Der Festival-Flop zu St. Jakob

Basel war nach langer Zeit wieder Schauplatz eines grossen Rock-Festivals – und die Veranstalter danach konkurs.

Alice Cooper zündete am Sonisphere ein Schockrock-Spektakel. Aus Sicht einiger Besucher waren auch andere Aspekte des Festivals ein kleiner Horror. (Bild: Dominik Plüss)

Basel war nach langer Zeit wieder Schauplatz eines grossen Rock-Festivals – und die Veranstalter danach konkurs.

Man hätte sich so gerne ein Heavy­-Metal-Happening mit Happy End gewünscht. Ein Musikfest, das Basel wieder unübersehbar auf die Open-Air-Landkarte der Schweiz gesetzt hätte. So wie in den 80er- und 90er-Jahren, als die grössten Popstars auf ihren Welttourneen im Joggeli Halt machten: U2, AC/DC, Michael Jackson oder Pink Floyd.

Die grösste Konzertagentur der Schweiz, Good News, hatte diese jeweils nach Basel gebracht. Bis, ja, bis diese 2004 nach dem Konzert des altehrwürdigen Duos Simon & Garfunkel eine Rechnung für das Polizeiaufgebot erhielt, die vermuten liess, dass Basel-Stadt von einem Hochrisiko-Konzert, einem Aufmarsch von Folkmusic-Hooligans ausgegangen war: 56 000 Franken.

Ein zweiter Anlauf

Good News erachtete dies als unverhältnismässig, ging bis vor Bundesgericht, verlor den Fall – und kehrte dem St.-Jakob-Park fortan den Rücken. Auf einmal musste man für ein Freiluft-Konzert von U2 nach Zürich und für eines von AC/DC nach Bern pilgern.

So wurde es in den Sommermonaten ruhig im Grenzbereich zwischen Basel, Muttenz und Münchenstein. Die Mauern des Fussballstadions wurden fast ausschliesslich von den Schlachtrufen der Fussball-Fans erschüttert. Dass es, abgesehen vom charmanten Kulturfloss, still geworden war um die einst stolze Open-Air-Stadt Basel, entging auch den Behörden nicht. Weshalb sie die Konzertagentur Free & Virgin mit offenen Armen empfingen, als diese einen neuen Standort für das Sonisphere Festival suchte.

Dieses fand 2010 erstmals in der Schweiz statt, im sanktgallischen Jonsch­wil, wo es eine grosse Schlammspur hinterlassen hatte. Das Gelände: ein Sumpf. Der Goodwill bei der Gemeinde: verspielt.

Immerhin war der Publikumsaufmarsch zufriedenstellend gewesen, die Headliner Metallica hatten rund 50 000 Besucher angelockt. Das erhoff­te man sich auch von der zweiten Ausgabe, bei der die Äxte nun auf zwei Basler Bühnen geschwungen werden sollten: im Fussballstadion und in der St. Jakobshalle. Alte Grössen wie Iron Maiden oder Alice Cooper standen gross auf der Affiche, aber auch Vertreter des Nu-Metal, wie zum Beispiel Slipknot.

Stolz präsentierten Free & Virgin, das Standortmarketing und die Betreiber der Sportanlagen ihr gemeinsames Vorhaben und stellten in Aussicht, dass man dieses Festival jährlich nach Basel bringen wolle.

Doch der Vorverkauf lief harzig. In Fan-Foren war zu lesen, dass der Preis für das Programm mit 160 Franken hoch angesetzt sei. Im Frühjahr 2011 schraubte Free & Virgin die Erwartungen herunter: Statt im St.-Jakob-Park sollten die grössten Bands nun im Leichtathletik-Stadion auftreten. Wer ein Sitzplatzticket erworben hatte, würde mit Getränkebons für die Umstellung entschädigt.

Der Eröffnungsabend, zu dem rund 9000 Besucher angereist waren, offenbarte organisatorische Mängel: Der Campingplatz war rasch überfüllt, zahlreiche Metal-Fans richteten sich auf eine Übernachtung in den Rabatten ein. Die Schlange vor dem Eingang zur Halle war lang, die Verpflegungsstände geschlossen, die Sicherheitsvorkehrungen wiesen Lücken auf. «Satte Sets, dürftiges Drumherum», titelte die «Basler Zeitung» tags darauf.

Ein schaler Nachgeschmack

Am Freitag meldeten sich lärmempfindliche Anwohner, am Ende blieben Organisation und Publikumsaufmarsch hinter den Erwartungen zurück. War Free & Virgin ursprünglich mal von einer Kapazität von 45 000 Besuchern ausgegangen, so zählte man nur 21 000 Eintritte. Der Flop hatte weitreichende Konsequenzen: Viele Rechnungen blieben unbezahlt. Im Herbst meldete Free & Virgin, eine GmbH mit Sitz in Zürich, Konkurs an. Für einen schalen Nachgeschmack sorgte die Tatsache, dass die beiden Gesellschafter fast gleichzeitig eine neue Konzertagentur gründeten.

Von einem Reinfall mag das offizielle Basel nicht sprechen, auch wenn Michel Loris-Melikoff, Geschäftsführer der St. Jakobshalle, Verbesserungspotenzial ortet. «Es ist nun mal viel einfacher, auf einer Wiese ein Festivalgelände zu errichten als in der Agglomeration einer Stadt, in einem Leichtathletikstadion und einer Eventhalle», sagt er.

Ob 2012 wieder ein Sonisphere Festival in der Schweiz stattfinden wird, ist fraglich. Gerüchten zufolge soll sich die Agentur Good News für die Lizenz interessieren und Standorte in der Westschweiz prüfen.

Ein zweites Festival, das 2011 erstmals in Basel stattfand, hält der Stadt die Treue: Mit «Summer Stage» brachte die lokale Agentur Act Entertainment im August Sinéad O’Connor und die Söhne Mannheims auf die Kunsti Margarethen. Es soll 2012 erneut stattfinden. Allerdings an einem neuen Standort.

 

Kleine Zugabe: Slipknot am Sonisphere Festival.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 30/12/11

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