder die andere Andersdenkende erreicht hätte. Hätte aber nicht sein müssen nach einer Vorstellung, die über anderthalb Stunden lang eigentlich nichts anderes war als eben eine Resolution gegen diese Masseneinwanderungsinitiative.

Theater auf der Höhe der politischen Agenda

Auf dem Spielplan stand «Biedermann und die Brandstifter». Von Max Frisch. Das ist der, der diese wunderbaren Worte über das «kleine Herrenvolk» geschrieben hat, das sich in Gefahr sieht, weil es Arbeitskräfte gerufen hat und Menschen gekommen sind. Haben wir gefühlte tausend Mal gelesen in den letzten Tagen, passt ja auch ganz schön zum besagten Abstimmungsergebnis, hat aber mit dem angesetzen Stück gerade mal soviel zu tun, dass es sich um denselben Autoren handelt. Bei Frischs «Biedermann» geht es um etwas anderes.

Aber egal. Theater darf alles (zumindest versuchen), wenn es um den lustvollen und einleuchtenden Transport einer Idee oder Botschaft geht. Aber nur dann, wenn es wirklich funktioniert. Und das tut es zumindest auf der Ebene des eigentlichen Stückes erst einmal erstaunlich gut.

Gespielte SVP-Karikatur

Die beiden urbösen Brandstifter aus Frischs berühmten «Lehrstück ohne Lehre», die von Gottlieb Biedermann in seiner unsäglichen Verdrängung der Realtität ins Haus gelassen werden, sind hier die SVP-Karikaturen der Ausländer. Schmitz, der Ringer, ist Iwan, der Kosovare, der stellvertretend für all die bösen Ausländer auf den bekannten SVP-Plakaten zur Ausschaffungsinitiative von 2010 als Messerstecher oder als Vergewaltiger hingestellt wurde (und auf der Bühne nun furzt, rülpst und vergewaltigt). Sein Kumpane Dr. Phil. heisst hier Carlos (wir wissen natürlich warum) und ist ein am ganzen Körper tätowierter jungen Schlägertyp, der ständig mit seinem Stellmesser spielt.

(Bild: Judith Schlosser)

Zusammen mit den naiven Schweizern bringen sie auf der Bühne des Schauspielhauses in verschiedenfarbig knallig hinterleuchteten Guckkästen (Sarah Rossberg) die SVP-Karikaturen zum Laufen und Sprechen. Regisseur Volker Lösch kann sich dabei auf ein wundervoll knallcharchig aufspielendes Ensemble verlassen – mit David Berger als jämmerlichem Biedermann, Andrea Bettini als widerwärtigem Iwan, Jan Viethen als comicartig gefährlichem Carlos, Cathrin Störmer als hysterischer Frau Biedermann und Claudia Jahn als wacker-aufrechtem Dienstmädchen.

Ach, diese Chöre

Ergänzt werden die gespielten Karikaturen mit grossen Bühnenprospekten, die die bekannten SVP-Plakatmotive auf deftige Art und Weise überhöhen (wohl der Grund dafür, dass das Theater Basel die Aufführung mit der Altersbeschränkung ab 16 Jahren versehen hat). Wer weiss, ob es funktioniert hätte, wenn Lösch es dabei belassen hätte. Aber er tat es natürlich nicht. Löschs Markenzeichen sind, wie er in der vergangenen Spielzeit am Theater Basel in packender Weise mit seiner Produktion «Angst» zeigen konnte, Chöre, die wie im antiken Drama das Geschehen emotionsgeladen kommentieren.

Zwei Chöre treten nun auf der Vorbühne des Schauspielhauses in Erscheinung. Sie bilden den gespiegelten Gegenpol zur «Biedermann»-Spielhandlung. Während im Hintergrund der personalisierte xenophobe Albtraum auf den trottelig-gutmenschlichen Schweizer trifft, erlebt man im Vordergrund den stetig (fremdenfeindlich) mahnenden Chor der Schweizer Feuerwehrleute (Studierende der Hochschule der Künste Bern) und den Chor der verunsicherten «Ausländer/innen, Papierlischwyzer/innen, Migrant/innen, Flüchtlinge, Einwanderer, Second@s, Nichtschweizer/innen etc.»

Plakativ

Mit diesem Gegenpol aber kippt der Abend, der doch eigentlich als Pamphlet gegen das Plakative gedacht ist, selber arg ins Plakative. Der Chor der durch und durch aufrechten und guten Ausländerinnen und Ausländer, der sich auf Aussagen beschränkt wie «die Muslime, die ich kenne, sind weltoffen» oder «Habt keine Angst vor uns», kratzt letztlich ganz heftig an der Grenze zum Sozialkitsch.

Das knappe Ja zur Masseneinwanderungsinitiative der SVP vom 9. Februar bot dem Theater Basel die Chance, ganz nahe am Puls der politischen Aktualität zu sein. Diese im wahrsten Sinne des Wortes brandheisse Aktualität birgt aber auch die Gefahr, dass sich das Theater allzu sehr auf diese versteift. Und genau in diese Aktualitätsfalle ist die Inszenierung von Volker Lösch denn auch getappt. Allzu sehr fokussiert sich der Abend auf die Aussage: He, Ihr Schweizer, es ist ganz und gar nicht gut, wie Ihr da am 9. Februar abgestimmt habt. Auch wenn man dieser Aussage durchaus zustimmen kann: Für einen Theaterabend, der sich mit dem schwierigen Thema Xenophobie befasst, ist das zu wenig.

Theater Basel
«Biedermann und die Brandstifter»
von Max Frisch
Regie: Volker Lösch, Bühne: Sarah Rossberg, Kostüme: Teresa Grosser, Chorleitung: Bernd Freytag
Mit: David Berger, Cathrin Störmer, Andrea Bettini, Jan Viethen, Claudia Jahn, Julian Anatol Schneider, Studierende der Hochschule der Künste Bern und Chor der Ausländerinndn und Ausländer
Die nächsten Vorstellungen: 2., 3., 6., 16., 21., 23., 28. März 2014 im Schauspielhaus des Theater Basel

 

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