«Ant-Man» ist wohl der einzige Actionfilm, den man diesen Sommer im Kino sehen sollte. Wenn man überhaupt einen Actionfilm sehen will. Und wenn man «Ant-Man» überhaupt so nennen will – denn für eine Marvel-Verfilmung ist der Film überraschend zahm.
Irgendwann muss doch mal Schluss sein, denkt man sich angesichts der scheinbar endlosen Serie von Marvel-Filmen im Kino. Oder wahlweise auch: Irgendwann muss doch mal ein Flop kommen. «Guardians of the Galaxy» war ein guter Kandidat für diesen Titel – bis die Space-Action-Komödie 2014 ins Kino kam. Und das Publikum ein weiteres Mal scharenweise dorthin rannte.
Auch «Ant-Man» muss nun gegen Unkenrufe antreten. Was las man nicht alles im Vorfeld über diesen Film, der über zehn Jahre Planung hinter sich hatte, bevor ein erstes Mal die Kamera zum Einsatz kam. Kurz vor der Umsetzung sprang der Regisseur ab: «Ant-Man» war Edgar Wrights Traumprojekt und wurde zu Marvels Sorgenkind, nachdem der Brite wegen «kreativer Differenzen» absprang. Zu viel von seinem originalen Script sei umgeschrieben worden, monierte er – und das neue Drehbuch hatte Mühe, einen Regisseur zu finden.
Schliesslich wagte es Peyton Reed. Und manche sagten schon, der Flop sei programmiert. Doch so weit kommt es wohl auch diesmal nicht. Denn «Ant-Man» schlägt sich unglaublich wacker.
Erstaunlich ist dabei vor allem, dass der Ameisenmann eigentlich ein ziemlich langweiliger Kerl in einem ziemlich angestaubten Anzug ist (der immerhin Superkräfte besitzt). Scott Lang (ein gut gecasteter Paul Rudd) war Krimineller, will sich nun aber bessern. Sein Motiv ist dabei das altruistischste überhaupt: Es geht um seine Tochter, die er erst wieder sehen darf, wenn er einem geregelten Leben nachgeht.
Doch nicht mal der Glacé-Verkäufer will ihm eine Chance geben, und so bleibt ihm nur, über das Angebot eines alternden Wissenschaftlers namens Hank Pym (solide wie immer: Michael Douglas), der seine räuberischen Kenntnisse zur Rettung der Welt nutzen will, zumindest ernsthaft nachzudenken. Denn einer von Pyms einstigen Angestellten (Corey Stoll als Darren Cross aka Yellowjacket) will mit dessen Formel eine ganze Armee von unbesiegbaren Mini-Soldaten ins Leben rufen. Da ist eine gewisse Skepsis vonnöten, und die erste Antwort Langs auf den Vorschlag lautet denn auch prompt: «Wir sollten die Avengers rufen.»
Doch Hank Pym hat seine Erfahrungen mit S.H.I.E.L.D., dem Arbeitgeber der Avengers, gemacht. Die Geheimdienstagentur hatte vor Jahren versucht, ihm seine Erfindungen, mit denen man die Distanz zwischen Atomen verringern und somit Menschen schrumpfen lassen kann, abspenstig zu machen. Und so tritt Ant-Man gezwungenermassen alleine an. Zumindest theoretisch, denn Ameisen sind Herdentiere, und so kann der Mini-Mensch auf die Hilfe zahlreicher sechsbeiniger Kameraden setzen.
Eine kleine Naturkundestunde
Damit lernt der geneigte Kinogänger dann auch gleich etwas: Dass die verschiedenen Ameisensorten der Welt über unterschiedliche Talente verfügen, ohne die der kleine Held – seien wir ehrlich – komplett aufgeschmissen wäre. Fliegen zum Beispiel. Oder Brücken bauen. Und von jenem Punkt an, an dem die kleinen Helferlein auf den Plan treten, gewinnt der Film, der zu Beginn etwas arg dahinplätschert, auch ein bisschen an Fahrt.
Doch «Ant-Man» wird nie zu jener Art Actionfilm wie es zuletzt «Avengers: Age of Ultron» war, der ganze Städte in die Luft hob und auf die Erde plumpsen liess – was Hank Pym übrigens in «Ant-Man» mit einem träfen Spruch und Augenrollen quittiert und damit auch gleich die zeitliche Verortung des Films innerhalb des Marvel-Zeitalters vorgibt, nämlich parallel zur Handlung jenes letzten Avengers-Films.
Die Special Effects in «Ant-Man» werden vorwiegend für das gebraucht, was die älteren Kinobesucher schon aus «Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft!» kennen: Das Klein- und Grossmachen der unterschiedlichsten Wesen und Objekte. Und das hat dann durchaus seinen Reiz, egal ob es sich um den kleinen Held in der übergrossen, schmutzigen Badewanne handelt oder um die Ameise im Riesenformat.
Hallo, mein Kleiner! (Bild: ©Marvel/Disney Studios)
Nach Edgar Wrights Abgang, so hört man, sei das Script umgeschrieben worden in eine Version, die schneller, etwas aggressiver und vor allem humorvoller sei (wobei mit einem Blick auf Wrights bisheriges Schaffen, das Filme wie «Shaun of the Dead» oder «Hot Fuzz» umfasst, das Wort «humorvoller» wohl durch «mainstreamiger» ersetzt werden muss).
Gerade der Humor ist etwas vom Zentralen in diesem Film, auch wenn es zum Glück gewisse Scherze, die im Trailer zu Lachern führten, nicht in den fertig geschnittenen Film geschafft haben. Doch nur schon der Showdown im Kinderzimmer, bei dem die wackelnden Augen von Thomas, der Lokomotive, für skurrile Momente sorgen, gewinnt dadurch, dass der Film sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen scheint.
Trotzdem wäre es spannend gewesen, Edgar Wrights Version zu sehen. Denn wenn es stimmt, was man über die Änderungen am Drehbuch sagt, so wäre es unter seiner Ägide wohl ein gänzlich anderer Film geworden. Einer, der in seinem Verzicht auf altbewährte Marvel-Rezepte vielleicht auch nicht zu den restlichen Filmen dieses Universums gepasst hätte. Das hätte ein Gewinn sein können – oder auch zu dem führen, was die Studios am allermeisten fürchten: zu einem Flop.
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«Ant-Man» läuft ab dem 23. Juli in den Basler Kinos.