Sie sind Musiktheaterspezialist und bezeichnen sich selber als «Freak» in der Opernarbeit. Wie haben Sie es geschafft, in der Luzerner Theaterprovinz ein breites Publikum für sich zu gewinnen?
Ich würde erst einmal widersprechen, dass Luzern Theaterprovinz ist. Manchmal ist man als Freak weniger Fachidiot. Wenn ich Opernkonventionen hinterfragen, kann ich auch Door-Opener sein, kann ich Leute für die Oper gewinnen, die mit dieser Sparte nicht so vertraut sind. Ich habe an der Glaubwürdigkeit des Mediums gearbeitet und viele Arbeitsformen ausprobiert. Ich habe mit anderen Regisseuren und Soundkünstlern zusammengearbeitet und so Wege eingeschlagen, die wegführen vom klassischen Theaterkanon. Daraus ergab sich, dass ich viele Sachen gemacht habe, die zwischen den Sparten anzusiedeln sind. Wenn Sie mich nun auf die Bezeichnung «Freak» ansprechen: Ich bin vielleicht eher ein konservativer Anarchist.
Das heisst aber auch, dass Sie dem Stadttheaterpublikum, den Abonnenten durchaus etwas zumuten?
Zumuten nicht unbedingt. Das Publikum verlangt nach komplexen Themen und Formaten, will aber auch inhaltlich mitgehen können. Da müssen die Behauptungen auf der Bühne natürlich stimmen. Dazu ist eine starke Dramaturgie nötig, Hilfeleistungen, Einführungen in die Produktionen. Wir müssen dem Publikum glaubhaft erklären können, wie wir auf diese Prozesse gekommen sind.
Ihre Arbeit wird immer wieder mit dem Begriff «Raumtheater» in Verbindung gebracht. Was ist damit gemeint?
Ganz einfach: Das ist, wenn man nicht nur den Passepartout, den Rahmen vorne auf der Bühne, bespielt, sondern den gesamten Raum, in dem sich Menschen live versammeln, wo man als Zuschauer live auf Menschen trifft, die für einen musizieren oder sprechen. Raumtheater ist, wenn man diese Gesamtanlage mitinszeniert. Das Publikum soll sich auch mal bewegen können, raus- und wieder reingehen, die Darsteller nahe bei sich spüren. Das hat mit einer rituellen Nutzung des Raums zu tun, die verhindert, dass man drei Stunden unbeweglich im Dunkeln sitzen und nach oben gucken muss. Das fällt auch mir manchmal schwer.
Sie kommen als Musiktheaterspezialist von der Musikstadt Luzern in die Schauspielhochburg Basel. Was bedeutet das für Sie?
Natürlich sehr viel. Ich bin aber kein Intendant, der nur Musiktheater gemacht hat. Ich habe innerlich das klare Bekenntnis zum Mehrspartentheater abgelegt, das ist für mich die schönste Form von Theater, die man machen kann. Aber auch die anstrengendste, weil man viel mehr Premieren bewältigen muss. Diese Häuser haben den Vorteil, dass sie sich auf Formen zwischen den Sparten einlassen können. Ich bin übrigens im Schauspiel sozialisiert worden. Der Weg zum Theater erfolgt für die allermeisten Menschen übers Schauspiel.
Als Nachfolger von Andreas Beck steht Ihnen gerade im Schauspiel eine grosse Herausforderung bevor.
Mir ist sehr bewusst, dass Andreas Beck hier in Basel einen unglaublichen Aufschwung im Schauspiel geschafft hat. Dafür bin ich ihm auch sehr dankbar. Und ich hoffe, dass ich würdig in seine Fussstapfen treten kann. Aber ich hoffe auch, dass dieses Entweder-oder-Denken zwischen den Sparten einmal Vergangenheit sein wird. In einem Dreispartentheater muss ich letztlich dafür sorgen, dass alle drei Sparten stark sind.
Fürs Schauspiel wollen Sie eine «sehr starke Leitung» beiziehen. Die Leitung dieser Sparte werden Sie also delegieren müssen?
Das kann ich ja gar nicht anders bei einem so grossen Haus. Ich setze auf die Arbeit in einem Team, in das ich mich natürlich stark einbringen werde.
Wer wird diese starke Schauspielleitung übernehmen?
Das darf ich jetzt noch nicht sagen.
Aber Sie haben bereits konkrete Namen im Visier?
Klar, ich führe auch schon Gespräche.