Empörung bei Schweizer Filmstudierenden: Das Bundesamt für Kultur hat beschlossen, Schulfilme vom Schweizer Filmpreis auszuschliessen. Auch Basler Studierende sind betroffen.
Am 22. Februar werden die 87. Oscars verliehen. Im Rennen um die bedeutendsten Filmpreise der Welt ist auch ein Schweizer Film: «Parvaneh» von Talkhon Hamzavi. Die Flüchtlingsgeschichte über eine afghanische Migrantin ist in der Kategorie «Bester Kurzfilm» nominiert. Hamzavi hatte damit 2012 ihr Masterstudium an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) abgeschlossen.
Die heimische Filmszene könnte stolz sein. Doch in die Freude mischt sich Unmut. Denn «Parvaneh» ist zwar im Rennen um die Oscars dabei, hat in Berlin bereits den Deutschen Nachwuchspreis «First Steps Award» und in Los Angeles den «Student Academy Award» erhalten, doch würde er unter aktuellen Bedingungen vom Schweizer Filmpreis ausgeschlossen.
Gut genug für die Oscars, zu schlecht für die Schweiz – was läuft hier falsch? Das Problem liegt in einem Beschluss des Bundesamts für Kultur (BAK), das Reglement für die Zulassung zum Schweizer Filmpreis zu ändern.
Flugblatt der Protestierenden mit Schweizer Oscar-Anwärterin Talkhon Hamzavi. (Bild: ZHdK)
Das neue Reglement (nachzulesen auf der Rückseite dieses Artikels) sieht nur noch «unabhängige Filme» vor, also keine reinen Schulfilme. Beim Wettbewerb um den Oscar sei man dabei, bei der wichtigsten Schweizer Auszeichnung dagegen nicht mehr, monieren Studierende und Dozenten. An den Solothurner Filmtagen haben sie darum eine Flyeraktion gestartet.
Laut dieser Bestimmung wäre auch «Parvaneh» vom Schweizer Filmpreis ausgeschlossen, sagt der Basler Kevin Rodriguez, der im Sommer den Bachelor-Studiengang Film an der ZHdK abschliesst. «Wir fühlen uns nicht ernst genommen. So viele gute Filmemacher – gerade im Kurzfilm-Bereich – gibt es ausserhalb der Schulen in der Schweiz nicht.»
Es sei eine Farce, dass man bei zahlreichen wichtigen internationalen Filmfestivals zugelassen sei – ausgerechnet in der Schweiz aber nicht. Rodriguez sagt, dass es für den Nachwuchs so immer weniger motivierend sei, in der Schweiz zu arbeiten. «An der ZHdK gibt es viele Basler, die vom neuen Reglement betroffen sind», ergänzt Rodriguez.
Was heisst denn unabhängig?
Prominente Unterstützung erhalten die Studierenden unter anderem auch von Regisseur Markus Imboden. Der Berner, der seit Herbst 2012 Studiengangsleiter des Masters Film an der ZHdK ist, ist ebenfalls enttäuscht. Für die jungen Schweizer Filmemacher hätte der Entscheid des BAK Folgen.
Bernhard Lehner, Studiengangsleiter des Bachelor Film an der ZHdK, teilt Imbodens Ansicht. «Der Schweizer Filmpreis ist eine wichtige Plattform, gerade für junge Menschen, die am Anfang ihrer Karriere stehen. Sie davon auszuschliessen, erschwert den jetzt schon mit vielen Hindernissen belasteten Eintritt in die Filmszene zusätzlich.»
Dabei sei die Definition des Begriffs Unabhängigkeit umstritten. «Die Hochschulen sind der Meinung, dass die künstlerische Unabhängigkeit der wesentliche Faktor für die Zulassung zum Schweizer Filmpreis sein sollte», sagt Lehner. «Alle Filmprojekte sind grundsätzlich von den Fördergremien abhängig, ohne öffentliche Förderungen kommen praktisch keine Filme zustande.»
Zu spät reagiert, sagt das BAK
Das BAK hatte die Studienleitungen Ende November 2014 in einem Brief über die neue Massnahme informiert, sagt Lehner. «Die Änderung im Reglement wurde im August letzten Jahres anlässlich der Ausschreibungen für den Schweizer Filmpreis klar kommuniziert», sagt dagegen Ivo Kummer, Leiter der Sektion Film beim BAK und ehemaliger Leiter der Solothurner Filmtage.
«Reaktionen aus den Filmschulen bekamen wir erst, nachdem ein Teil der eingereichten Schulfilme aufgrund des veränderten Reglements Absagen erhalten hatten. Wenn erst im Dezember reagiert wird, bedeutet dies, dass es für eine allfällige Zulassung für den Filmpreis 2015 zu spät ist.» Heisst das, dass das neue Reglement doch noch nicht in Stein gemeisselt ist?
«Ich persönlich bin überzeugt, dass es durchaus auch reine Schulfilme gibt, die den nötigen Qualitätsanspruch des Schweizer Filmpreises erfüllen.»
«Wir sind absolut bereit, über unseren Entscheid, zu hundert Prozent an Schulen produzierte Filme auszuschliessen, nochmals zu reden», sagt Kummer. «Ich persönlich bin nämlich überzeugt, dass es durchaus auch reine Schulfilme gibt, die den nötigen Qualitätsanspruch des Schweizer Filmpreises erfüllen. Nun muss geprüft werden, wie das allenfalls neu geregelt werden kann. Denn noch ist der Fokus ganz klar auf den professionellen Film gerichtet.»
Für Ende Februar sind Gespräche zwischen dem BAK und den Filmschulen angesetzt. Dann werden die Oscar-Gewinner feststehen und vielleicht wird das BAK seinen Entscheid nochmals überdenken.
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