Die 14 Wunderkammern der Messe

Verborgene Zimmer, grosse Geheimnisse: Das Projekt «14 Rooms» zeigt während der Art, was Performance-Kunst alles drauf hat.

Die Kuratoren Hans-Ulrich Obrist und Klaus Biesenbach mit «14 Rooms» -Crew (Marc Spiegler, Sam Keller, Georges Delnon und partizipierende Künstler) (Bild: Alexander Preobrajenski)

Kleine Zimmer, grosse Geheimnisse: Das Projekt «14 Rooms» zeigt während der Art, was Performance-Kunst alles drauf hat.

«Lasst eure Schüchternheit hinter euch, wenn ihr diese gewaltige Struktur von Ausstellung betretet!» Der Museumsdirektor der Fondation Beyeler Sam Keller schaut feierlich und öffnet wenige Momente später zusammen mit «Uber-Curator» Hans-Ulrich Obrist, Big Player Klaus Biesenbach, Art Basel-Direktor Marc Spiegler und Georges Delnon vom Theater Basel die Tür zur Wunderkammer neben der diesjährigen Art Basel.

«14 Rooms» heisst das Projekt, bei dem Obrist und Biesenbach 14 internationale Künstler dazu eingeladen haben, während der Art in einem (von Herzog und de Meuron fabrizierten) Raum jeweils ein Zimmer mit einer Performance zu bespielen. Entstanden ist ein länglicher weisser Raum, von dem auf jeder Seite 7 Türen abgehen. Hinter den 14 Türen verbergen sich nackte Frauen, singende Menschen, grinsende Zwillinge und ein Ein-Mann Tauschbasar. Es sind Zimmer, für die es keinen besseren Ausdruck als «Erlebnisräume» gibt: Räume, in denen der Besucher allerhand erlebt. Und egal wie vage diese Bezeichnung klingt: Der Reiz der 14 Erlebnisräume liegt in ihrer Unbeschreiblichkeit. Was hinter den 14 Türen geschieht, ist jedes Mal anders und bleibt der Welt auf der anderen Seite der Tür für immer verborgen.

Fast wie bei Takeshi’s Castle

Was auch dazu führt, dass man sich beim Auswählen der Türen ein bisschen wie im Türenlabyrinth der japanischen Spielshow «Takeshi’s Castle» fühlt: Hinter jeder Tür lauert das Ungewisse und theoretisch könnte man jederzeit in den Fängen eines obskuren Monsters landen.

Tut man aber nicht, und genau darin liegt der Wehrmutstropfen von «14 Rooms»: Obrist und Biesenbach hätten mutiger vorgehen können, besonders «Live-Art» (das Wort «Performance» fällt selten in der Ausstellung)  eignet sich in ihrer Unmittelbarkeit gut dazu, Grenzen auszuloten – man denke an Marina Abramovics Schock-Peformance in den Siebzigerjahren in Neapel, wo sich die Künstlerin dem Publikum auslieferte, inklusive Folterinstrumenten und anschliessendem Freispruch.

Doch es scheint, als wären die Kuratoren Kompromisse zugunsten des breiten Publikums (und der Messevorschriften) eingegangen: So wird man bei Laura Limas «Man=Flesh/Woman=Flesh – Flat», einem nur 45 Zentimeter hohen Raum, in dem eine körperlich behinderte Person neben einer brennenden Lampe liegt, sofort zurückgepfiffen, wenn man hineinkriechen will, und bei «Mirror Check», dem Beitrag der Amerikanerin Joan Jonas trennt ein weisser Strich den Zuschauer und die beiden nackten Performerinnen, die sich im Spiegel betrachten. 

Einzig Dominique Gonzalez-Foersters Beitrag kostet die Möglichkeiten von Live-Art vollkommen aus. Mehr darf dazu aber nicht verraten werden: Der Zauber dieses Raums liegt in seiner Geheimhaltung.  

Der Betrachter als Komplize

Zaghaftigkeit hin oder her: Schüchternheit ist in «14 Rooms» wirklich nicht zu empfehlen. In Yoko Onos «Touch Piece» beispielsweise betritt der (Betrachter? Eindringling? Fremdkörper?) Besucher einen nachtschwarzen Raum und bemerkt zu spät, dass man erstens wirklich gar nichts sieht (vorausgesetzt die Tür ist geschlossen) und sich zweitens noch andere Menschen im Raum befinden, die sich so gar nicht vor Körperkontakt zu fürchten scheinen.

Genau das ist der Reiz dieser «lebenden Kunst»: Der Betrachter wird unausweichlich zum Komplizen, der – ob er will oder nicht – mit dem Werk kommuniziert und ein Teil davon wird. Wie bei «Revolving Door», einem Werk des Künstlerduos Allora&Calzadilla, wo eine Gruppe von Tänzern dem Besucher vehement tanzend den Weg versperrt, so dass er sich im Kreis drehen muss wie in einer Drehtür. Ähnlich eingebunden, wenngleich auch in viel unterhaltsamerer Weise, wird man im Zimmer des slowakischen Künstlers Roman Ondák: Ein Mann sitzt mit einem Objekt in der Hand an einem Tisch und fordert zum Tausch auf. Eine endlose Kette von Tauschhandel wird in Gang gesetzt, die bis ans Ende der Ausstellung anhält.

Kein Ende in Sicht

Räumlich ist wiederum kein Ende der Ausstellung auszumachen: Die beiden Enden des Flurs, wo sich jeweils Ein- und Ausgang befinden, bestehen aus grossen Spiegeln, so dass sich der Ausstellungsraum bis ins Unendliche weiterzuziehen scheint. Dieses Zusammenspiel von scheinbarer Endlosigkeit und schlau platzierter Täuschung macht «14 Rooms» zu einem Winchester House mitten im Messegetümmel: Eine Ansammlung von geheimnisvollen Räumlichkeiten, unerforschten Territorien und vermeintlichen Irrwegen – die letzten Endes alle am selben Ort landen: beim Betrachter selbst. «Live Art ist so nah am Leben, wie es überhaupt geht» meinte Marc Spiegler an der Pressekonferenz. Wer die 14 Wunderkammern aufsucht, wird verstehen, was er damit gemeint hat. 

_
14 Rooms: Messehalle 3, bis 22. Juni. www.artbasel.com

Nächster Artikel