Mit dem koptischen Intellektuellen Samir Morcos gehört erstmals ein Christ zum engsten Kreis um den ägyptischen Präsidenten. Er ist aber nur Assistent und nicht Vize-Präsident.
Samir Morcos, die Politologin Pakinam al-Sharkawi und zwei Vertreter islamistischer Parteien haben einen etwas sonderbaren Titel. Sie sind Assistenten des ägyptischen Präsidenten. Eigentlich hatte Mohammed Morsi im Wahlkampf versprochen, einen Christen und eine Frau zu Vizepräsidenten zu küren. Das hätte auch bedeutet, dass einer der beiden ins Präsidentenamt hätte nachrücken können, im Fall dass Morsi etwas zustösst. Von einer Frau oder einem Christen regiert zu werden, ist aber für die ultrakonservativen Salafisten ausgeschlossen. Deshalb hat der Präsident den Kompromiss mit den Assistenten gewählt.
Fingerabdruck hinterlassen
Morcos stört sich nicht am Titel. Er empfindet diese Ernennung keinesfalls nur als Dekoration für den Präsidenten sondern als Funktion mit Gewicht, in der er seine Ideen umsetzen könne, wie er gegenüber der Tageszeitung «Sharq al-Awsat» erklärte. Entweder, er könne einen Fingerabdruck hinterlassen oder er gehe, meinte er weiter. Diese Berufung ist für ihn ein Erfolg der Revolution, weil sie die Tür für Menschen ausserhalb der bisherigen Führungselite geöffnet habe und das System des allmächtigen Pharao durch einen Präsidenten ersetzt worden sei, der in einem Team mit Spezialisten arbeitet.
In Morsis Team ist er zuständig für das Dossier demokratische Transformation, was seiner Meinung nach viel umfangreicher ist als das Thema Christen und ihm die Möglichkeit gibt, mit allen gesellschaftlichen Kräften zusammen zu arbeiten. Erste praktische Erfahrungen hat er seit einem Jahr bereits als stellvertretender Gouverneur von Nord-Kairo sammeln können, der Gegend in der er geboren wurde und aufgewachsen ist.
Verfechter des Bürgerprinzips
Wenn der 61-jährige nach seiner Identität gefragt wird, sagt er als erstes «Ägypter». Seine Arbeit als Forscher, Mitarbeiter von Entwicklungsorganisationen und Publizist war in den letzten Jahrzehnten nicht nur geprägt vom interreligiösen Dialog, vor allem propagierte er das Bürgerprinzip. Die Kopten, die rund sechs bis zehn Prozent der ägyptischen Bevölkerung ausmachen, sind für ihn deshalb nicht eine Minderheit, sondern ganz einfach ägyptische Bürger. Allen Bürgern die gleichen Rechte garantieren und Gerechtigkeit für alle schaffen, so sieht er die Lösung für die Diskriminierungen, über die sich Christen aber auch Frauen beklagen. Der unabhängige, liberale, christliche Intellektuelle hat schon in der Vergangenheit gegen den Ausschluss der Muslimbrüder gekämpft, weil sie eine politische Realität seien und immer das Konzept eines «mehrfarbigen» Landes vertreten.
Die Position der ersten Christen im Präsidentenpalast wird keine einfache sein. Die Erwartungen an Morcos sind hoch und die Dominanz der Islamisten im Team eine Tatsache.