Die delikate Liaison zwischen Museen und Sammlern

Die Basler Museen sind auf private Sammler angewiesen, die ihnen ihre Schätze als Dauerleihgaben und Schenkungen überlassen. Schön, dass sich die Häuser dabei auf die Grosszügigkeit der Kunstsammler verlassen können – allerdings endet nicht jede Verbindung mit einem Happy End.

Bedeutender Zuwachs: Vier Gemälde aus Gerhard Richters Zyklus «Verkündigung nach Tizian».

(Bild: Kunstmuseum Basel, Martin P. Bühler)

Die Basler Museen sind auf private Sammler angewiesen, die ihnen ihre Schätze als Dauerleihgaben und Schenkungen überlassen. Schön, dass sich die Häuser dabei auf die Grosszügigkeit der Kunstsammler verlassen können – allerdings endet nicht jede Verbindung mit einem Happy End.

Die Vorfreude war gross: «With great enthusiasm and excitement» blickte die Phillips Collection in Washington laut Medienmitteilung der Ausstellung der beiden Basler Sammlungen Staechelin und Im Obersteg entgegen, die am 10. Oktober ihre Tore öffnete. In Basel indes hält sich die freudige Erregung in Grenzen. Denn während die Sammlung Im Obersteg im Februar 2016 wieder als Dauerleihgabe ins Kunstmuseum Basel zurückkehrt, wird zumindest das Prunkstück des Staechelin-Konvoluts, Gauguins Meisterwerk «Nafea faa ipoipo», das der Besitzer für kolportierte 300 Millionen Dollar verkauft hat, für immer wegbleiben.

Sammler und Museen
Basler Museen und Sammler: Das ist eine Beziehung, welche die Museumsstadt Basel massgeblich zu ihrem internationalen Ruhm und der grossen Ausstrahlung verholfen hat. Wir werfen in unserem Wochenthema einen Blick in das erfolgreiche, aber auch diffizile Beziehungsgeflecht.
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Diese beiden Sammlungen, die ihre Auslandtournee in Madrid begannen, repräsentieren die Höhen und Tiefen, die zum Beziehungsgeflecht zwischen Museen und Sammlern beziehungsweise Leihgebern oder Schenkern gehören. Museen wie jene in Basel, die ihre Sammlungen nicht auf fürstliche Sammlungen aufbauen können, sind auf Gedeih und Verderb auf die Grosszügigkeit der Bürger angewiesen.

Stadt der grossen und grosszügigen Kunst- und Museumsfreunde

Erst die privaten Sammler haben die Basler Museen zu dem gemacht, was sie heute sind. Die Liste der Dauerleihgeber und Donatoren, die etwa das Kunstmuseum Basel aufführt, ist entsprechend lang, die Menschen und Institutionen, die das Haus beschenkt haben, von höchstem Rang. Zwei Beispiele: Mit der gestaffelten Schenkung der Sammlung von Raoul La Roche in den Jahren 1952, 1955 und 1963 wurde das Kunstmuseum zu einer der weltweit wichtigsten Schatzkammern des Kubismus. Und 1959 konnte das Haus dank einer Schenkung der Schweizerischen National-Versicherungs-Gesellschaft als erstes europäisches Museum amerikanische Kunst des Abstrakten Expressionismus zeigen.

Auch die anderen staatlichen Basler Museen dürfen regelmässig grosse Geschenke entgegennehmen. Das Museum der Kulturen Basel wie auch das Naturhistorische Museum Basel profitierten bereits in ihren Anfangszeiten davon, dass entdeckungsfreudige Basler Grossbürger von ihren abenteuerlichen Reisen Trophäen oder gleich ganze Sammlungen nach Basel brachten und den Häusern vermachten. Das Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig, dessen Sammlungsbestände fast ausschliesslich aus Schenkungen bestehen, trägt sogar den Namen eines potenten Stifters im Titel – eine grosse Ausnahme in der auf Diskretion bedachten Stadt.

Schenkungen mit aufwendigen Folgen

Schenkungen bilden den Lebensnerv, können aber auch beträchtliche Folgen haben für die Museen. Um die umfangreiche Antikensammlung von Peter und Irene Ludwig unterbringen zu können, musste das Antikenmuseum in den 1980er-Jahren einen Erweiterungsbau erstellen. Um die aus über zwei Millionen Exemplaren bestehende Käfersammlung Frey unterbringen zu können, musste das Naturhistorische Museum viel Platz im Dachgeschoss freiräumen und klimatische Rahmenbedingungen schaffen, die verhindern, dass die heiklen Museumsobjekte zerfallen oder gar zum Frass ihrer lebendigen Artgenossen werden.

Auch Leihgaben bringen Verpflichtungen mit sich. Die Werke brauchen Platz, der nicht immer einfach zu schaffen ist bei den riesigen Sammlungen, die neben den Ausstellungsräumen auch die Depots füllen. «Grundsätzlich bieten wir, wenn wir uns für eine Dauerleihgabe entscheiden – und da muss ebenso wie bei Schenkungen die Kunstkommission ihre Zustimmung erteilen –, allen dieselben Bedingungen», sagt Kunstmuseums-Direktor Bernhard Mendes Bürgi. «Das heisst: Sichtbarkeit der Werke, optimale klimatische und sicherheitstechnische Bedingungen, Versicherung, restauratorische Betreuung, Erforschung sowie die Bearbeitung von Leihanfragen Dritter.»

