Zu seinem 66. Geburtstag überrascht David Bowie mit einem Geschenk an seine Fans: Nach jahrelanger Zurückgezogenheit stellt der Brite einen neuen Song ins Netz und kündigt damit sein 30. Album an.
Lange war es ruhig um ihn. David Bowie begnügte sich damit, von seiner Schaltzentrale in New York aus den Backkatalog zu verwalten. Alte Platten wurden wieder veröffentlicht, Liveaufnahmen auch, leichtes Geld verdient. Dafür musste Bowie keine Strapazen auf sich nehmen. Er, der 2004 nach einem Konzert eine Herzattacke erlitten hatte und in Hamburg notfallmässig operiert werden musste, brach seine Welttournee ab und schonte sich seither. Nur selten trat er in der Öffentlichkeit auf, mal an Filmpremieren seines Sohns Duncan Jones («Moon»), meist im Schlepptau seiner Gattin Iman, einem ex-Model aus Somalia. Mit ihr ist er seit 20 Jahren verheiratet, mit ihr und der gemeinsamen zwölfjährigen Tochter verbringe er auch den Grossteil seiner Zeit, zu Hause in New York, hiess es immer wieder.
Verwahrloster Webauftritt liess Schlimmes befürchten
Bowie im Ruhestand, das wollte nicht so recht zu einem Künstler passen, der immer wieder neue Wege erforscht hat, der 40 Jahre lang produktiv und oft innovativ war. Besuchte man aber seine Website, beschlich einen gar das Gefühl, der Brite existiere gar nicht mehr. Einst State of the Art, was den Internetauftritt von Künstlern betraf, war sein «Bowienet» seit Jahren hoffnungsvoll veraltet, ja, verwahrlost; was dazu beitrug, dass um seinen Gesundheitszustand wild spekuliert wurde.
Und jetzt, wie aus dem Nichts, das: Am frühen Morgen seines 66. Geburtstags macht die Nachricht die Runde, dass Bowie ein Comeback gebe. Die Website hat über Nacht einen Relaunch erlebt, ein neuer Song verbreitet sich viral, mit schwarz-weissem Videoclip von Tony Oursler. Und sein 30. Album ist für März 2013 angekündigt: «The next day» enthält 14 Songs, die Tracklist hat Bowie schon mal ins Netz gestellt.
Erinnerungen an Berlin
«Where Are We Now?», fragt sich Bowie in seinem neuen Song – und erinnert sich zurück an Berlin. Dort lebte er von 1976 bis 1978, zeitweise in einer kaputten, aber auch kreativen WG mit Iggy Pop, für den er Songs wie «China Girl» schrieb und daneben einige seiner ganz grossen Klassiker schuf: So entstand in dieser Phase etwa das unvergessliche «Heroes», zu dem ihn zwei Liebende vor der Berliner Mauer inspiriert hatten (und das er – ebenso unvergesslich – für den Soundtrack von «Christiane F.» auf Deutsch übersetzte).
Bowie in Berlin, das steht für seinen Aufenthalt in der «Welthauptstadt des Heroins», wie er selber mal verlauten liess. «A man lost in time at KaDeWe», singt er nun in seinem neuen Lied, «just walking the dead.» Er erwähnt auch den «Potzdamer Platz» (!) oder die damals angesagte Discothek «Dschungel» an der Nürnbergerstrasse.
Die wehmütige Ballade kommt lange Zeit nicht so recht vom Fleck, hat etwas Einschläferndes, steigert sich zwar gegen Ende durch Gitarre und Schlagzeug (und den anmutigen Bass von Tony Levin), vermag aber nicht an Bowies hymnischen Momente heranzukommen. Zudem vermisst man in seinem fast schon weinerlichen Gesang die Grandezza von früher. Vermutlich ist die hohe Stimmlage bewusstes Stilmittel zum Zweck, um die Fragilität und Wehmut zu vertonen – und um die Verluste zu betrauern, die der wilde Lebensstil der 70er-Jahre nach sich zog.
Produziert wurde der Song – wie offenbar das gesamte Album – von Tony Visconti, der mit Bowie schon in den 70er-Jahren zusammenarbeitete und auch seine letzten Veröffentlichungen veredelte.
Zehn Jahre nach diesem letzten Studioalbum fragt sich Bowie also «Where Are We Now?» Das Lied als Vorbote auf einen sentimentalen Rückblick in Albumlänge? Ein Alterswerk? So richtig warm wird man noch nicht mit dieser neuen Single. Aber vielleicht braucht sie ja Zeit, um zu wachsen. Zeit, die sich Bowie in den letzten Jahren genommen hat. Viel Zeit.