«Ich weiss nur zwei Dinge über Sie, und das mit absoluter Gewissheit», sagt Peter Greenaway, die versammelten Journalisten fest im Blick: «Für jeden von Ihnen haben zwei Leute miteinander gefickt, und Sie werden, so leid es mir tut, alle sterben.»
Das klingt drastisch, besonders im Schiff der Basler Predigerkirche, wo der in Aussicht gestellte Triumph des Todes historisch nachhallt: Von 1440 bis 1805 hatte hier der Basler Totentanz die Ummauerung eines längst aufgehobenen Friedhofs geschmückt, bevor die Fresken den aufgeklärten Bilderstürmern der Neuzeit zum Opfer fielen.
Der Verein Totentanz mit Sitz in Basel hat sich deshalb der Aufgabe verschrieben, diesen makaberen Reigen in die Gegenwart zurückzuholen. Für die Umsetzung einer zeitgenössischen Interpretation habe man «in die Sterne gegriffen», wie sich Co-Präsident Matthias Buschle ausdrückt, und mit Peter Greenaway denn auch wirklich einen Star verpflichten können: Der Regisseur von Filmen wie «The Draughtsman’s Contract» (1982) oder «The Cook, the Thief, His Wife & Her Lover» (1989) erzählt vom Lieben, Leben und Sterben mit barocker Wucht.
Multimediale Grabmäler
Das Enfant terrible des britischen Films geniesst bei seiner Stippvisite in Basel sichtlich die Rolle des Provokateurs, der seine sonore Stimme dramatisch in Grabestiefe sinken lässt: Von dort will er den verblichenen Totentanz zu neuem Leben erwecken. Die ursprüngliche Idee, die abgerissene Mauer als Projektionsfläche nachzubauen, habe man jedoch rasch fallen gelassen – der Ärger mit der Polizei wegen Verkehrsbehinderung wäre programmiert gewesen.
Stattdessen werden jetzt rechtzeitig zu Halloween einen Monat lang multimediale Grabmäler inner- und ausserhalb der Predigerkirche zu sehen sein, auf deren Bildschirmen Vertreter der mittelalterlichen Ständepyramide ihrem Ende entgegentaumeln: Könige und Bettler, Geistliche und Laien.
Und das Kino wird gleich mit ins Grab geschickt: Der erklärte Atheist Greenaway hält Kameras, Handys und Laptops für die neue mediale «Dreieinigkeit», die den heutigen Umgang mit Bildern dominiert und den Film verdrängt.
Die Zahl 92
Bei so viel Endlichkeit verfolgt der theoretisch versierte Filmemacher und Professor aber auch durchaus nachhaltige Ziele: Obwohl Bilder und Screens allgegenwärtig seien, beklagt Greenaway das «visuelle Analphabetentum» vieler seiner Zeitgenossen. Seine Projekte sind darum immer auch eine Schule des Sehens, die ein Gegengewicht zur 8000 Jahre währenden Schriftkultur setzen.
«Mit 71 Jahren habe ich mehr Vergangenheit als Zukunft», sagt der vierfache Vater, auf seine eigene Sterblichkeit angesprochen; irgendwann sei es an der Zeit zu gehen. Überstürzen will Greenaway aber nichts.
Er plant weitere Filme, zudem hegt er eine Obsession für die Zahl 92, die Ordnungszahl von Uran im Periodensystem der Elemente: «Ich habe meinen Kindern versprochen, dass ich mindestens so alt werde.» Dann erst will der Regisseur sich bereit machen für den final cut.