Dank dem internationalen Netzwerk des Kunstmuseums Basel als Oroginal gesichert: van Goghs «Le jardin de Daubigny» aus der Sammlung Staechelin

Dank dem internationalen Netzwerk des Kunstmuseums Basel als Original gesichert: Vincent van Goghs «Le jardin de Daubigny» aus der Sammlung Staechelin. (Bild: Kunstmuseum Basel)

Auch die Sammlung Staechelin konnte über Jahre von diesen fachkundigen Diensten des Museums und vom internationalen Netzwerk des Hauses profitieren – durchaus zum Nutzen des Leihgebers, der sich nun verabschiedet hat. «Bei der Sammlung Staechelin konnten wir dank unserer engen Kooperation mit dem Van Gogh Museum Amsterdam etwa bei der definitiven wissenschaftlichen Klärung der Echtheit von Van Goghs ‹Jardin de Daubigny› wertvolle Hilfestellung leisten», sagt Bürgi. Das dürfte unzweifelhaft zu einer beachtlichen Wertsteigerung des Gemäldes beigetragen haben, das von verschiedenen Seiten immer wieder als Fälschung bezeichnet worden war.

Die ungeliebten Amerikaner

Das Beispiel Staechelin ist nicht der erste Fall, der nicht nur für positive Schlagzeilen sorgte. Oftmals lagen positive und negative Momente sehr nahe beieinander oder beeinflussten sich gegenseitig. Das zeigte sich bei der heute als grosses Ereignis gefeierten Schenkung der Werke von Franz Kline, Barnett Newman, Mark Rothko und Clyfford Still durch die National-Versicherung im Jahr 1959 – eine Gabe mit «Schockwirkung», wie die renommierte Kunstkritikerin Maria Netter damals schrieb.

Die Kunstkommission, das Aufsichtsgremium des Kunstmuseums, hätte die Schenkung damals am liebsten abgelehnt oder zumindest die Werke gleich ins Depot verbannt, kam dann aber zum Schluss, dass dies ein schlechtes Zeichen an die Adresse künftiger Schenker wäre. Die Schenkung leitete ein neues Kapitel der Museumsgeschichte ein – eines, das auch für Nebengeräusche sorgen sollte. Insbesondere, als der damalige Museumsdirektor Franz Meyer die Sammlung mit zeitgenössischer amerikanischer Kunst – und später auch anderen, sperrigen zeitgenössischen Werkgruppen, zum Beispiel von Joseph Beuys – konsequent ausbaute.

Das Zerwürfnis mit Robert von Hirsch

Gar nicht mit Franz Meyers Sammlungspolitik einverstanden war zum Beispiel der Sammler Robert von Hirsch (1883–1977). Der jüdische Industrielle war 1933 nach Basel eingewandert, wo er aus Dankbarkeit, dass er hier gut aufgenommen worden war, bald zum grossen Gönner des Kunstmuseums wurde. Die Ankäufe zeitgenössischer Kunstwerke, deren künstlerischen Wert er stark bezweifelte, führten aber zunehmend zum Zerwürfnis. Von Hirsch tat seine Missbilligung nicht nur gegenüber dem Museumsdirektor, sondern auch gegenüber der Kunstkommission und schliesslich auch der Regierung kund. Doch fand er nirgends Gehör. Der Konflikt eskalierte, sodass von Hirsch kurz vor seinem Tod ankündigte, ein geplantes umfangreiches Legat an das Museum zu annullieren.



Das Dürer-Aquarell «Trintperg» aus der Sammlung von Robert von Hirsch wurde versteigert.

Das Dürer-Aquarell «Trintperg» aus der Sammlung von Robert von Hirsch wurde versteigert.

Zum Glück für das Museum kam es dann nicht ganz so schlimm. So konnte das Haus, das sich ab 1941 unter anderem über die Schenkung des bedeutenden Gauguin-Gemäldes «Ta matete» hatte freuen können, weitere kapitale Werke von Cézanne, Cranach, Degas, Ingres und Honoré Daumier entgegennehmen. Der Grossteil der Sammlung von Hirsch kam trotzdem 1978 in London unter den Hammer – an einer Sotheby’s-Auktion, die als «Jahrhundert-Versteigerung» in die Geschichte des Auktionshauses einging und weltweit für Schlagzeilen sorgte.

Zu- und Abgänge auch in der Gegenwart

Heute gehen die Museumsverantwortlichen sicherlich diplomatischer vor. Aber nach wie vor müssen sie auch Sammlungen ziehen lassen. Wie Bürgi ausführt, muss jedes Museum damit leben, dass gewisse Deposita Schätze auf Zeit sind. Besondere Unsicherheiten ergeben sich bei Privatsammlungen wie dem Staechelin Family Trust, dessen Gemälde zugleich Kapitalanlage und -reserve sind. «Mit den stark steigenden Preisen auf dem Kunstmarkt ist der Umgang mit solchen Depositären komplizierter geworden», sagt Bürgi.

