Thomas Weber verkauft sich im Regierungsratswahlkampf als Brückenbauer. Doch abgestimmt hat der SVP-Hardliner im Landrat häufig gegen CVP und FDP.
Thomas Weber wirkt nicht wie ein Hardliner. Offen, nett, gewinnend – so umschreiben ihn selbst politische Gegner. Und so präsentiert ihn auch die SVP in ihrer Kampagne für den Baselbieter Regierungsrat. Im Kampf um die entscheidenden Stimmen in der politischen Mitte lächelt Weber mit seinem Kontrahenten, SP-Nationalrat Eric Nussbaumer, von den Plakatwänden um die Wette. Er zeigt sich als Teamplayer, umgeben von ebenso netten Menschen. Ein Brückenbauer, kein SVP-Hardliner, so die Botschaft.
Doch politisch ist Weber schwer zu fassen. Zwar gab es von ihm ein Smartvote-Profil. Aber dieses ist veraltet und auf die nationale Politik ausgerichtet. Dass er etwa eine sehr restriktive Migrationspolitik vertritt oder gegen jegliche aussenpolitische Öffnung ist, sagt sehr wenig über seine Eignung als Baselbieter Regierungsrat aus.
Um Weber fassbarer zu machen, analysierte die TagesWoche deshalb eine Stichprobe seines Abstimmungsverhaltens bei umstrittenen Vorlagen – und zwar querbeet durch den politischen Garten.
Und dabei zeigt sich, dass der Regierungsratskandidat wie ein strammer Parteisoldat abstimmt. Häufig gegen die CVP, nicht selten auch gegen die FDP. So wollte er gegen den Willen der bürgerlichen Partnerparteien zum Beispiel keine verstärkte Zusammenarbeit mit Basel-Stadt und falls nötig neue Gesetze schaffen, um Chaoten rasch aburteilen zu können. Sogar den Finanzplan, welcher der Regierung als Grundlage für die nächsten Jahre dient, lehnte er ab. CVP und FDP waren geschlossen dafür.
Kein Brückenbauer
Weber ist damit in seiner Partei in guter Gesellschaft: In der Stichprobe gab es auch unter seinen Fraktionskollegen nur wenige Abweichler. Doch selbst bei der Petition für einen besseren Lärmschutz entlang der H2, den mehrere seiner Parteikollegen guthiessen, wich er nicht von der Mehrheitsmeinung seiner Partei ab.
Natürlich ist es völlig legitim, seine Überzeugungen zu vertreten und konsequent auf der Parteilinie abzustimmen. Von einem, der sich aber ausdrücklich als Brückenbauer gibt, wäre doch zu erwarten, dass er auch einmal von der Parteimeinung abweicht und zumindest ab und zu auch mit der politischen Mitte stimmt.
Ausgerechnet zum Auftakt des Regierungsratswahlkampfs verwandelt sich der stramme Parteisoldat zu einem Brückenbauer, weil er jetzt auf Stimmen aus der politischen Mitte angewiesen ist. Ein Video, das ihn als Scharfmacher im Nationalratswahlkampf zeigte, wurde plötzlich gelöscht. FDP und CVP präsentieren den SVP-Kandidaten als gemeinsamen bürgerlichen Nenner.
Der CVP müsste der SP-Kandidat näher stehen
Dass es bei der jeweils pünktlich zu Regierungsratswahlen viel beschworenen bürgerlichen Zusammenarbeit viel mehr darum geht, möglichst viele Regierungsratssitze untereinander aufzuteilen, als um gemeinsame inhaltliche Positionen, zeigt auch eine Studie des Politikwissenschaftlers Christian Bolliger. Er untersuchte im Auftrag der «Basler Zeitung» bei 50 Abstimmungen, welche Parteien wie häufig im Landrat gemeinsam abstimmen.
Während FDP und SVP noch ähnlich häufig übereinstimmen (79 Prozent) wie Grüne und SP (77 Prozent), gilt dies überhaupt nicht für die CVP und SVP: Die CVP stimmte gar häufiger mit den Sozialdemokraten und Grünen (65 respektive 67 Prozent) als mit der SVP (54 Prozent). Die SVP ist gar jene Partei, mit welcher die CVP im Landrat am seltensten gleicher Meinung war.
Inhaltlich müsste SP-Kandidat Eric Nussbaumer deshalb der CVP näherstehen. Trotzdem unterstützt die CVP den SVP-Kandidaten Thomas Weber. «Die CVP vertritt die Haltung, dass der Erhalt der bürgerlichen Mehrheit in der Baselbieter Regierung erste Priorität hat», so die Begründung. Und Thomas Weber bringe sämtliche Eigenschaften mit, die entscheidend seien für eine erfolgreiche Regierungstätigkeit.
Kein Verhandlungspartner
Ist SVP-Kandidat Weber also doch ein Brückenbauer, wenn ihn selbst die CVP empfiehlt? Die SP-Landrätin Regula Meschberger, die mit Weber in der Personalkommission sitzt, winkt ab: «Ein Brückenbauer kann durchaus auch klare Positionen vertreten. Aber er muss aktiv zuhören, auf politisch anders Denkende zugehen können, um mehrheitsfähige Kompromisse zu finden. Und so habe ich Thomas Weber nicht kennengelernt.»
Und der Grüne Stephan Grossenbacher, der Weber auch von der Kommissionsarbeit kennt, doppelt nach: «Thomas Weber geht zwar offen auf Menschen zu, doch wenn es darauf ankommt, ist er linientreu und weder flexibel noch integrativ.»
