Der Blick schweift nach vorn, der Fang lässt auf sich warten

Das Jahr 2013 markiert einen Umbruch für die Blickfang-Designmesse: Mit dem Umzug vom alternativen nt/Areal in die Glitzerwelt der Messe Basel könnte auch das Publikum der Jungdesigner-Show wechseln. 

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Das Jahr 2013 markiert einen Umbruch für die Blickfang-Designmesse: Mit dem Umzug vom alternativen nt/Areal in die Glitzerwelt der Messe Basel könnte auch das Publikum der Jungdesigner-Show wechseln.

Beinahe befinden sie sich in Blickweite, die Vergangenheit und die Zukunft der Basler Ausgabe der Blickfang-Designmesse. Zwischen der ­neuen Heimat in der Messe-Halle 5 und dem ehemaligen Standort E-Halle auf der Erlenmatt liegen wenige Hundert Meter. Und trotzdem hat man den Eindruck, sich in einer anderen Welt zu befinden.

Links der alte Ort. Dort, wo die so hübsche wie überschaubare Designmesse vor vier Jahren mit unglaublich viel Goodwill und grosser Resonanz startete, sich perfekt in den heruntergekommenen Industriecharme des ehemaligen nt/Areals einfügte und im letzten Jahr über 10 000 Besucherinnen und Besucher anzog.

Rechts der neue Ort: der mächtige Riegel des Platzhirsches, der Messe Basel, die mit internationaler Ausrichtung und professionellem Ambiente punktet und weltweit wahrgenommene Shows wie die Design Miami während der Art Basel beherbergt. Ein Katzensprung, und dennoch ist es schwer, sich der Symbolik zu entziehen, den dieser Wechsel mit sich bringt.

Vertreter der Off-Szene sind skeptisch

Kein Wunder also, dass insbesondere die Vertreter der Off-Szene diesen Umzug in den letzten Wochen teilweise spürbar wenig enthusiastisch aufgenommen haben und auch der Verdacht geäussert wurde, die Blickfang kehre der Mikrowirtschaft den ­Rücken, um im städtischen Establishment anzukommen – und damit auch eine kaufkräftigere Klientel anzusprechen.

Was als Argumentation auf den ersten Blick durchaus plausibel klingt, widerspiegelt allerdings bei genauerem Hinsehen die aktuelle Entwicklung der Blickfang kaum. Erstens ­wären die Verantwortlichen um ­Dieter Hofmann, den Geschäftsführer der ­internationalen Dachorga­ni­sation der Blickfang-Messen, trotz technischer Probleme gerne weiter am alten Standort geblieben.

Andererseits ­stan­den nach dem Abriss des ­alten Lokals nur eine überschaubare Anzahl Ausstellungsräume zur Verfügung, die den Bedürfnissen und dem Budget der Blickfang entsprochen hätten.

Umzug bringt nicht nur Vorteile

So macht Hofmann in seiner unerschütterlich pragmatischen Art keinen Hehl daraus, dass der Umzug seiner Messe vielleicht nicht nur Vorteile bringt. Sei die E-Halle – in den Worten eines hiesigen Sponsors – noch «herrlich abgefuckt» gewesen, und habe allein schon durch die Standortwahl ein Statement gesetzt, was in jungen und alterna­tiven Kreisen für Sympathiepunkte gesorgt habe, sei die Messe Basel ein weltweit operierender Konzern und kein zwischengenutzter Fokusort der Stadtentwicklung.

«Die Halle 5 ist eine schöne Halle, kann aber durch ihr Understatement nicht im gleichen Masse eine Identität stiften», erklärt Hofmann. «Das heisst, es braucht mehr Aufwand, um dem neuen Standort un­seren Stempel aufzudrücken. Wir sind daher eindeutig stärker gefordert, nehmen diese Herausforderung aber sehr gerne an.»

Auch er kann sich vorstellen, dass die neue Heimat einen gewissen Einfluss auf die Zusammensetzung des zukünftigen Publikums haben könnte, «dass möglicherweise ein ­etwas ­älteres, gesetzteres Publikum stärker vertreten sein wird, das niemals den Weg auf die Erlenmatt gefunden hätte – und dass umgekehrt einige junge Design­liebhaber lieber wieder kleineren lokalen Märkten und ­Schauen den Vorzug geben.» Dies ist für Hofmann aber keinesfalls eine problematische Ausgangslage, sondern vielmehr ein mögliches Zukunftsszenario.