Das dürfte auch der Grund gewesen sein, warum das Haus im vergangenen Jahr zwei weitere kapitale Werke der Moderne ziehen lassen musste. Die  Dr. h.c. Emile Dreyfus-Stiftung zog die Gemälde «La grande Bleue à Antibes» von Claude Monet und «Amazone de profil» von Edouard Manet ab. Die Gemälde sind ein wichtiger Teil des Kapitals der Stiftung, die sich laut Stiftungszweck aber nicht für Kunst, sondern für soziale Anliegen und Bildungsbelange einsetzt und dafür eben Geld benötigt. Die Stiftung zieht sich allerdings nicht vollständig zurück – mit nach wie vor zwölf Werken von Monet bis van Gogh gehört sie noch immer zu den wichtigen Leihgebern des Kunstmuseums.

Eklat im Historischen Museum

Auch das Historische Museum musste in jüngerer Vergangenheit Abgänge vermelden. So hat die Pauls-Eisenbeiss-Stiftung beschlossen, ihre Porzellansammlung mit Preziosen aus den bekannten Manufakturen Meissen, Höchst, Frankental und Ludwigsburg, die seit 1977 als Leihgabe im Haus zum Kirschgarten ausgestellt war, aus Basel abzuziehen. Die Stifterin Rosemarie von Lentzke-Pauls wollte sich nicht damit abfinden, dass die inzwischen zurückgetretene Museumsdirektorin Marie-Paule Jungblut die Sammlung umplatzieren wollte. «Man hat meine Sammlung auf die Strasse gesetzt», liess sich die Stifterin in der «Basler Zeitung» mit harschen Worten zitieren.

Bedeutender Zuwachs

Das Kunstmuseum Basel übt deshalb zunehmend Zurückhaltung bei der Annahme von Deposita aus Stiftungen, die Verkäufe von Werken erlauben. Dazu kommen weitere Vorbehalte: So kommt es laut Bürgi immer wieder vor, dass das Museum Dauerleihgaben oder sogar Geschenke ablehnen muss, «etwa wenn die Werke von ihrer Qualität her nicht in die Sammlung passen oder es aus anderen Gründen unwahrscheinlich ist, dass die Werke regelmässig gezeigt werden könnten», wie er sagt. «Wir bemühen uns sehr, unsere Depots nicht mit Werken zu belasten, die kaum Chancen haben, dieses je wieder zu verlassen.»

Wesentlich willkommener sind dem Kunstmuseum Deposita bedeutender Werke aus gemeinnützigen Stiftungen nach Schweizer Recht, die keine Verkäufe erlauben oder die gleich in eine Schenkung übergehen. So hat die Dr. Johann Jakob Bachofen-Burckhardt-Stiftung ihre reichhaltige Sammlung mit über 300 Werken von so wichtigen Künstlern wie Lucas Cranach d. Ä., Hans Memling und Albert Anker, die bisher ebenfalls Leihgaben waren, vor wenigen Monaten dem Kunstmuseum vermacht.

Und mit der Stiftung Im Obersteg konnte das Haus 2002 eine Leihgeber-Partnerschaft eingehen, die als echte Win-Win-Situation bezeichnet werden kann. So stellt die Stiftung nicht nur knapp 200 Werke zur Verfügung, sie kommt überdies für die Stelle der Konservatorin auf, welche die Sammlung im Museum betreut.

Auch sonst können die Basler Museen aktuell unter dem Strich eine positive Bilanz ziehen. Das Museum der Kulturen konnte in den vergangenen zwei Jahren gleich mehrere wichtige Sammlungen als Schenkungen entgegennehmen. Und auch das Kunstmuseum konnte sich neben der Schenkung der Bachofen-Sammlung über eine bedeutende Zuwendung freuen, die den Erwerb von vier Gemälden aus Gerhard Richters Zyklus «Verkündigung nach Tizian» ermöglichte. Hinter dieser Zuwendung stecken die Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron sowie die Mäzenin Maja Oeri.

Schenkung der Erbin

Und schliesslich konnte Museumsdirektor Bürgi an der Eröffnung der Ausstellung «For Your Eyes Only», die einen Einblick in die Kunst- und Wunderkammer von Richard und Ulla Dreyfus-Best bot, verkünden, dass die Sammlerin Ulla Dreyfus dem Museum zwei wertvolle Altmeister-Zeichnungen von Pieter Bruegel d. Ä. und Hans Baldung Grien geschenkt hat – garniert mit der Hoffnung, dass es nicht die letzten gewesen sein mögen.

Mit dieser Schenkung schliesst sich gewissermassen ein Kreis. Es handelt sich nämlich um zwei Werke, die der Stief-Schwiegervater von Ulla Dreyfus, der enttäuschte Basler Museumsfreund Robert von Hirsch, der Sammlerin und Mäzenin vererbt hat.

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