Dass Mobiliar durchaus etwas mit mobil zu tun hat und der denkbar komplizierteste Transportweg für eine sperrige Skulptur überaus originell sein kann, das konnte man im Rahmen des Theaterfestival Basel am Sonntag Nachmittag auf dem Kasernenareal erleben.
«Schon etwas seltsam das Ganze», so der Kommentar eines Zuschauers auf dem Kasernenareal. Man kann dem Mann recht geben – wenn man die Bezeichnung «seltsam» nicht negativ besetzt. Denn die Outdoor-Performance «above under inbetween» der Compagnie Willi Dorner war faszinierend seltsam und vergnüglich skurril. Und zum Glück konnte man sie doch noch erleben. Es waren nämlich mehrere Anläufe nötig, um die Aktion, die sich von der Parterre-Buvette beim Eingang zum Areal (sonntags geschlossen, auch während des Theaterfestivals!) bis zum grossen Platz vor der Reithalle zog, zu erleben. Am Freitag und Samstag hatte das miserable Wetter eine Aufführung verunmöglicht, am Sonntag endlich blieb es trocken, und das Fest der kuriosen Interventionen konnte steigen.
Die Performance von Dorners Compagnie beginnt ebenso unvermittelt wie unspektakulär. Ein Mann in normaler Strassenkleidung mischt sich unters wartende Publikum und beginnt, von vielen Anwesenden unbemerkt, mit Kreide einen Quadratmeter Platz zu umranden. Dieser Quadratmeter bietet sieben Personen Platz. Dann, wenn sie sich ganz eng nebeneinanderstellen oder wenn sie sich hauernd und liegend übereinanderstapeln. Ein Traum für einen Städteplaner, der Wohnraum für eine stark wachsende Bevölkerung bereitstellen muss. Aber Willi Dorners Truppe hat ja schon im letzten Jahr, bein ZAP! Performance Marathon mit «bodies in urban space», auf einfrückliche Art und Weise bewiesen, dass sie sich in jede Ecke und Nische zwängen kann.
Zwängen und drängen
Beim neuen Projekt kommen nun nach und nach Mobiliar respektive Möbel dazu. Zuerst ein Stuhl. Da steigt der Platzbedarf bereits auf zwei Quadratmeter. Aber noch immer zwängen und drängen sich die Körper in jeden Zwischenraum, sodass jeder Kubikzentimeter von Körper- und Möbelmasse ausgefüllt ist. Als Zuschauer staunt man, wie sich engste Räume auf unterschiedlichste Art ausfüllen lassen, wie aus einer kleinen Bewegung, ein Kippen oder Drehen um 90 Grad, neue Formen und Formationen ergeben. Klappstühle kommen hinzu. Die Bewegungs- und Formenmuster passen sich an. Ebenso, wenn nun noch zwei Tische, ein kleiner und ein gösserer, dazukommen. Und man staunt weiter, wie sich die kleinsten Zwichenräume durch menschliche Körpermasse in immer neuen Formen und Kombinationen füllen lassen. Das Ganze geschieht ohne Worte, akustisch begleitet nur durch seufzende, sphärische und brummende elektronische Klänge.
Das Mobiliar wächst. Ein Bett, ein Kasten und Kommoden (aus denen Menschen herauswachsen und in die sie wieder verschwinden), ein Garderobengerüst, eine Tonne, Sofasessel, eine Leiter, Matratzen, ein kleines Trampolin kommen hinzu. Das benötigt dann doch mehr Platz. Und aus den langsamen Bewegungen, die an die Nummern von Kontorsions-Artisten erinnern, werden schnellere Abläufe. Aus dem Möbel- und Körperstapeln ensteht eine Art Rube-Goldberg-Maschine, die sich wie beim wohl berühmtesten Beispiel, dem «Lauf der Dinge» von Fischli/Weiss, in einer absurden, aber unterhaltsamen Bewegungs-Staffel stetig weiterwälzt, ohnen dabei einen eigentlichen Sinn zu genrieren.
Spass am Ungewöhnlichen
Und da wären wir prompt bei der Frage nach dem Sinn oder Inhalt einer solchen Intervention. Es geht um neue Raumerfahrungen, darum, Körper und Mobiliar in neuen Formzusammenhängen zu erfahren, zu erleben, dass ein Stuhl nicht nur zum Sitzen, ein Tisch nicht nur zum Decken oder daran arbeiten, ein Bett nicht nur zum Liegen da ist. «Das faszinierende Spiel mit den Wohn-Objekten eröffnet überraschende Einblicke in unsere alltäglichen Bewegungsgewohnheiten, führt sie ad absurdum und entwickelt sich zur choreografischen Aufforderung, unsere (Alltags-) Welt neu zu erleben», heisst es in der Beschreibung der Performance. Das klingt gescheit. Alles in allem ist es es aber einfach der Spass am Ungewöhnlichen, der die Faszination der Arbeit von Willi Dorners Compagie ausmacht.
Das leitet gut über zur zweiten Aktion vom Sonntag Nachmittag, zum «Carry-in-Projevt #9» von Noriyuki Kiguchi. Der japanische Architekt und Künstler hat es sich zur Aufgabe gemacht, sperrige, sich um viele Ecken windende Skulpturen durch enge Gänge und Räume zu bewegen. In Basel hat er sich – ganz von sich aus, wie die Verantwortlichen betonen – den Kopfbau der Kaserne auserwählt, den er zu durchstechen gedachte. Mit Hilfe des Publikums, das ihm mit voller Energie beistehen musste, als es darum ging, die sperrige Plastik den Eingang rein und durch einen engen Raum aus dem Fensten zur Rheinseite des Baus zu bewegen. Ein bisschen erinnerte das Ganze an alte Zeiten, als man während des Umzugs beim Transport eines sperrigen Kastens im zu engen Treppenhaus steckenblieb und nicht wusste, ob es einem nun zum Lachen oder zum Weinen zumute war. Bei Kiguchi überwiegte trotz der Anstrengung, trotz des ständigen Drehens und Wendens des Transportobjekts der Spass.