Blickfang als Sprungbrett

Eine Jungdesignerin, die sich ­bereits aus dem Messebetrieb zurück­gezogen hat, ist Laura Pregger, ­Gewinnerin des ersten Blickfang-Design­preises und mittlerweile Leiterin des Depot Basel, das bis vor Kurzem, beinahe Tür an Tür zur E-Halle, mit Ausstellungen zu kontemporärem Design lockte. «Für mich war die Blickfang ganz klar ein Sprungbrett, um in Basel wahrgenommen zu werden und wichtige Kontakte zu knüpfen», betont Pregger. Dass sie dennoch nicht mehr an Bord sei, habe verschiedene Gründe.

Einerseits habe sich die Teilnahme aufgrund des Standpreises von 2000 Franken für sie finanziell nicht mehr gerechnet. Andererseits habe das Depot mit Fokus auf kuratierte Ausstellungen und Diskurs über Gestaltung einen anderen Schwerpunkt gesetzt. «Die Messe als Kaufvergnügen und Einblick in die Vielfalt von Produkten und Labels der aktuellen Kreativwirtschaft ist für Basel aber sicher eine Bereicherung.»

Auch die Basler Modeschöpferin Claudia Güdel, die seit zehn Jahren in Zürich, seit Beginn auch in Basel an der Blickfang ausstellt und an der Markgräflerstrasse ihren eigenen Showroom betreibt, lobt das Netzwerk und den Marketing­effekt der Blickfang für den Design­standort. Zunächst sei sie dem Hallenwechsel skeptisch gegenübergestanden, sagt Güdel, aber grundsätzlich gefalle ihr, dass die Blickfang am Standort Kleinbasel festhalte. «Ich denke, viele profitieren direkt oder ­indirekt von der Messe, auch ohne auszustellen.»

Nicht alle sind allerdings so optimistisch wie Güdel, die mit der Modeschau «Habit» im Sud auch einen Begleitevent zur Blickfang organisiert. Mit neu 120 Ausstellern auf 4500 Quadratmetern habe man die Ausstellungsfläche markant vergrössert, ohne dass dies notwendig oder gefragt sei, meinen Skeptiker. Statt eine noch breitere Auswahl wäre eine stärkere Selektion sinnvoller gewesen, um zu verhindern, dass Füllware, Nippes oder Ramsch zu sehen sein wird.

Bereits neue Blickfang-Pläne

Eine Meinung, die Hofmann nicht teilt. «Sicher ist es aktuell nicht so dringlich, die Fläche zu vergrössern wie möglicherweise in einigen ­Jahren. Aber das gibt uns umgekehrt die ­Gelegenheit, uns auf die Entwicklungen einzustellen und früh­ auf Bedürfnisse reagieren zu können.»

Ausserdem seien die rund 40 Prozent zusätzliche Fläche in erster Linie genutzt worden, um die bisher engen Durchgänge zu verbreitern und dem Messebesucher ein ­Gefühl grösserer Übersicht zu ­geben, sagt der Blickfang-Chef. Zusätzlich habe man nun eine grosse Lounge in die Halle gebaut, um die Lust am Verweilen und am Austausch zu stärken.

Dass das Ausstellerinteresse nicht parallel zur Fläche steige, gibt Hofmann zu, er sieht darin aber keinen Grund zur Besorgnis. Das Ziel der Blickfang sei, «nachhaltig Schritt für Schritt zu wachsen, statt überstürzte Entscheide zu treffen».

Für Hofmann liegt der Wermutstropfen eher beim geringen Interesse der regionalen Designer an der gemeinsam mit der Initiative Kreativwirtschaft Basel lancierten Sonderschau «BlickfangLocals», dessen Hintergründe er noch nicht kenne. Zur Debatte stünden derzeit eine stärkere saisonale Fokussierung ­sowie Sonderschauen zum Thema Garten oder Velo. Das Konzept einer Kindermesse habe dagegen nicht vollends überzeugen können.

Einzelne Rückschläge scheinen Hoffmann jedenfalls nicht allzu sehr zu verunsichern. Er ist bereits dabei, im Dezember eine weitere Blickfang-Messe aufzugleisen. Als Standort seien skandinavische sowie Benelux-Länder im Gespräch.

Blickfang Designmesse, 8. bis 10. März, Halle 5, Messe Basel. Öffnungszeiten: Freitag, 14 bis 22 Uhr; Samstag, 10 bis 20 Uhr; Sonntag, 11 bis 19 Uhr.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 08.03.13

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