Klaus Kirchmayr, Fraktionspräsident der Grünen, der sehr oft mit bürgerlichen Landräten Kompromisse verhandelt, hat Thomas Weber noch nie als Verhandlungspartner auf der Gegenseite erlebt: «Entscheidend bei einem Brückenbauer ist immer auch, dass er die eigene Partei von nicht optimalen Kompromissen überzeugen kann. Dazu braucht es üblicherweise ein paar Jahre Erfahrung.» Thomas Weber ist seit 15 Monaten im Landrat.
SVP hat Mühe bei Majorzwahlen
Oskar Kämpfer, Baselbieter SVP-Parteipräsident, lässt diese Kritik nicht gelten: «Thomas Weber hat ausgeprägte Fähigkeiten, zwischen verschiedenen politischen Lagern einen Konsens zu finden, der dann von allen unterstützt wird. Mit ihm als Brückenbauer lassen sich die anstehenden Probleme im Kanton lösen.»
Nicht nur in der Partei, auch im Landrat habe er dies bewiesen, so der Parteipräsident. Dass Weber konsequent gemäss Parteilinie abstimme, habe damit nichts zu tun. Schliesslich werde vor der Abstimmung im Plenum um Kompromisse gerungen.
Für den Politologen Michael Hermann ist es wenig überraschend, dass die SVP versucht, ihren Kandidaten als Brückenbauer zu positionieren. «Die SVP hat bei kantonalen Majorzwahlen grosse Mühe zu bestehen. Denn bürgerliche Brückenbauer gehen eher zur CVP oder FDP, weil ihnen dort das Klima besser entspricht.»
In der Stichprobe der TagesWoche findet sich schliesslich doch noch eine Abstimmung, in der Weber von der Mehrheitsmeinung der SVP abweicht: Er heisst das Budget für die Beratungsstelle für Schwangerschaft und Beziehungsfragen in der Schlussabstimmung gut. Dies obwohl er zusammen mit der gesamten SVP zuvor mit einem Antrag gescheitert war, das Budget ebendieser Beratungsstelle auf 840 000 Franken zu kürzen. Die FDP hingegen war grossmehrheitlich gegen diese Kürzung, und die CVP stimmte geschlossen dagegen.
Hier die Stichprobe: Abstimmungsverhalten, ausgewertet nach Parteizugehörigkeit
Verfahrenspostulat der SVP-Fraktion: Effizienz im Landrat durch Redezeitbeschränkung.
Neubau Sammlungszentrum Augusta Raurica; Projektierungskreditvorlage Schlussabstimmung.
Motion von Hans-Jürgen Ringgenberg, Effizientere und schnellere Aburteilung von Chaoten, Vandalen, Schlägern und Hooligans Überweisung.
Motion von Hanspeter Weibel: Guültigkeitsdauer von Verpflichtungskrediten Überweisung.
Postulat, Höherer Kinderabzug bei Selbstbetreuung der eigenen Kinder.
Bericht der Petitionskommission vom 5. Juni 2012: «Kein Angriff auf die Uni Basel». Überweisung der Petition.
Bericht zum Postulat 2010/076 von Christian Steiner, CVP/EVP-Fraktion: Erhöhung der Studiengebühren für ausländische Studierende.
Sanierung der Personalvorsorgeeinrichtung der Universität Basel Schlussabstimmung LRB
Postulat der SVP-Fraktion: Spar- und Optimierungspotential im Bildungswesen ohne Bildungsabbau.
Postulat von Christoph Hänggi vom 3. November 2011: Aufgabenhilfe und gezielte Nachhilfe.
Postulat von Eva Chappuis: Das Theater Basel braucht das Baselbiet – und umgekehrt!
Postulat von Philipp Schoch: Entkopplung Stromabsatz – Gewinn Überweisung
Postulat Progressive Stromtarife Überweisung
Motion von Sarah Martin: Änderung des Energiegesetzes: Verpflichtung der Stromversorgungsunternehmen zur Einführung eines Standard-Strommix, der zu 100% aus erneuerbarer Energieproduktionen stammt.
Motion von Klaus Kirchmayr: Photovoltaik auf alle Gut- und Best-Dächer bei gegebener Wirtschaftlichkeit.
Motion von Klaus Kirchmayr vom 19. Mai 2011: Totalrevision des kantonalen Energiegesetzes.
Petition «Besserer Lärmschutz für die H2» Überweisung.
Motion von Urs-Peter Moos: «Mehr Gemeindefusionen im Baselbiet!»
Postulat betreffend Eliminierung von Fehlanreizen bei den Ertragssteuern für Firmen.
Finanzplan und Finanzstrategie Genehmigung des Finanzplans.
Postulat: Für eine verstärkte Zusammenarbeit mit dem Kanton Basel-Stadt.
Verpflichtungskredit für die Beratungsstellen für Schwangerschafts- und Beziehungsfragen für die Jahre 2013-2016. Schlussabstimmung.
Kürzung Gesamtbeitrag auf 840’000.- Franken (Antrag SVP) für die Beratungsstellen für Schwangerschafts- und Beziehungsfragen für die Jahre 2013-2016.
Motion von Oskar Kämpfer: «Regionalplanstelle» Überweisung an den Regierungsrat.
Nichtformulierte Volksinitiative «Ja zu Wildenstein und Schloss Bottmingen»; Gegenvorschlag des Regierungsrates
Dringliche Interpellation der SVP: Was geschieht gegen den Kriminaltourismus?
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 08.03.13