Die erste Software, die verhaftet wurde

Roboter dürfen in der Schweiz Ecstasy kaufen – nur mit dem Besitz wirds schwierig. Das war im Frühling 2015 das Resultat einer Strafuntersuchung gegen den «Random Darknet Shopper» der !Mediengruppe Bitnik.

Landete ungefragt im Briefkasten der !Mediengruppe Bitnik: Ecstasy.

(Bild: ©!Mediengruppe Bitnik)

Roboter dürfen in der Schweiz Ecstasy kaufen – nur mit dem Besitz wirds schwierig. Das war im Frühling 2015 das Resultat einer Strafuntersuchung gegen den «Random Darknet Shopper» der !Mediengruppe Bitnik.

Im Oktober 2014 eröffnete in der Kunst Halle St. Gallen eine Ausstellung, die bei der Vernissage noch keine ungewöhnliche Resonanz erzeugte. Fünf Monate später war sie in aller Munde – einer einzigen Arbeit wegen.

Die Ausstellung begab sich in die Untiefen des Internets und erforschte das sogenannte Darknet. Dieses beschreibt ein verschlüsseltes, unsichtbares Netzwerk, unerreichbar für konventionelle Browser oder Suchmaschinen und dennoch von Millionen genutzt. Eine der teilnehmenden künstlerischen Positionen stammte von der !Mediengruppe Bitnik.

Beim «Random Darknet Shopper», den das Künstlerduo Carmen Weisskopf und Domagoj Smoljo präsentierte, handelte es sich um ein Computerprogramm, das einmal wöchentlich automatisch im Darknet einen beliebigen Artikel bestellte und an die Kunst Halle St. Gallen schicken liess. Was ankam, wurde dort in Vitrinen festgeschraubt. Darunter waren Turnschuhe, eine gefälschte Diesel-Jeans, Zigaretten und der Schlüsselbund der britischen Feuerwehr. Das eine gepolsterte Couvert, das später jedoch international für Aufsehen sorgen sollte, enthielt eine DVD-Hülle, darin sorgsam verpackt zehn Ecstasy-Pillen.


 

Wie die anderen erworbenen Dinge auch wanderten die Ecstasy-Pillen in den Ausstellungsraum, der Begutachtung durch die Besucher überlassen.

Roboter verhaftet, Ecstasy zerstört

Als im Januar 2015 die Ausstellung zu Ende ging, stand überraschend die Kantonspolizei St. Gallen vor der Tür. Sie beschlagnahmte den «Random Darknet Shopper» und seine gesamte Ausbeute. Und der Zündstoff war entzündet.


 

In der Öffentlichkeit und in den Medien entbrannte fortan eine Diskussion darüber, wo die Grenzen der Kunst anzusiedeln seien und in wessen Verantwortlichkeit der Kauf der Drogen falle. Fragen, welche die Künstlergruppe mit ihrem Projekt von Anfang an gestellt hatte, wurden nun ebenfalls global verhandelt: «Was bedeutet es für die Gesellschaft, wenn Roboter plötzlich autonom handeln? Wer ist haftbar, wenn ein Roboter von sich aus gegen das Gesetz verstösst?»

Nun musste sich auch die Staatsanwaltschaft mit diesen Fragen beschäftigen. Zuerst jedoch wurde das Ecstasy auf seine Echtheit hin getestet und daraufhin zerstört. Es sollte eine Drittgefährdung ausgeschlossen werden.

Der zuständige Staatsanwalt zeigte schliesslich aber doch Verständnis für die Kunst: Das «übergeordnete Interesse an einer öffentlichen Debatte und die Fragen, die der ‹Random Darknet Shopper› aufwirft, rechtfertigen den Besitz des Ecstasy», schrieb er in seinem Schlussbericht.

Im April 2015 wurde der «Random Darknet Shopper» wieder frei und die Anzeige gegen Unbekannt fallen gelassen. Die !Medienguppe Bitnik freute sich: «Das ist ein grossartiger Tag für den Bot, für uns und für die Freiheit der Kunst!»

Ein Glitch fürs HeK
Weniger problematisch dürfte die Arbeit «H3333333333K» sein, welche die !Mediengruppe Bitnik nun fürs Haus der elektronischen Künste Basel anfertigt: Ein sogenannter Glitch, also ein visueller Softwarefehler, soll dort zur gebauten Architektur werden. Die handfeste Arbeit kann man ab dem 8. September in Augenschein nehmen.

Nächster Artikel