Der Inder Shazeb Arif lädt zur grossen Kunst-Sause

Der Ausstellungsraum Klingental hat sich einen riskanten Kurator ins Haus geholt: Shazeb Arif plant eine Riesenfeier mit 60 Künstlern aus aller Welt. Kommt das gut? Und ob!

Hat Grosses vor: Shazeb Arif.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Der Ausstellungsraum Klingental hat sich einen riskanten Kurator ins Haus geholt: Shazeb Arif plant eine Riesenfeier mit 60 Künstlern aus aller Welt. Kommt das gut? Und ob! Ein Gespräch übers Künstlersein in Indien, den Reiz des Unmittelbaren und wieso Basel nicht Bombay ist.

Seit ein paar Tagen ist der Ausstellungsraum Klingental in seinen Händen: Shazeb Arif, Stipendiat des Atelier-Mondial-Recherche-Stipendiums, indischer Kurator und Künstler, grosse Brille, grosse Ideen. Das meinten auch Alexandra Stäheli vom Atelier Mondial und Bruno Steiner vom Ausstellungsraum Klingental, als sie vergangenen Freitag seine Ausstellung eröffneten. Stäheli redete von einem «ungewöhnlichen Konzept», und Steiner meinte augenzwinkernd: «Es war ein Risiko. Aber: No risk, no fun!»

Shazeb Arif hatte sie überzeugt. Dabei war der Plan, den der junge Kurator aus Bombay in seiner Bewerbung formulierte, durchaus gewagt: Ein riesiges Festival wollte er organisieren, mit Musik und Essen und 60 Künstlern aus aller Welt. Drei Tage und Nächte lang Veranstaltungen, Screenings und Happenings – mitten im und um den Ausstellungsraum Klingental. Eine anspruchsvolle Aufgabe für einen Kurator, der die Stadt nicht kennt und nur ein paar Monate Zeit hat. Würde man meinen.

Doch dem war nicht so: Arif legte gleich nach seiner Ankunft los, organisierte bereits im Vorfeld des Festivals zahlreiche Performances und Veranstaltungen und vernetzte sich mit lokalen Künstlern.

Und nun steht das Resultat von Shazeb Arifs Schaffenswut vor der Tür: «Blackoutbasel», ein Festival, das nächsten Freitag die Türen öffnet und genau das verspricht, was angekündigt war: drei Tage lang Musik, Kunst und Essen. Gestresst scheint der umtriebige Kurator angesichts der nahenden Veranstaltung aber kaum zu sein: Entspannt steht er im Ausstellungsraum, stellt seine zahlreichen Mitarbeiter vor und fängt – noch bevor man wirklich die erste Frage gestellt hat – an zu erzählen.
 

Shazeb Arif, Sie bewarben sich mit einem mutigen Programm…

(lacht) Ja, ich war ehrlich gesagt auch erstaunt, als sie mich ausgewählt haben. Normalerweise braucht man für solche Stipendien einen «heavy CV», einen sehenswerten Lebenslauf mit vielen Ausstellungen in Galerien, mit Solo-Shows und Projekten. Das hatte ich alles nicht, das hier ist meine erste Show in einem Ausstellungsraum. In Bombay organisiere ich überwiegend Festivals und spontane Projekte im Stadtraum. Auch das «Blackout»-Projekt, mit dem ich mich hier bewarb: Es fing 2012 als kleines Fest in Bombay an, mit 250 Leuten über drei Tage, in meiner kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung in Bombay.

250 Personen in einer Zwei-Zimmer-Wohnung?

Genau. Es war ja über drei Tage verteilt, da ging das gut. Es war wenig geplant, wir wollten einfach Erfahrungen sammeln und schauen, was sich spontan ergibt. Es gab was zu essen, Mode, eine Buchvernissage, ein experimentelles Musiklabor, eine Chatshow und ein Zelt fürs Übernachten. Wie ein Open-Air-Festival, einfach in einem Innenraum. Als Hommage an den Untergrund in Bombay, der langsam, aber sicher ausstirbt.




Eine Brille, so gross wie die Ideen: Shazeb Arif. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Inwiefern?

In Bombay ist es sehr schwierig, experimentelle Kunst zu finden, geschweige denn zu betreiben. Atelierräume, Ausbildungsplätze und Stipendien gibt es nur für Künstler, die traditionelle Kunst machen. Kunsthandwerk, Malerei oder Skulptur. Kunst für kommerzielle Galerien. Wer nicht zu dieser Szene gehören will, hat es sehr schwer. Schliesslich muss man ja auch Geld verdienen. Das ist ein Problem: Als Künstler, der nicht ins System passt, musst du in Bombay zusätzlich in anderen Bereichen arbeiten, um Geld zu verdienen. Zeit für Kunst bleibt da kaum noch. Deshalb habe ich mich auch für dieses Stipendium beworben – um Zeit zu haben.

Wie war Ihre erste Zeit in Basel?

Am Anfang wollte ich wieder nach Hause (lacht). Plötzlich hatte ich all diese Zeit, um wirklich zu machen, was ich wollte. Um Menschen kennenzulernen, das Projekt voranzutreiben. Das war schon überfordernd. Aber ich lebte mich schnell ein. Und fand zum Glück auch tolle Menschen, die sich meiner annahmen. So war es einfacher, eine Community aufzubauen, mit der ich schliesslich das Festival plante.

«Künstler, die nicht ins System passen, habens in Bombay schwer.»

Und jetzt ist es so weit.

Genau, die Ausstellung steht zwar schon, ändert sich aber ständig, wie eine Art Live-Labor. Für das Festival selbst sind 60 Künstler aus 6 Kontinenten eingeladen, die während drei Tagen und Nächten zusammen arbeiten. Das ist es, was mich fasziniert: Was entsteht, wenn kreative Menschen für wenige Tage zusammentreffen? Die Schönheit des Plötzlichen, Unmittelbaren in einer «open celebration», einer offenen Feier. Für Künstler und fürs Publikum. Und so, wie das Publikum hier in der Schweiz ist, freue ich mich besonders.

Wie ist das Schweizer Publikum denn?

Hier siehst du Menschen, die keine Kunst machen und trotzdem daran interessiert sind. Sie kommen vorbei, sie schauen sich die Ausstellungen an, sie partizipieren. In Indien wäre das undenkbar. Dafür wird hier schnell festgelegt, wie Kunst gehandhabt werden soll. Kürzlich habe ich bei einem Ausstellungsaufbau ein Streitgespräch zwischen einem Künstler und einem Kurator mitgehört, wo der Kurator meinte, das Bild müsse genau auf einer bestimmten Höhe gehängt werden, weil man das «eben so mache». Dieses Argument macht für mich keinen Sinn. Bei «Blackout» kommen Kunst und Kultur zusammen, das hohe Pferd fällt weg. Alle werden eingebunden und sollen gemeinsam feiern und Teil des Kunstwerks sein. Das wünsche ich mir. 

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«BLACKOUTBASEL», Ausstellung vom 6. bis 20. September, Festival vom 11. bis 13. September, Ausstellungsraum Klingental.

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