Die Festtage wurden mit einem fulminanten Konzertabend eröffnet

Sommer ist Festivalzeit – das gilt auch für die Alte Musik. Noch acht Tage lang finden 24 Konzerte, Stadtrundgänge und Vorträge zum Übergang vom Barock zur Klassik statt. Und ein parallel stattfindendes Projekt spiegelt Barockmusik und Jazz.

Sorgte für einen fulminanten Start der Festtage Alte Musik Basel: Das Eröffnungskonzert «Tempora mutantur» in der Martinskirche.

(Bild: Susanna Drescher)

Sommer ist Festivalzeit – das gilt auch für die Alte Musik. Noch acht Tage lang finden 24 Konzerte, Stadtrundgänge und Vorträge zum Übergang vom Barock zur Klassik statt. Und ein parallel stattfindendes Projekt spiegelt Barockmusik und Jazz.

Es knirscht und knarrt in der Basler Martinskirche. Elf Violinisten setzen den Bogen auf die Saiten ihrer Instrumente, drei Bratschisten und zwei Cellisten tun es ihnen gleich – und ein Feuerwerk geht los. Rasend schnell sausen die Finger über die Griffbretter, scharf artikulieren die Bögen, aufbrausende Skalen jagen durch das ganze Ensemble. Und plötzlich singen sie, lassen der Melodie der Oboen den Vortritt – nach dem Gewittersturm folgt sanfter Sonnenschein.

Wie eine musikalische Bildbeschreibung wirkt diese Musik, die 1757 im Übergang vom Barock zur Klassik entstanden ist. Es ist die Symphonie Es-Dur von Carl Philipp Emanuel Bach, der erste Satz ist mit Prestissimo überschrieben – eben: rasend schnell.

Abgestimmte Dynamik beim Festival-Auftakt

Das Orchester war aus zwei Ensembles zusammengesetzt, dem Ensemble «Café Zimmermann» und dem mit Absolventen der Schola Cantorum Basiliensis bestückte Ensemble «Ripieni Festivi». Mit welch kontrolliertem Eifer die Musiker diesen ersten Satz bei der Eröffnung der Festtage Alte Musik Basel spielten, war fast beispiellos. Alle Musiker konnten den kollektiven Sprint mithalten, keiner wurde abgehängt – im Gegenteil: es blieb noch Zeit und Raum für abgestimmte Dynamik, hier ein plötzliches Sforzato, dort ein abruptes Pianissimo, und immer wieder leichte, sich zuspitzende, wogende Wellen.

Auch wenn sich diese unablässige Energie, dieses Wechselspiel der Extreme nach einigen Wiederholungen etwas ermüdete, wurde doch vor allem eines deutlich: Dass der Übergang vom Barock zur Klassik ein stürmisch umkämpfter war. Die Programmgestaltung dieses Eröffnungsabends machte dies klar erkennbar: Zuerst das rhetorisch so beredte, festliche erste Brandenburgische Konzert von Johann Sebastian Bach, dann das Cellokonzert Wq 172 seines Sohnes Carl Philipp Emanuel – welches Solist Petr Skalka wunderbar empfindsam, das Orchester jedoch ganz dem Sturm und Drang verpflichtet interpretierte  –, dessen schon galantere Sinfonie in Es-Dur Wq 179 und schliesslich die «Tempora mutantur»-Sinfonie von Joseph Haydn, deren klare Gedankenführung schon die ideale Klassik wiederspiegelt.

