Dieser Tage wird Richard III., 530 Jahre nach seinem Tod, feierlich beigesetzt. Und England gedenkt eines Königs, der dank Shakespeare als faszinierendster aller Bösewichte längst Unsterblichkeit erlangt hat.
Was für eine Ansage gleich zu Beginn:
«Und darum, weil ich nicht als ein Verliebter
Kann kürzen diese fein beredten Tage,
Bin ich gewillt, ein Bösewicht zu werden
Und feind den eitlen Freuden dieser Tage.»
Dies bekundet der Herzog von Gloster, nachmals König Richard III., in seinem Eingangsmonolog zur Tragödie «Richard III.». Damit das Publikum sogleich weiss, was es geschlagen hat. Der missgestaltete Krieger, der in der eben angebrochenen Zeit des Friedens keinen Platz für sich sieht, kündigt an, dass er über Leichen geht und gehen wird, um die Karriereleiter zum Königsthron von England emporzusteigen.
«Anschläge macht‘ ich, schlimme Einleitungen,
Durch trunkne Weissagungen, Schriften, Träume,
Um meinen Bruder Clarence und den König
In Todfeindschaft einander zu verhetzen.»
Es sind viele Morde, die Richard begeht oder begehen lässt, einhergehend mit brutalstem Kalkül und unglaublichem Charisma. Man stelle sich vor: Richard wirbt noch am Grab ihres Mannes, den er (samt Schwiegervater) ermordert hat, um Prinzessin Anne, die um Richards Taten weiss, ihn aber letztlich doch heiratet.
Mörder ohne Skrupel
Mit Richard III. schuf William Shakespeare um 1593 den wohl grandiosesten Schurken der Dramengeschichte. Gewiss. Auch andere Protagonisten aus Shakespeares Werk hinterlassen deutliche Blutspuren. Doch anders als zum Beispiel der andere grosse Königsmörder Macbeth legt Richard bei seinen Taten keinerlei Skrupel an den Tag.
Und ebenfalls anders als Macbeth ist König Richard III. eine historische Figur, die 1452 das Licht der Welt erblickte, 1483 zum König gekrönt wurde und zwei Jahre danach auf dem Schlachtfeld starb. Übrigens nicht als Held, so erzählt es zumindest Shakespeare, sondern als Feigling, der am Schluss («Ein Pferd! Ein Pferd! Ein Königreich für ein Pferd!») das Weite suchen möchte.
Faszinierender Bösewicht
Es ist die Faszination des Bösen, die Richard III. zu einer der bekanntesten Figuren des an herausragenden Charakteren nicht gerade armen Werks von Shakespeare und damit unsterblich gemacht hat. Kein Wunder, dass nun die Entdeckung von Richards Überresten, die fünf Jahrhunderte lang verschollen waren, für grosse Aufmerksamkeit sorgen.
Das Skelett des ehemaligen Königs wird nun mit so viel Pomp, wie dies nur in England vorstellbar ist, nachträglich feierlich und würdevoll zu Grabe getragen. Sogar eine Krone liess man anfertigen. Königin Elisabeth I. aus dem Hause Tudor, die zu Shakespeares Zeit auf dem Thron sass, dürfte sich angesichts der versuchten Rehabilitation des Sprosses aus dem verhassten Hause der Plantagenet im Grabe umdrehen.
Doch obschon Tausende von englischen Royalisten vor der Kathedrale von Leicester Schlange stehen, um Richard die allerletzte Ehre zu erweisen (oder ihre Neugierde zu befriedigen), werden es die Initianten des würdevollen Begräbnisses wohl nicht schaffen, den miserablen Ruf des Monarchen aus der Welt zu schaffen.
Für einmal (oder müsste man sagen: einmal mehr) ist hier die Kraft des geschriebenen Wortes stärker als die Fakten aus der Forschung. Der miserable Ruf des so prächtig beschriebenen Schurken Richard III. wird sich nicht so leicht aus der Welt schaffen lassen.
Richards Eingangsmonolog in der fulminanten Interpretation durch Ian McKellen in der US-amerikanischen Verfilmung aus dem Jahr 1995 (Regie: Richard Loncraine), in der die Tragödie in ein faschistisches England der 1930er-Jahre verpflanzt wird.