Die beste Pianistin der Welt zu Gast in Basel

Eine gut gelaunte und brillant spielende Martha Argerich begeisterte mit Schostakowitschs erstem Klavierkonzert – eine Sternstunde im ausverkauften Musiksaal des Stadtcasinos.

Martha Argerich: Wo immer sie auftritt – hier etwa in München – ist ihr das Publikum hörig. (Bild: Cinetext)

Eine gut gelaunte und brillant spielende Martha Argerich begeisterte mit Schostakowitschs erstem Klavierkonzert – eine Sternstunde im ausverkauften Musiksaal des Stadtcasinos.

Einen Konzertabend mit Martha Argerich zu beschreiben gleicht einer Suche nach Superlativen. Nicht selten müssen tierische Metaphern helfen, um ihre unvergleichlichen technischen Fähigkeiten auf der Klaviatur zu beschreiben. Alles, was schnell und impulsiv ist, kommt in Betracht: «Panther» fand einst etwa Le Figaro, «Rennpferd» die Frankfurter Allgemeine, «Königin der Löwen» der Spiegel.

Noch immer erscheint all dies passend – und doch auch wieder nicht, denn die Argentinierin musiziert auf eine zutiefst menschliche Art: mit einer tiefgehenden Kenntnis der Werke, einer besonderen musikalischen Intelligenz, einer unerschöpflichen künstlerischen Phantasie. Während ihres Gastspiels bei der AMG schien es, als stünde da im Musiksaal des Stadtcasinos ein ganz ungewöhnlicher Flügel, solch entlegene Farben entlockte Argerich dem Instrument in Dmitrij Schostakowitschs Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester (Klavierkonzert Nr. 1).

Hämmernde Läufe

Mit einer beiläufig hellen Freundlichkeit der Beginn, mit einem leisen, doppelbödigen Charme die Überleitung, dann stählerne Härte in den Akkorden, ein dunkel-metallisches Klirren in den oberen Registern, unerhört schnelle Läufe, die nicht perlen, sondern regelrecht hämmern, und mit denen sie das Orchester vor sich hertreibt – um ihr Tempo, ihre Vorstellung von dieser Musik durchzuziehen.

Und bei aller Virtuosität ist ihre interpretatorische Disposition stets von einer Klarheit, wie es nur die wenigsten erreichen. Keine noch so kühne Wendung erscheint verwegen oder beliebig, alles wirkt sonnenklar – und doch jagt eine Überraschung die nächste, bisweilen auch leise, intime, zerbrechliche. Fast eindimensional nahm sich dem gegenüber das Spiel des Solo-Trompeters David Guerrier aus, obwohl klangschön und mit gehörigem Biss im Ansatz.

Nur eine Zugabe

Aber selbst die jungen Leute des Verbier Festival Chamber Orchestras sahen etwas alt aus neben der 70-jährigen Martha Argerich, die so flink zu denken und zu spielen weiss, ganz konsequent nur eine Zugabe gewährt (die Wiederholung des 3. Satzes des Schostakowitsch-Konzerts), und die in der Pause all den Klavier-Studenten und altgedienten Anhängern bereitwillig Autogramme gibt, hinter der Bühne, mit jedem ein Wort wechselt, in allen nur erdenklichen Sprachen.

Doch das Orchester, das durch ausgewählte Musiker der ganzen Welt gebildet wird und seine Heimstatt im allsommerlich stattfindenden Verbier Festival hat, bekam andere Gelegenheiten, seine Brillanz unter Beweis zu stellen: In der Streichersinfonie Nr. 10 des jungen Felix Mendelssohn Bartholdy, die sie rasch und ungestüm spielten und mit geradezu poetischer Agogik die musikalischen Phrasen wie Sätze formulierten. Und in Antonín Dvoráks Streicherserenade op. 22: All das war so beweglich, so warm und homogen im Klang, als musiziere hier ein Streichquartett, kein Streichorchester.

Dass der Chefdirigent Gábor Takács-Nagy einst selbst Quartettgründer und heute Professor für Kammermusik ist, hörte man allenthalben: Hier vermisste wohl niemand die Bläser des gross besetzten Sinfonieorchesters, denn die Streicher zeigten, wie vollkommen sie sind – auch wenn es eine ganz andere Vollkommenheit ist als jene der Martha Argerich.

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