Die Festivalleiter hatten die Qual der Wahl

Ja, es passierte viel in jenen Jahren zwischen 1740 und 1780. So viel, dass sich die Festivalleiter Peter Reidemeister (ehemaliger Leiter der Schola Cantorum Basiliensis) und Renato-D. Pessi-Gsell (beide auch Initianten des «Vereins zur Förderung von Basler Absolventen auf dem Gebiet der Alten Musik») vor allem im Weglassen üben mussten, wie sie im inhaltsreichen Programmbuch schreiben. In der noch immer üppigen Programmgestaltung richteten sie ihren Fokus auf Basel. So werden etwa Musikstücke aus der weltberühmten Sammlung des Basler Geschäftsmannes (und Erbauer des Blauen Hauses am Rheinsprung) Lucas Sarasin aufgeführt (heute Samstag, 12:15 Uhr, Musik-Akademie Basel, Eintritt frei), dessen Musik man neu auch auf einer ausgezeichneten, ungemein lebendig und frisch gespielten Aufnahme durch das junge Ensemble «Der musikalische Garten» nachhören kann. Stadtführungen (heute Samstag, 15 und 17 Uhr, Start beim Rheinsprung 16) zum Musikleben Basels, Vorträge in verschiedenen Basler Museen und zahlreiche kommentierte Konzerte geben Einblick in diese Zeit des Überganges.

Highlights sind sicher das in Basel selten zu hörende Freiburger Barockorchester mit Andreas Staier am Cembalo (heute Samstag, 20:15 Uhr, Martinskirche), die Messe des als Opernkomponist bekannten Johann Adolph Hasse, stilecht aufgeführt im Gottesdienst im Basler Münster (Sonntag, 23.8., 10 Uhr, Münster Basel), die neu entdeckte Opera Buffa von Domenico Cimarosa mit dem Ensemble «Musica Fiorita» (Montag, 24.8., 20:15 Uhr, Martinskirche) und das Melodram «Ariadne auf Naxos» von Georg Benda (https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Anton_Benda) (Mittwoch, 26.8., 20:15 Uhr, Martinskirche). Auch Streichquartette auf alten Instrumenten mit dem berühmten «Quatuor Mosaïques» (http://styriarte.com/artists/quatuor-mosaques/) sind zu hören (Freitag, 28.8., 20:15 Uhr, Martinskirche), sowie als krönender Abschluss – mit freiem Eintritt – die Schöpfung von Joseph Haydn mit dem «Collegium Vocale Gent» unter der Leitung von keinem geringeren als René Jacobs (Samstag, 29.8., 19:15 Uhr, Martinskirche).

Martinskirche nur zu zwei Dritteln besetzt

Bei so zahlreichen Anlässen bleibt den überwiegend ehrenamtlich arbeitenden Organisatoren zu wünschen, dass sich nach den vergangenen zwei erfolgreichen Festivalausgaben aus den Jahren 2011 und 2013 auch die Zeit des Spätbarocks und der Frühklassik so grosser Beliebtheit erfreut wie Mittelalter und Renaissance. Denn die nur zu zwei Dritteln besetzte Martinskirche zeigte am Eröffnungsabend: Die Frühklassik ist ein Gebiet, in dem die Alte-Musik-Ensembles mit den modernen Klangkörpern konkurrieren. Bach, Haydn und Mozart werden vom Publikum noch immer gern in traditioneller Spielart gehört. Doch wer Lust auf neue Hörerlebnisse mit noch weitestgehend unbekannten Zeitgenossen hat, der wird von diesem Festival reich beschenkt.

Und damit sich die Bewohner und Besucher der Musikstadt Basel nicht nur auf eine Stilrichtung festlegen müssen, findet fast gleichzeitig – zufällig, wie Organisator Stephan Kurmann sagt – das Projekt «Spiegelungen – Jazz / Barock» statt. Vom 26. bis 30. August werden jeden Abend Konzerte mit Einführung im Bird’s Eye Jazz Club veranstaltet, in dem Barock- und Jazzmusik von Jazzbands und Ensembles aus Studierenden oder Alumni des Kooperationspartners Schola Cantorum Basiliensis einander gegenübergestellt wird. Ausgangspunkt ist die immer grösser werdende Bedeutung der Improvisation für die Interpretation von Barockmusik, die hier mit der improvisationsbasierten Jazzmusik gespiegelt wird. Man hat die Qual der Wahl in dieser musikreichen Woche in Basel.

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